• 21.05.2025
  • Strafverteidiger Forum (StraFo)

EncroChat und (k)ein Ende?

Mit seiner Grundsatzentscheidung vom 2.3.2022 schien der fünfte Senat des BGH einen Schlusspunkt hinter die Diskussion um die Verwertbarkeit von EncroChat-Daten nach nationalem Recht gesetzt zu haben. Zwar zogen zahlreiche Stimmen in der Literatur seine Begründung in Zweifel und das LG Berlin hielt wesentliche europarechtliche Fragen für ungeklärt, weshalb es um eine Luxemburger Vorabentscheidung ersuchte, doch schlossen sich die übrigen Instanzgerichte und die anderen Senate des BGH der auch durch das BVerfG nicht beanstandeten Entscheidung an. Danach richte sich die Verwertbarkeit durch europäische Mitgliedstaaten gewonnener Ermittlungserkenntnisse allein nach dem nationalen Recht, das in entsprechender Anwendung des § 100e Abs. 6 StPO eine geeignete Rechtsgrundlage zur Rechtfertigung und Begrenzung des durch die Beweisverwertung fortdauernden, wenn nicht gar sich vertiefenden Grundrechtseingriffs bereithielte.

§ 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO eröffnet die Verwendung von Ermittlungserkenntnissen in anderen als dem Erhebungsverfahren ausschließlich zur Aufklärung von Straftaten, bei denen Maßnahmen nach § 100b StPO oder § 100c StPO angeordnet werden könnten. Mit Art. 13a des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (CanG) ergänzte der Bundesgesetzgeber mit Wirkung zum 1.4.2024 den Tatenkatalog des § 100b Abs. 2 StPO (nur) um die Nr. 5a und 5b. Weil der Umgang mit Cannabis(-produkten) nunmehr abschließend im Konsumcannabis- und im Medizinalcannabisgesetz geregelt ist, sind nach dieser eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung allein die gewerbsmäßige Ab- und Weitergabe an Minderjährige, der bandenmäßige und der bewaffnete Umgang mit nicht geringen Mengen Cannabis(-produkten) als besonders schwer i.S.d. §§ 100b, 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO anzusehen.

Es gilt zu klären, welche Auswirkungen diese Gesetzesänderung auf laufende Strafverfahren zeitigen, die ihren Tatverdacht auf EncroChat-Daten gründen. Während der BGH die Problematik bis zur Entscheidung des fünften Senats vom 30.1.2025 aus prozessualen Gründen offenlassen konnte, ist das OLG Celle als erstes OLG einer erstarkenden Meinungsgruppe der Auffassung, dass weiterhin eine geeignete Ermächtigungsgrundlage zur Datenverwendung vorliege, nämlich §§ 479 Abs. 2 S. 1, 161 Abs. 3, 100a StPO. Diese Auffassung müsste einer europa- und verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten. Ist dem nicht so, könnte die Verwertbarkeit der Erkenntnisse vom Prüfungszeitpunkt abhängen: Genügte es, dass die Daten vor dem 1.4.2024 erstmals in das Strafverfahren eingespeist wurden, könnte die Gesetzesänderung folgenlos bleiben. Die Folgen für andere Verfahren auf Grundlage internationaler Datenweitergabe (SkyECC und ANOM) werden abschließend untersucht.

Weiterlesen
Der vollständige Artikel ist enthalten in Strafverteidiger Forum (StraFo).
Zugriff erhalten Sie mit diesen Produkten:

juris Strafverteidigung

Das Themengebiet der Strafverteidigung aus Sicht aller Beteiligten sowie Informationen zu allen Stufen des Strafprozesses.

juris Strafverteidigung Premium

Mit dem "Löwe/Rosenberg StPO" und dem "Leipziger Kommentar StGB" stehen Ihnen zwei Klassiker online zur Verfügung.
Strafverteidiger Forum (StraFo)
Quelle: Fundstelle:
  • StraFo 2025, 167-173
Autoren:
  • Simon Pschorr