I. Mindestbeschäftigung schwerbehinderter Menschen
Nach § 154 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben alle privaten und öffentlichen Arbeitgeber, die jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätze besetzt haben, auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Für Klein- und Mittelunternehmen sind in Satz 3 Absenkungen von der Regelquote bestimmt: Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 40 Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat haben einen schwerbehinderten Menschen, Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 60 Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat haben zwei schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen.
Ursprünglich betrug die Pflichtquote 6 Prozent. Durch das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29.09.20001 wurde, als Anreiz für mehr Engagement der Arbeitgeber, die Quote auf 5 Prozent herabgesenkt und zugleich die Mindestzahl der Arbeitsplätze für den Beginn der Beschäftigungspflicht von 16 auf 20 erhöht. Für öffentliche Arbeitgeber des Bundes gilt heute noch nach § 241 Abs. 1 SGB IX weiterhin die höhere, auf 6 Prozent der Arbeitsplätze festgesetzte Pflichtquote, sofern sie am 31.10.1999 diese Quote tatsächlich erfüllt hatten. Mit dieser negativen Besitzstandsregelung will der Bund seinen Behörden zu einem guten Beispiel anhalten.2
II. Ausgleichsabgabe als umlageähnliche Sonderabgabe
In § 160 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist bestimmt: Beschäftigungspflichtige Arbeitgeber, die die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, haben für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen eine Ausgleichsabgabe zu zahlen. Die Ausgleichsabgabe ist keine strafähnliche Belastung, die der Gesamtheit der Arbeitgeber auferlegt wird.3 Vielmehr handelt es sich um eine umlageähnliche Sonderabgabe, die „in einer dem Gleichheitssatz entsprechenden Weise auf Ausgleich der den Arbeitgebern auferlegten Belastungen" ausgerichtet ist.4 Das gilt auch für die Fälle, in denen Arbeitgeber schwerbehinderte Menschen nicht aus arbeitsmarktbedingten, sondern aus betrieblichen Gründen nicht einstellen können, weil die von ihnen gewählte Betriebsstruktur keine für Schwerbehinderte geeigneten Arbeitsplätze aufweist. Wären Arbeitgeber in solchen Fällen von der Abgabepflicht befreit, blieben sie von Belastungen verschont, die die Arbeitgeber als Kollektiv treffen. Das ist auch in diesem Fall aus Gründen der Lastengleichheit gerechtfertigt.5
III. Zusammenrechnungsprinzip
Bemessungsgrundlage für die Erfüllung der Beschäftigungspflicht ist seit 1974 abweichend vom früher geltenden § 3 Schwerbeschädigtengesetz 1953 nicht mehr der Betrieb oder die Dienststelle. Maßgeblich ist vielmehr das Zusammenrechnungsprinzip, d.h. alle Arbeitsplätze, die ein Arbeitgeber in allen ihm zuzuordnenden Betrieben oder Dienststellen hat. Diese werden für die Berechnung der Anzahl der zu besetzenden Pflichtplätze zusammengerechnet.6 Deshalb ist auch bei einer Konzernstruktur stets auf das einzelne Konzernunternehmen abzustellen, so dass kein konzerninterner Ausgleich zwischen über- und untererfüllenden Unternehmen stattfindet.7 Bei den öffentlichen Arbeitgebern sind demgegenüber besonders große Einheiten gebildet. Für die Verpflichtung zur Entrichtung einer Ausgleichsabgabe gelten die obersten Bundesbehörden mit ihren nachgeordneten Dienststellen und die obersten Landesbehörden mit ihren nachgeordneten Dienststellen als ein Arbeitgeber. Das heißt für den Bund und die Länder: Wenn ein Geschäftsbereich eines Ministeriums zu wenig beschäftigt, kann dies durch einen Geschäftsbereich, der übererfüllt, ausgeglichen werden.
IV. Monatliche Ausgleichsabgabensätze
Die Ausgleichsabgabe wird für jeden unbesetzten Pflichtplatz als ein bestimmter Abgabensatz festgesetzt. Es handelt sich dabei um Monatswerte, die entsprechend der Anzahl der Monate, für die die Mindestbeschäftigungsquote nicht erreicht worden ist, entrichtet werden müssen. Bei von Monat zu Monat unterschiedlicher Höhe der tatsächlichen Beschäftigungsquote fällt ein unterschiedlich hoher Satz an.8
V. Einfügung einer Nuller-Stufe ab 2024 und Wiedergabe der dynamisierten Abgabensätze
Der Gesetzgeber hat zunächst mit dem Inkrafttreten des SGB IX in § 77 Abs. 2 Satz 1 SGB IX 2001 (inzwischen ist der Standort der Regelung wegen Einfügung des Eingliederungsrechts nach § 160 Abs. 3 SGB IX 2018 verschoben) die Sätze festgesetzt. Da diese von Anfang an in Absatz 3 dynamisch ausgestaltet waren, erfolgte bereits mehrfach in Anpassung an die Veränderung der Sozialversicherungs-Rechengröße eine Erhöhung, sobald diese Bezugsgröße um wenigstens 10 Prozent angestiegen war. Durch diese Konstruktion ist die aktuelle Höhe der Ausgleichsabgabe im Gesetzestext nicht immer ablesbar. Anlässlich der Einfügung einer vierten Stufe der Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber, die überhaupt keine schwerbehinderten Menschen beschäftigen (so genannte Null-Beschäftiger), setzte der Gesetzgeber In Art. 2 Nr. 3 a des Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vom 06.06.2023 die Sätze in § 160 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unter aa) bis dd) unter Übernahme der Anpassungserhöhung ab 2024 wie folgt fest:
Die Ausgleichsabgabe beträgt je unbesetztem Pflichtarbeitsplatz
- 1.
140 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 3 Prozent bis weniger als dem geltenden Pflichtsatz,
- 2.
245 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 2 Prozent bis weniger als 3 Prozent,
- 3.
360 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von mehr als 0 Prozent bis weniger als 2 Prozent,
- 4.
720 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 0 Prozent.
Dabei machte der Gesetzgeber für die Zeit ab 2024 die Höhe der in Nr. 1 bis 3 festgesetzten Abgabensätze, die bereits in dieser Höhe aufgrund der Bekanntmachung des BMAS vom 19.11.20209 angepasst worden waren, nur im Wortlaut des Gesetzestextes sichtbar.10 In Art. 2 Nr. 3 b des Gesetzes vom 06.06.2023 machte er in § 160 Abs. 2 Satz 2 SGB IX mit Wirkung zum 01.01.2024 für kleine und mittlere Unternehmen ebenso die Anpassung der Sätze anlässlich der Einfügung des erhöhten Abgabesatz für eine Beschäftigungsquote von 0 Prozent sichtbar.11
VI. Die ab 2025 erhöhten Sätze der Ausgleichsabgabe
Maßgebend für die Neubestimmung der Sätze der Ausgleichsabgabe ist nach § 160 Abs. 3 Satz 2 SGB IX nicht die 2023 mit dem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vom 06.06.2023 erfolgte deklaratorische Wiedergabe der erhöhten Sätze, sondern die Anpassung der Ausgleichsabgabe durch Bekanntmachung vom 19.11.2020.12 Das BMAS hat in Anwendung der Anpassungsermächtigung gemäß § 160 Abs. 3 SGB IX die Erhöhung der monatlichen Sätze der Ausgleichsabgabe ab dem 01.01.2025 wie folgt bekannt gemacht13:
Allgemeine Regelung
Erfüllungsquote | 2024 | 2025 |
bis unter 5 Prozent | 140 Euro | 155 Euro |
bis unter 3 Prozent | 245 Euro | 275 Euro |
bis unter 2 Prozent | 360 Euro | 405 Euro |
0 Prozent | 720 Euro | 815 Euro |
„Kleinbetriebsregelung“
Für Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich mindestens 40, aber weniger als 60 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen ergeben sich folgende monatliche Beträge bei Beschäftigung von:
weniger als 2 schwerbehinderten Menschen | 2024:140 Euro | 2025: 155 Euro |
weniger als 1 schwerbehinderten Menschen | 2024: 245 Euro | 2025: 275 Euro |
null schwerbehinderten Menschen | 2024: 410 Euro | 2025: 465 Euro |
Für Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich mindestens 20, aber weniger als 40 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen ergeben sich folgende monatliche Beträge bei Beschäftigung von:
weniger als 2 schwerbehinderten Menschen | 2024: - | 2025: - |
weniger als 1 schwerbehinderten Menschen | 2024: 140 Euro | 2025: 155 Euro |
Null schwerbehinderte Menschen | 2024: 210 Euro | 2025: 235 Euro |
Die erhöhten Werte sind erstmalig zum 31.03.2026 zu zahlen, wenn nach § 160 Abs. 4 Satz 1 SGB IX i.V.m. § 163 Abs. 2 SGB IX die Ausgleichsabgabe für das Jahr 2025 fällig wird.
VII. Kritik an der letzten Anpassungsentscheidung des BMAS
Soweit das BMAS in der Bekanntmachung der Anpassung den Begriff „Kleinbetriebe“ verwendet, ist dies irreführend; denn nach dem Zusammenrechnungsprinzip werden für die Berechnung der Anzahl der zu besetzenden Pflichtplätze alle Arbeitsplätze in allen Betrieben und Dienststellen eines Arbeitgebers zusammengerechnet.14 Der Begriff „Betrieb“ ist daher deplatziert. Maßgebend sind die in § 154 SGB IX definierten Begriffe „private Arbeitgeber“ und „öffentliche Arbeitgeber“.
Es überrascht auch, dass in der Anpassungsbekanntmachung vom 02.12.2024 keine Erhöhung des Ausgleichsabgabensatzes für die öffentlichen Arbeitgeber des Bundes festgestellt wurde. Nach § 241 Abs. 1 SGB IX gilt für diese, soweit sie am 31.10.1999 mindestens 6 Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt hatten, weiterhin die Sechs-Prozent-Mindestbeschäftigungsquote.15 Da diese Anpassungsbekanntmachung ausdrücklich nur für die Beschäftigungs-Ist-Quote „unter 5 Prozent“ die Erhöhung des Monatssatzes auf 155 Euro vorsieht, gilt für den öffentlichen Arbeitgeber des Bundes, der zwar 5 Prozent erfüllt, aber die geforderten 6 Prozent nicht erreicht, weiterhin der in der Anpassungsbekanntmachung vom 19.11.2020 festgesetzte niedrigere Satz von 140 Euro.
VIII. Freikauf gesetzlich ausgeschlossen
Mit der Zahlung der Ausgleichsabgebe endet die Beschäftigungspflicht nicht.16 Das hat der Gesetzgeber in § 160 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ausdrücklich klargestellt: „Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht auf.“ Obwohl die Rechtslage so klar und eindeutig ist, wird immer wieder von einer von Arbeitgebern nutzbaren Möglichkeit des Freikaufs von der Beschäftigungspflicht gesprochen und geschrieben. Das geschieht sogar in der Fachpresse.17