Architektenhaftung: Zur Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen und zu den Grenzen der InanspruchnahmeLeitsätze 1. Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen (Anschluss BGH, Urt. v. 14.11.2017 - VII ZR 65/14 - BGHZ 217, 13-24). 2. Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten mit der Erstellung einer Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung und verlangt sie vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. 3. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf angesichts des doppelgliedrigen Mangelbegriffs des BGH keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind. 4. Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte. 5. Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können. - A.
Problemstellung Das OLG Stuttgart hatte über die Verantwortlichkeit eines Architekten für mangelhafte Wohnflächenermittlung, mangelhafte Grundlagenermittlung und eine fehlende Planung von Sonnenschutz zu entscheiden. Es hat sich ausführlich mit dem Umfang dieser Pflichten und vor allem mit den Abreden der Parteien und den Umständen des Einzelfalls auseinandergesetzt. Ferner enthält das Urteil Ausführungen zu den Anforderungen, die an den Vortrag zur haftungsbegründenden Kausalität zu stellen sind.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die klagende Bauträgerin verlangte von dem beklagten Architekten Schadensersatz wegen mangelhafter Planungsleistungen für eine Wohnungseigentumsanlage, insbesondere wegen mangelhafter Wohnflächenprüfung, wegen mangelhafter Bauwerkserkundung und wegen eines mangelhaft geplanten Sonnenschutzes. Der Klägerin zufolge wiesen die von dem Beklagten überarbeiteten Pläne des Vermessungsingenieurs eine zu geringe Wohnfläche aus, weshalb mehrere Wohnungen mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden seien. Der Beklagte trug vor, er habe die Flächenermittlung nur hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen überprüfen sollen und er sei nicht mit einer umfassenden Neuvermessung beauftragt gewesen. Die Klägerin war weiter der Auffassung, der Beklagte habe übersehen, dass es sich bei den Geschossdecken im Bestandsgebäude um Betonhohlkörperdecken gehandelt habe und er habe die Fundamente von Teilen der Gebäude nicht überprüft. Die Baukosten hätten sich deshalb erheblich erhöht und ein vollständiger Abriss und Neubau wäre günstiger gewesen. Der Beklagte trug vor, der Geschäftsführer der Klägerin habe mitgeteilt, dass es sich um Stahlbetonrippendecken handle, und die Klägerin habe sich in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung entschieden. Von den Risiken des Fundamentes habe die Klägerin schon vor Beauftragung des Beklagten gewusst. Der Beklagte hatte widerklagend Architektenhonorar geltend gemacht und die Klägerin hatte hiergegen mit einem Schadensersatzanspruch wegen mangelhaft geplanten sommerlichen Wärmeschutzes aufgerechnet. Der Beklagte trug hierzu vor, er habe planerisch einen Sonnenschutz vorgesehen und der Geschäftsführer der Klägerin habe diesen nur als bezahlten Sonderwunsch ausführen wollen. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen und der Widerklage i.H.v. 253.413,87 Euro nebst Zinsen stattgegeben. Das OLG Stuttgart hielt die Berufung der Klägerin für unbegründet, weil der Klägerin gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz wegen mangelhafter Architektenleistungen zustünde. Ein Anspruch wegen einer Pflichtverletzung betreffend die Abrede zur Überprüfung der Bestandspläne besteht dem Oberlandesgericht zufolge nicht. Dem OLG Stuttgart zufolge hatte die Klägerin den Beklagten zwar mit einer Wohnflächenberechnung beauftragt. Nachdem sich aber Abweichungen des tatsächlichen Bestandes gegenüber den Bestandsplänen ergeben hatten, hatten die Parteien – so das Oberlandesgericht – eine Abrede zur Überprüfung dieser Pläne getroffen. Das OLG Stuttgart sah es als erwiesen an, dass die Parteien ausdrücklich vereinbart hatten, dass „nur die für die Werkplanung empfindlichen Maße“ vom Beklagten überprüft werden sollten, „um den Aufwand zu begrenzen“. Das Gericht sah es weiter als erwiesen an, dass beide Parteien übereinstimmend davon ausgegangen waren, dass nicht sämtliche Maße überprüft würden und dass die Wohnflächenberechnung nicht korrigiert würde, so dass die Klägerin das sich aus der nur punktuellen Überprüfung der Bestandspläne ergebende Risiko sehenden Auges übernommen habe. Die zu überprüfenden „empfindlichen“ Maße seien einzeln aufgelistet gewesen und die Parteien hätten vereinbart, dass der Beklagte für die durch die falsche Lage der Wände bedingten Abweichungen keine Gewähr übernehme. Vor diesem Hintergrund könne die spätere Schätzung des Beklagten, wonach die Abweichung weniger als 1% betrage, nicht als Zusicherung gewertet werden. Mit Rücksicht auf diesen Sachverhalt weist das Gericht darauf hin, dass die Parteien eines Bauvertrages nach der Rechtsprechung des BGH vereinbaren können, dass die Bauausführung hinter den jeweils aktuellen Regeln der Technik zurückbleibt. Hierfür muss der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweisen, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung konnte die Klägerin eine Pflichtverletzung des Beklagten nicht darlegen und beweisen. Vorliegend schied eine Haftung des Beklagten dem Oberlandesgericht zufolge aus, weil die Klägerin das sich aus der nur punktuellen Überprüfung der Bestandspläne ergebende Risiko sehenden Auges übernommen hatte. Im Hinblick auf die Decken und das Fundament habe der Beklagte eine fehlerhafte Grundlagenermittlung vorgenommen. Dies könne grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB begründen. Den mit Leistungsphase 1 (Grundlagenermittlung) beauftragten Architekten treffe beim Planen und Bauen im Bestand eine intensive Bauwerkserkundigungspflicht. In diesem Zusammenhang habe der Architekt zu prüfen, ob die vorhandenen Bauunterlagen und der Zustand des Gebäudes eine sichere Grundlage für das geplante Bauvorhaben sind. Den Architekten treffe die Pflicht, den Bauherrn möglichst frühzeitig darüber aufzuklären, welche Beurteilungsgrundlagen vorhanden sind und ob Risiken bestehen, insbesondere ob zur abschließenden Beurteilung weitere kostenträchtige Untersuchungen nötig seien, ggf. auch zusätzliche kostenträchtige Maßnahmen. Diese Pflicht habe der Beklagte vorliegend nicht erfüllt. Nachdem sich aufgrund einer Bauteilöffnung herausgestellt hatte, dass es sich bei der Decke im 3. OG entgegen der ursprünglichen Annahme um eine Betonhohlkörperdecke statt um eine Betonrippendecke handelte, hätte der Beklagte die weiteren Decken untersuchen müssen. Dies insbesondere, weil die Ertüchtigung der Decken ersichtlich höhere Kosten nach sich gezogen hätten. Diese Untersuchungen betrafen nicht Spezialwissen des Statikers und hätten mittels einfacher Bohrungen bewältigt werden können. Indem er diese Untersuchungen unterlassen habe, habe er seine Pflichten schuldhaft verletzt. Ferner sei dem Beklagten hinsichtlich des Fundaments eine unzureichende Grundlagenermittlung und jedenfalls eine fehlende Aufklärung über die bestehenden Risiken der unterlassenen Fundamentuntersuchung vorzuwerfen. Aufgrund der elementaren Bedeutung des Fundamentes eines Bestandsgebäudes für die Ertüchtigung desselben vor allem für weitere Geschosse zur Wohnraumvergrößerung hätte der Beklagte entsprechende Untersuchungen zwingend vor Baubeginn durchführen müssen. Hinzu kam vorliegend, dass der Beklagte wusste, dass es sich um ein kriegsbeschädigtes Haus handelte und deshalb ein erhebliches Risiko hinsichtlich der Tragfähigkeit bestand. Der Beklagte hätte die Klägerin über die Risiken, die Möglichkeiten der Aufklärung, deren mögliche Zeitpunkte, die Vor- und Nachteile und die hiermit verbundenen Kosten aufklären müssen, um eine eigenverantwortliche Entscheidung der Klägerin herbeizuführen. Zwar habe ein Zeuge bestätigt, dass der Geschäftsführer der Klägerin entschieden habe, die Untersuchung des Fundamentes zurückzustellen. Der Beklagte habe aber nicht vorgetragen, dass dies nach entsprechender Unterrichtung durch den Beklagten hinsichtlich Kosten und damit in Kenntnis des bestehenden Risikos erfolgt sei. Die Klägerin habe aber nicht schlüssig dargelegt, dass ihr hierdurch der geltend gemachte Schaden entstanden sei. Der Ursachenzusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung und einem Schaden sei von dem jeweiligen Anspruchsteller darzutun. Die Klägerin könne sich nicht auf die Beweiserleichterung des § 287 ZPO bzw. § 252 Satz 2 BGB berufen, weil hier die haftungsbegründende und nicht die haftungsausfüllende Kausalität infrage stehe. Es gelte der Maßstab des § 286 ZPO. Die Pflichtverletzung führe dem klägerischen Vortrag zufolge unmittelbar nur zu Mehrkosten, die als Sowiesokosten auch bei genügender Bauwerkserkundung vor dem Umbau angefallen wären. Dass die Klägerin sich bei Kenntnis der Betonhohlkörperdecken und des ungenügenden Fundaments für einen Abriss des Bestandsgebäudes nebst Neubau entschieden hätte, konnte die Klägerin nicht zur Überzeugung des Senats darlegen. Der klägerische Vortrag zur Kausalität der Pflichtverletzung sei nicht plausibel, lebensfremd und damit unschlüssig. Der Klägerin zufolge hätte der Überschuss des realisierten Umbaus auch ohne Berücksichtigung der Mehrkosten deutlich unter dem durch einen Neubau zu realisierenden Überschusses gelegen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin überhaupt einen Umbau in Erwägung zog. Außerdem hatte sich der Geschäftsführer der Klägerin nach Kenntnis von den zu ertüchtigenden Betonhohlkörperdecken die Entscheidung über einen Abriss vorbehalten. Die Klägerin konnte deshalb dem OLG Stuttgart zufolge nicht nachvollziehbar darlegen, dass die Entscheidung für den Umbau auf der fehlerhaften Grundlagenermittlung beruhte. Dem Beklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, dass er der Klägerin nicht von einer Sanierung abgeraten habe. Er sei von der klagenden erfahrenen Bauträgerin nicht beauftragt worden, sie zur Sanierungswürdigkeit des Gebäudes zu beraten. Von Anfang an sei er nur im Zusammenhang mit dem Umbau beauftragt gewesen. Die Sanierungswürdigkeit hätte der Beklagte nicht infrage stellen müssen, weil die Sanierung nicht offensichtlich unwirtschaftlich, sondern auch dem klägerischen Vortrag zufolge rentabel gewesen sei. Dem OLG Stuttgart zufolge wäre der Schaden auch dann nicht ausreichend dargelegt gewesen, wenn eine ursächliche Pflichtverletzung hätte angenommen werden können. Zwar wäre der Klägerin dann § 287 ZPO i.V.m. § 252 Satz 2 BGB zugutegekommen. Auch für eine Schätzung der Schadenshöhe lagen indes dem Gericht zufolge nicht ausreichende Anknüpfungstatsachen vor. Das Gericht benötige hierfür greifbare Tatsachen. Statistisch erhobene Kostenkennwerte könnten zwar unter Umständen eine ausreichende Grundlage für eine Schätzung der Schadenshöhe darstellen. Vorliegend hänge die Höhe des durch einen Neubau zu erzielenden Überschusses jedoch davon ab, welches Gebäude hätte errichtet werden sollen. Die Klägerin habe aber kein konkretes Neubauobjekt beschrieben, weshalb der Mindestschaden nicht geschätzt werden könne. Schließlich stehe der Klägerin auch kein Schadensersatzanspruch wegen eines fehlerhaft geplanten Sonnenschutzes zu, weil sie auch das sich aus dem fehlenden Sonnenschutz ergebende Risiko vertraglich übernommen habe. Ein Bauwerksmangel liege zwar vor, weil an bestimmten Wohnungen entgegen den anerkannten Regeln der Technik kein außenliegender Sonnenschutz geplant worden sei. Der Beklagte sei hierfür grundsätzlich verantwortlich, weil er als planender Architekt die Planung eines den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Gebäudes schulde. Dennoch hafte der Beklagte vorliegend nicht, weil die Klägerin das Risiko des fehlenden Sonnenschutzes übernommen habe. Das OLG Stuttgart sah es als erwiesen an, dass der Beklagte zunächst einen außenliegenden Sonnenschutz an den Dachfenstern geplant hatte. Zwar habe kein Zeuge bestätigt, dass das spätere Entfallen des Sonnenschutzes auf eine ausdrückliche Anweisung der Klägerin erfolgt sei. Der Geschäftsführer der Klägerin habe allerdings bestätigt, dass man den Sonnenschutz nur als Sonderwunsch angeboten habe, während der Beklagte unwidersprochen erklärt habe, er habe den Geschäftsführer der Klägerin darauf hingewiesen, dass die Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniere. Die Klägerin schuldete ihren Erwerbern funktionstaugliche Wohnungen und ihr musste sich aufdrängen, dass der fehlende Sonnenschutz einen Mangel darstellen würde. Durch den Hinweis auf die Einschränkung der Funktionstüchtigkeit der Wohnungen ohne ausreichenden Sonnenschutz habe der Beklagte der Klägerin eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber ermöglicht, ob sie die Risiken einer Funktionsuntüchtigkeit auf sich nimmt.
- C.
Kontext der Entscheidung Die rechtlichen Grundlagen der Entscheidung sind klar. Der Architekt schuldet im Rahmen seiner Beauftragung eine mangelfreie Leistung, das heißt er hat die Entstehung eines mangelfreien Bauvorhabens zu bewirken (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Aufl. 2025, 11. Teil, Rn. 702 ff.). Unter anderem schuldet der Architekt regelmäßig eine mangelfreie Grundlagenermittlung und eine mangelfreie Planung. Die Entscheidung zeigt aber einmal mehr, dass der Teufel – wie so oft – im Detail steckt. Bei der Frage der Abgrenzung der Verantwortlichkeit der beteiligten Vertragsparteien sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hierzu zählen beispielsweise der Umfang der Beauftragung, die Kenntnisse und die Erfahrungen der Parteien sowie selbstverständlich auch etwaige Abreden während des Planungs- und Baufortschritts. Nach der Rechtsprechung des BGH können die Parteien eines Bauvertrages vereinbaren, dass die Bauausführung hinter den jeweils aktuellen Regeln der Technik zurückbleibt. Hierfür muss der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweisen, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen. (BGH, Urt. v. 14.11.2017 - VII ZR 65/14 Rn. 29 - NJW 2018, 391). Diese Grundsätze sind nach der Rechtsprechung des BGH auf den Architektenvertrag übertragbar (BGH, Urt. v. 20.12.2012 - VII ZR 209/11 - ZfBR 2013, 245). Wenn ein erfahrener Bauträger weiß, dass die Vermessung fehlerhaft ist und der Architekt mit Rücksicht auf den Aufwand angewiesen wird, nur bestimmte Maße zu überprüfen, so kann der Auftraggeber im Nachhinein nicht den Architekten wegen einer fehlerhaften Wohnflächenberechnung in Anspruch nehmen. Das Gleiche gilt, wenn ein erfahrener Bauträger entscheidet, dass der zunächst geplante Sonnenschutz den Erwerbern lediglich als Sonderwunsch angeboten werden soll. Gleichzeitig treffen den Architekten, der mit der Grundlagenermittlung beauftragt ist, während des gesamten Bauablaufs zahlreiche Aufklärungs- und Beratungspflichten betreffend alle wichtigen technischen, wirtschaftlichen und gestalterischen Fragen (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Aufl. 2025, 11. Teil, Rn. 774). Den mit Leistungsphase 1 (Grundlagenermittlung) beauftragten Architekten trifft beim Planen und Bauen im Bestand eine intensive Bauwerkserkundigungspflicht. In diesem Zusammenhang hat der Architekt zu prüfen, ob die vorhandenen Bauunterlagen und der Zustand des Gebäudes eine sichere Grundlage für das geplante Bauvorhaben sind. Den Architekten trifft die Pflicht, den Bauherrn möglichst frühzeitig darüber aufzuklären, welche Beurteilungsgrundlagen vorhanden sind und ob Risiken bestehen, insbesondere ob zur abschließenden Beurteilung weitere kostenträchtige Untersuchungen nötig seien, ggf. auch zusätzliche kostenträchtige Maßnahmen (OLG Köln, Urt. v. 19.08.2014 - 22 U 12/13 Rn. 50). Stellt der Architekt bei einer Bauteilöffnung fest, dass die Beschaffenheit einer Geschossdecke von der bisherigen Annahme abweicht, ergibt sich hieraus eine Pflicht, die Decken jedenfalls stichprobenhaft zu überprüfen. Und beim Bauen im Bestand muss der Architekt das Fundament untersuchen oder jedenfalls über die Risiken einer unterlassenen Untersuchung und über die Möglichkeiten der Aufklärung und die hiermit verbundenen Kosten aufklären, um eine Entscheidung des Auftraggebers zu ermöglichen. Die Entscheidung des Auftraggebers, bestimmte Untersuchungen zurückzustellen, entlastet den Architekten nur, wenn er nachweisen kann, dass der Auftraggeber insbesondere über Kosten und Risiken ausreichend aufgeklärt wurde. Zuzustimmen ist der Entscheidung auch insoweit, dass der Auftraggeber hätte darlegen müssen, dass die jeweilige Pflichtverletzung zu dem geltend gemachten Schaden geführt hat. Zwar ist zu berücksichtigen, dass für den Nachweis von Kausalfragen auch im Rahmen von § 286 ZPO Beweiserleichterungen generell zu bejahen sind (Prütting in: MünchKomm ZPO, 7. Aufl. 2025, § 287 ZPO Rn. 12). Soweit dies dem vorliegenden Urteil zu entnehmen ist, war der Vortrag des Auftraggebers dazu, dass er sich tatsächlich gegen eine Sanierung und für einen Neubau entschieden hätte, wenn der Architekt seine Pflichten im Rahmen der Grundlagenermittlung vollständig und mangelfrei erfüllt hätte, nicht plausibel, geschweige denn ist es dem Auftraggeber gelungen, das Gericht von der kausalen Verursachung des behaupteten Schadens zu überzeugen.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung zeigt, dass die Parteien sich – gerade im Falle eines Architektenvertrages – auch nach Vertragsschluss und während des gesamten Zeitraums der Vertragsdurchführung bewusst sein müssen, dass spätere Abreden die früheren Vereinbarungen beeinflussen oder gar zunichte machen können. Der Auftraggeber mag zunächst eine fehlerfreie Flächenberechnung erwarten dürfen. Wenn der Architekt aber auf die Fehler der Bestandspläne verweist und der Auftraggeber zur Begrenzung des Aufwands die Überprüfung durch den Architekten ausdrücklich einschränkt, muss er sich hieran festhalten lassen. Ebenso zeigt die Entscheidung, wie wichtig die Dokumentation etwaiger späterer Erkenntnisse während der Vertragsdurchführung ist. Der Architekt, der während der Leistungserbringung von der Erwartung abweichende Umstände feststellt, ist gut beraten, sich die Zeit zu nehmen, diese Feststellungen zu kommunizieren sowie etwaige Entscheidungen des Auftraggebers zum weiteren Auftragsumfang sorgfältig zu dokumentieren. In diesem Zusammenhang ist einem Architekten auch zu raten, zu dokumentieren, aus welchen Gründen bzw. aufgrund welcher Anweisung ein zunächst geplanter Sonnenschutz in späteren Plänen nur noch optional vorgesehen ist. Ob zur Entlastung des Architekten in jedem Fall reichen wird, wenn er nachweisen kann, den Auftraggeber darauf hingewiesen zu haben, dass die Wohnung ohne Sonnenschutz „nicht funktioniert“, könnte zweifelhaft sein. Empfehlenswert wäre sicher, wenn der Architekt ausführlicher dokumentiert, dass er den Auftraggeber ausdrücklich informiert hat, dass die Wohnung ohne Sonnenschutz im Einzelfall nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Ebenso muss der Architekt dokumentieren, wenn er den Auftraggeber über etwa angezeigte Untersuchungen aufklärt. Der Auftraggeber muss dadurch nachweislich in die Lage versetzt werden, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Hierzu muss er nachweislich und umfassend über Risiken, Möglichkeiten und Kosten informiert werden. Für Bauträger bedeutet die Entscheidung, dass die Einschränkung der Beauftragung von Planern zwar Kosten sparen kann aber zugleich erhebliche Risiken birgt und dass sich erfahrene Bauträger bewusst sein müssen, dass die Gerichte die Kenntnisse des Bauträgers bei der Abgrenzung der Verantwortlichkeiten regelmäßig berücksichtigen.
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung Das OLG Stuttgart führt ergänzend aus, dass die Klägerin auch nicht nachvollziehbar dargelegt und bewiesen habe, wie sich die Abweichungen der Wohnflächenberechnung auf die Preisbildung für die verkauften Wohnungen ausgewirkt hätten. Es sei nicht erkennbar, dass die Wohnungen allein nach Quadratmeterzahl unter Berücksichtigung der Lage verkauft worden seien. Ferner sei nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin einen höheren Kaufpreis am Markt überhaupt hätte durchsetzen können.
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