Firmenrecht: Gattungsbezeichnung als Second-Level-DomainLeitsatz Die Firma „v. .de AG“ besitzt nicht die nach § 18 Abs. 1 HGB erforderliche Unterscheidungskraft. - A.
Problemstellung Der BGH hatte zu entscheiden, wie es um die Kennzeichnungseignung einer Firma steht, bei der eine (an sich nicht kennzeichnungskräftige) Gattungsbezeichnung um die Top-Level-Domain einer Internetadresse („.de“) ergänzt wird.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Beteiligte, eine Aktiengesellschaft, meldete zur Eintragung im Handelsregister die Änderung ihrer Firma in „v. .de AG“ an. Das Registergericht und das Beschwerdegericht lehnten die Eintragung ab. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Der BGH hat entschieden, dass die Firma „v. .de AG“ den Anforderungen von § 18 Abs. 1 HGB nicht genügt. Bei der Bezeichnung „v.“ handle es sich um eine bloße Gattungsbezeichnung, die Art und Gegenstand des Unternehmens allgemein im Kern anzeige. Diesem Firmenbestandteil fehle die Unterscheidungskraft. Die Kombination eines unspezifischen, keine Unterscheidungskraft besitzenden Branchen- bzw. Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain mit einer Top-Level-Domain verleihe der Firma nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB. Diese müsse sich vielmehr aus der sog. Second-Level-Domain ergeben.
- C.
Kontext der Entscheidung Die Entscheidung bedeutet die Klärung einer für die firmenordnungsrechtliche Praxis wichtigen Streitfrage. I. Gemäß § 18 Abs. 1 HGB muss die Firma des Kaufmanns zur Kennzeichnung geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Was Sachfirmen angeht, die auf die Tätigkeit des Unternehmens Bezug nehmen, ist anerkannt, dass die Kennzeichnungskraft fehlt, wenn sie sich auf bloße allgemeine Gattungs-, Branchen- oder Ortsbezeichnungen beschränken (Bömeke in: BeckOK HGB, 45. Ed. 01.01.2025, § 18 Rn. 13). Wie hier die Firma lautete, ist nicht bekannt. Ausweislich Rn. 10 der besprochenen Entscheidung beginnt sie mit „v“ und es handelt sich um „eine bloße Gattungsbezeichnung, die Art und Gegenstand des Unternehmens allgemein im Kern anzeigt“. Also z.B.: „verpackung“. Erforderlich ist in solchen Fällen ein qualifizierender Zusatz. Dieser kann z.B. in dem Bestandteil einer Personen- oder Phantasiefirma bestehen (Bömeke in: BeckOK HGB, 45. Ed. 01.01.2025, § 18 Rn. 16). II. Wie aber ist es bei einem Zusatz, der einer Top-Level-Domain entspricht, also der Endung einer Internetadresse (hier: „.de“)? Dies macht den ersten Teil der Firma zum Äquivalent einer Second-Level-Domain, die nach den Vergaberichtlinien der deutschen zentralen Registrierungsstelle für alle Domains (Denic eG) nur einmal vergeben wird. Verschafft diese Alleinstellung der Verwendung des Gattungsbegriffs die nötige Unterscheidungskraft? Dies wird von Teilen der Rechtsprechung und Literatur so gesehen (vgl. die Nachweise in Rn. 11 der Entscheidung). Der wohl überwiegenden Auffassung (ebda., Rn. 12) folgend, stellt der BGH sich dem jetzt aber entgegen, und dies mit überzeugenden Argumenten: Der allgemeine Geschäftsverkehr nehme die Top-Level-Domain in der Regel nicht als prägend, sondern vielmehr nur als Hinweis auf die Internetpräsenz des Unternehmens wahr. Würden weitere Unternehmen mit derselben Second-Level-Domain mit anderen Top-Level-Domains („.com“, „.net“) bei der Denic eG registriert, schütze die Top-Level-Domain nicht hinreichend vor einer Verwechselungsgefahr im Geschäftsverkehr. Des Weiteren sei bei der Verwendung von Branchen- bzw. Gattungsbegriffen auch das Freihaltebedürfnis der Unternehmen des gleichen Geschäftszweiges zu berücksichtigen, da die Bildung anderer Firmen nicht übermäßig beeinträchtigt werden dürfe.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Es fragt sich, ob die hier besprochene Entscheidung Bewegung in einen weiteren Meinungsstreit bringt. Es besteht nämlich Uneinigkeit auch bei der Frage, ob die Ergänzung einer Gattungsbezeichnung um eine geographische Angabe genügt. In der Rechtsprechung bestand zuletzt die Tendenz, dies zu bejahen. So ist z.B. den Firmen „Autodienst-Berlin Limited“ (KG, Beschl. v. 11.09.2007 - 1 W 81/07 - DNotZ 2008, 392), „Münchner Hausverwaltung GmbH“ (OLG München, Beschl. v. 28.04.2010 - 31 Wx 117/09 - DNotZ 2010, 933 m. abl. Anm. Kanzleiter) und „Rhein-Main Hausverwaltung Ltd.“ (OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 19.02.2008 - 20 W 263/07 - GmbHR 2009, 214) Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft zuerkannt worden (vgl. – ablehnend – Bömeke in: BeckOK HGB, 45. Ed. 01.01.2025, § 18 Rn. 16 m.w.N.; Koch, AktG, 19. Aufl. 2025, § 4 Rn. 12). Nimmt man den BGH beim Wort, muss diese Rechtsprechung auf den Prüfstand. Es spricht viel dafür, dass der allgemeine Geschäftsverkehr eine Ortsangabe in der Regel nicht als prägend wahrnimmt, sondern als Hinweis auf den Ort der unternehmerischen Tätigkeit (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 10.08.2011 - 2 W 77/11). Soweit die Möglichkeit besteht, die Ortsangabe im Wortlaut zu variieren, ohne den Aussagegehalt im Kern zu verändern, würde sie nicht hinreichend vor einer Verwechselungsgefahr schützen. Außerdem wäre hier ebenso das Freihaltebedürfnis der Unternehmen des gleichen Geschäftszweiges zu berücksichtigen, welches auch für die Kombination aus Branchenbezeichnung und Ortsnamen gilt (vgl. Kanzleiter, DNotZ 2008, 393, 395). Angezeigt sein dürfte eine differenzierende Betrachtung. Im Grundsatz dürfte gelten, dass Unterscheidungs- und Kennzeichnungskraft umso höher und das Freihaltebedürfnis umso geringer zu veranschlagen sind, je präziser und kleinteiliger die Ortsangabe ist, wobei es auch darauf ankommt, wie viele Unternehmen der jeweiligen Branche an dem bestimmten Ort tätig sind. „Schuhgeschäft am Römer e.K.“ sollte z.B. genügen; „Schuhgeschäft Frankfurt e.K.“ hingegen wohl eher nicht (vgl. hierzu und zum Ganzen auch Kanzleiter, DNotZ 2008, 393, 395).
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung Der BGH behandelt noch einen weiteren interessanten Gesichtspunkt: Die Antragstellerin könne aus den Eintragungen anderer Unternehmen mit ähnlich strukturierten Firmen im Handelsregister nichts für ihre Rechtsposition herleiten, da kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht bestehe. „Keine Gleichheit im Unrecht“ ist ein Fundamentalsatz des Verwaltungsrechts, dessen Richtigkeit Nichtjuristen meist schwer zu vermitteln ist. Trotz Eintragung kann aber selbstverständlich derjenige, der durch die Verwendung einer unzulässigen Firma in seinen Rechten verletzt ist, gegen den Firmeninhaber auf verschiedene Weise vorgehen (Unterlassungsklage nach § 37 Abs. 2 HGB, Geltendmachung wettbewerbs-, kennzeichen- namens- und deliktsrechtlicher Ansprüche). Trotz Eintragung gilt aber weiter, dass das letzte Wort auch firmenordnungsrechtlich nicht gesprochen ist. Denn in Betracht kommen die amtswegige Einleitung eines Firmenmissbrauchsverfahrens gemäß § 37 Abs. 1 HGB sowie eines Amtslöschungsverfahrens gemäß den §§ 395, 399 FamFG. Bestandsschutz für Firmen, die von Anfang an unzulässig waren, kommt dabei nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände in Betracht (Bömeke in: BeckOK HGB, 45. Ed. 01.01.2025, § 37 Rn. 8).
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