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Anmerkung zu:BGH 11. Zivilsenat, Urteil vom 15.10.2024 - XI ZR 39/24
Autor:Dr. Herbert Geisler, RA BGH
Erscheinungsdatum:13.12.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 491 BGB, § 495 BGB, § 187 BGB, § 2022-05-2 BGBEG Anlage, § 1 BGBEG Art, § § BGBEG Art, § 314 BGB, § 500 BGB, BJNR006049896BJNE232803360, § 2016-03-1 BGBEG §, § 492 BGB, § 358 BGB, EGRL 48/2008, EWGRL 102/87
Fundstelle:jurisPR-BGHZivilR 25/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Markus Würdinger, Universität Passau
Zitiervorschlag:Geisler, jurisPR-BGHZivilR 25/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Anlaufen der Widerrufsfrist bei Kaskadenverweisung in Widerrufsinformation



Leitsatz

Die Verweisung auf alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (sog. Kaskadenverweisung) in einer Widerrufsinformation hindert auch bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag im Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl 2009, L 207, S. 14, ABl 2010, L 199, S. 40 und ABl 2011, L 234, S. 46) das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht (Aufgabe von Senatsurt. v. 27.10.2020 - XI ZR 498/19 - BGHZ 227, 253 Rn. 13 ff.).



A.
Problemstellung
Es geht um Wirksamkeit der Widerrufsinformation in einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag (Legaldefinition in § 491 Abs. 2 BGB), die auf „alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB“ (sog. Kaskadenverweisung) verweist.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschl. v. 19.03.2019 - XI ZR 44/18 Rn. 15 f.) erfüllte bis zum Urteil des EuGH vom 26.03.2020 (C-66/19) die Verweisung in der Widerrufsinformation auf „alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB“ die Belehrungspflicht des Unternehmers, da ein solcher Verweis klar und verständlich sei. Mit Urteil vom 26.03.2020 hat der EuGH zu Autokreditverträgen mit Verbrauchern und einer Kaskadenwiderrufsbelehrung klargestellt, dass eine unter Einsatz eines Kaskadenverweises abgefasste Widerrufsbelehrung mit Art. 10 der Verbraucherkreditrichtlinie nicht im Einklang steht.
Auf der Grundlage dieses Urteils hat der BGH (Urt. v. 27.10.2020 - XI ZR 498/19) an seiner bislang entgegenstehenden Rechtsprechung nicht mehr festgehalten und entschieden, dass die dem Käufer erteilte Widerrufsinformation fehlerhaft sei, weil die Kaskadenverweisung nicht klar und verständlich i.S.v. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB sei. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB könne sich der Unternehmer nicht berufen, da die Widerrufsinformation nicht dem Muster zu Art. 247 § 6 Abs. 12 und § 12 Abs. 1 EGBGB entspreche.
Danach hat der EuGH (Urt. v. 21.12.2023 - C-38/21, C-47/21 und C-232/21 „BMW Bank u.a.“) entschieden, dass eine unvollständige oder fehlerhafte Information nur dann als fehlerhafte Belehrung anzusehen ist, wenn der Verbraucher durch sie in Bezug auf seine Rechte und Pflichten irregeführt und somit zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wird, den er möglicherweise nicht geschlossen hätte, wenn er über vollständige und inhaltlich zutreffende Informationen verfügt hätte.
Diese Vorgaben des EuGH gaben dem BGH Gelegenheit, seine bisherige Rechtsprechung erneut zu überprüfen, ob ein Kaskadenverweis in der Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen entspricht und inwieweit ein Belehrungsfehler das Anlaufen der Widerrufsfrist hindert.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger erwarb im Dezember 2015 ein gebrauchtes Fahrzeug der Marke VW zu einem Kaufpreis von 32.700,61 Euro. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 11.000 Euro hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien am 22.12.2015 einen Darlehensvertrag über 21.700,61 Euro. Das mit einem Sollzinssatz von 2,86 % p.a. zu verzinsende Darlehen sollte in 48 gleichbleibenden Monatsraten à 479,01 Euro zurückgeführt werden. Eine Anmeldung zu der Restschuldversicherung „KSB/KSB Plus“ beantragte der Kläger nicht.
Vertragsbestandteil waren die auf dem Vertragsformular abgedruckten Darlehensbedingungen der Beklagten, die u.a. Regelungen enthielten zur Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung, Zahlungsverzug, Wertverlustausgleich für das Fahrzeug bei Widerruf, Berechtigung der Bank, nach Vertragsschluss Auszahlungsbestimmungen für das Darlehen zu bestimmen, und Verweisung auf „alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB“.
Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 05.12.2018 den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt die Feststellung, dass der Beklagten ab dem Zugang der Widerrufserklärung kein Anspruch mehr auf den Vertragszins sowie die vertragsgemäße Tilgung zusteht, und für den Fall des Obsiegens die Zahlung von 33.513,47 Euro nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs, die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet, sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Der BGH hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.


C.
Kontext der Entscheidung
Der Kläger habe den streitgegenständlichen gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Er habe die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB im Dezember 2015 erhalten, so dass der Widerruf vom 05.12.2018 verspätet war.
1. Dem Kläger habe bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zugestanden, da die Widerrufsinformation nach der objektiven Auslegung fehlerhaft war, da sie nicht dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB entsprochen habe. Die Beklagte könne sich deshalb nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB in der vom 13.06.2014 bis zum 20.03.2016 geltenden Fassung berufen.
In der Widerrufsinformation habe die Beklagte als mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag nicht nur den Fahrzeugkaufvertrag, sondern zu Unrecht auch eine „Anmeldung zum KSB/KSB Plus“ aufgeführt, obwohl der Kläger eine Anmeldung zu der Restschuldversicherung nicht beantragt hat. Solche optionalen Bestandteile in der Widerrufsinformation beeinträchtigten die Musterkonformität nur dann nicht, wenn hinreichend konkret angegeben sei, ob sie einschlägig sind. An einer solchen Angabe fehle es hier.
Dennoch hindere die fehlerhafte Widerrufsinformation durch Verweisung auf „alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB“ das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht. Der Senat sei zwar bislang davon ausgegangen, dass diese Kaskadenverweisung nicht klar und verständlich i.S.d. Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB sei und deshalb die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginne, wenn die Widerrufsinformation eine solche Verweisung enthält und die Gesetzlichkeitsfiktion nicht greife (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2020 - XI ZR 498/19 und BGH, Urt. v. 10.11.2020 - XI ZR 426/19).
Im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21.12.2023 (C-38/21, C-47/21 und C-232/21 „BMW Bank u.a.“) hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Die Verweisung auf „alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB“ in der Widerrufsinformation stehe dem Beginn der Widerrufsfrist nicht entgegen. Sie sei weder geeignet, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner aus dem Darlehensvertrag herrührenden Rechte und Pflichten – konkret: seines Widerrufsrechts – einzuschätzen, noch auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken, und nehme ihm nicht die Möglichkeit, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei vollständiger Erteilung der Information im Darlehensvertrag auszuüben.
a) Der Verbraucher werde nicht irregeführt. Die Formulierung der Widerrufsinformation sei inhaltlich nicht falsch und erwecke weder einen falschen Eindruck noch sei sie missverständlich oder verleite den Verbraucher zu einer falschen Annahme. Sie benenne mit § 492 Abs. 2 BGB (zutreffend) die Norm, die mit Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB die Vorschriften bezeichnet, aus denen sich die Liste dieser Pflichtangaben ergebe. Sie sei lediglich insoweit unvollständig, als in der Widerrufsinformation und damit im Darlehensvertrag selbst nicht alle Pflichtangaben aufgelistet seien, von deren Erteilung der Beginn der Widerrufsfrist abhänge.
b) Diese Unvollständigkeit der Widerrufsinformation wirke sich nicht auf die Befähigung des Darlehensnehmers, den Umfang seines Widerrufsrechts einzuschätzen, aus. Der Vertrag enthalte andere Elemente, die es dem Verbraucher ermöglichen, die Information leicht zu ermitteln. Die Widerrufsinformation kläre den Darlehensnehmer unmissverständlich darüber auf, dass ihm ein Widerrufsrecht zustehe, wie es auszuüben sei und dass ihm jedenfalls eine 14-tägige Widerrufsfrist zustehe. Unvollständig sei lediglich die Angabe darüber, dass diese Widerrufsfrist möglicherweise erst später zu laufen beginne, wenn ihm nicht alle vom Gesetz vorgegebenen Pflichtangaben erteilt worden seien. Der Klammerzusatz erläutere dem Darlehensnehmer anhand von Beispielen, was solche Pflichtangaben sind. Die wesentlichen Gesichtspunkte des Widerrufsrechts – seine Existenz, Funktionsweise und Grenzen sowie sein Fortbestand bei unzureichender Information des Darlehensnehmers im Zuge des Vertragsschlusses – werden damit im Darlehensvertrag mitgeteilt. Der Darlehensvertrag enthalte nur die Liste aller zu erteilenden Pflichtangaben nicht selbst, sondern diese Liste müsse ausgehend von der in der Widerrufsinformation mitgeteilten Norm im Gesetzestext nachgeschlagen werden. Für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher mache es aber keinen erheblichen Unterschied, ob er die Prüfung der erteilten Pflichtangaben auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit anhand einer im Darlehensvertrag enthaltenen Liste oder anhand des Gesetzes vornehme, solange ihm der Gesetzestext des BGB und EGBGB ohne Weiteres zugänglich sei und unschwer eingesehen werden könne. So seien die Gesetzestexte kostenlos im Internet über den vom Bundesministerium der Justiz und dem Bundesamt für Justiz bereitgestellten Dienst www.gesetze-im-internet.de abrufbar und im Handel Textausgaben der beiden Gesetze erhältlich.
c) Trotz der Verweisung auf „alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB“ bleibe es dem Verbraucher deshalb auch möglich, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie denen auszuüben, die vorgelegen hätten, wenn die Information direkt im Darlehensvertrag vollständig erteilt worden wäre. Der mit dem Nachschlagen der Pflichtangaben im Gesetz verbundene Mehraufwand ist gering. Lediglich dieser Mehraufwand werde aber durch die unvollständige Information ausgelöst. Eine Auflistung der Pflichtangaben in der Widerrufsinformation würde den Verbraucher nicht von der Prüfung entbinden, ob tatsächlich sämtliche für das Anlaufen der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben im Vertrag aufgeführt sind und ob diese Angaben richtig und vollständig sind. Auch für diese Prüfung müsste er Einblick in die genannten Gesetze nehmen.
d) Die Verweisung auf „alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB“ wirke sich nicht auch auf die Vertragsabschlussentscheidung des Verbrauchers aus. Die Verweisung betreffe keine den Leistungsinhalt ausgestaltende Vertragsbedingung, sondern Einzelheiten des zeitlichen Fortbestands des dem Darlehensnehmer in seinen wesentlichen Eigenschaften mitgeteilten Rechts, sich nachträglich wieder von dem Vertrag zu lösen.
2. Die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation weise auch im Übrigen keinen Fehler auf, der das Anlaufen der Widerrufsfrist hindere.
a) Soweit die Widerrufsinformation darauf hinweise, dass die Widerrufsfrist „nach Abschluss des Vertrags“ beginnt, berühre dies nicht ihre Ordnungsgemäßheit. Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher verstehe diese Formulierung dahin gehend, dass der Fristbeginn dem Vertragsschluss zeitlich unmittelbar nachfolge und – entsprechend § 187 Abs. 1 BGB – am Tag nach dem Vertragsschluss beginne.
b) Der Hinweis, dass der Darlehensnehmer über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben nachträglich auf einem dauerhaften Datenträger informiert werden könne und die Widerrufsfrist dann einen Monat betrage, sei nicht in einer den Beginn der Widerrufsfrist hindernden Weise unvollständig. Er gebe den Regelfall einer Nachholung von Pflichtangaben nach § 492 Abs. 6 Satz 1 BGB wieder.
c) Die Erwähnung einer tatsächlich nicht erfolgten Restschuldversicherung „Anmeldung zum KSB/KSB Plus“ als verbundener Vertrag in der dem Kläger erteilten Widerrufsinformation stelle keinen Fehler dar, der dem Anlaufen der Widerrufsfrist entgegensteht. Sie führe den Verbraucher nicht in die Irre und verleite ihn nicht zum Abschluss eines Vertrags, den er sonst nicht geschlossen hätte. Sie sei auch nicht geeignet, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten zu erkennen, oder auf seine Vertragsabschlussfreiheit auszuwirken. Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher lese den gesamten Darlehensvertrag sorgfältig durch und kenne daher die Erläuterungen auf Seite 1 des Darlehensvertrags zu der Restschuldversicherung. Ihm sei bekannt, ob er eine Anmeldung zu dieser Restschuldversicherung beantragt hat oder nicht.
d) Die unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“ enthaltene Information über die Pflicht, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten, ist gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 EGBGB geboten und daher zu Recht in der Widerrufsinformation enthalten. Dieser Hinweis sei auch bei Vorliegen eines verbundenen Vertrags nicht irreführend, weil die folgende Zwischenüberschrift „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ unmissverständlich darauf aufmerksam mache, dass in einem solchen Fall Abweichendes gilt. Die unter dieser Zwischenüberschrift erteilte Information, dass der Darlehensgeber im Verhältnis zum Darlehensnehmer hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Vertragspartners aus dem verbundenen Vertrag eintrete, wenn diesem das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist, entspricht der Formulierung in § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB. Genauer als der Gesetzgeber müsse der Darlehensgeber nicht formulieren. Der Gesetzgeber habe einen Hinweis auf diese Rechtsfolge zur Erfüllung der Informationspflicht nach Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EGBGB für erforderlich gehalten und hierfür – wie die Übernahme in das gesetzliche Muster der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB a.F. zeige – eine am Wortlaut von § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB ausgerichtete Formulierung als genügend erachtet.
e) Die Widerrufsinformation musste bei der Darstellung der Rechtsfolgen eines Widerrufs nicht gesondert erwähnen, dass sich der zu zahlende Zinsbetrag pro Tag bei einer im Widerrufszeitpunkt bereits erfolgten teilweisen Rückzahlung des Darlehens vermindert.
Die Pflichtangabe nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 2 EGBGB bezwecke, dem Verbraucher die höchstmögliche Tageszinslast, die ihn bei einem Widerruf treffen kann, vor Augen zu führen. Einen Hinweis auf die bei einer Teilrückzahlung entsprechend geringere Belastung verlange Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 EGBGB nicht. Die Formulierung der Widerrufsinformation sei nicht irreführend, da sie ausdrücklich darauf hinweist, dass der genannte Zinsbetrag für den Fall einer vollständigen Inanspruchnahme des Darlehens gilt. Für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher sei daher offensichtlich, dass der Zinsbetrag pro Tag niedriger ist, wenn das Darlehen im Widerrufszeitpunkt schon teilweise zurückgezahlt wurde.
f) Die Widerrufsinformation sei nicht deshalb fehlerhaft, weil die Beklagte in ihren Darlehensbedingungen Aussagen zur Wertersatzpflicht des Darlehensnehmers im Fall eines Widerrufs treffe. Dies stehe nicht in Widerspruch zu der dem Kläger erteilten Widerrufsinformation, da ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme als einen über das zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise Notwendige hinausgehenden Umgang mit dem Fahrzeug verstehe.
g) Das „einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags“ gehöre nicht zu den vorgeschriebenen Pflichtangaben, von deren Erteilung der Beginn der Widerrufsfrist abhängt. Zu diesen Angaben gehöre nicht die Information über das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 BGB, sondern nur die Information über das hier nicht einschlägige Kündigungsrecht gemäß § 500 Abs. 1 BGB (BGH, Urt. v. 27.02.2024 - XI ZR 258/22 Rn. 41).
h) Die Beklagte habe zwar ihre Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß erfüllt. Dieser Belehrungsfehler hindere aber nicht das Anlaufen der Widerrufsfrist.
Nach der Rechtsprechung des Senats (BGH, Urt. v. 27.02.2024 - XI ZR 258/22 Rn. 33 m.w.N.) erfordere bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen die Information über den Verzugszinssatz nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB neben der Angabe der Art und Weise seiner etwaigen Anpassung auch die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes. Ungenügend sei der Hinweis unter Ziffer 5 der Darlehensbedingungen, dass der Verzugszinssatz für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betrage. Dies stehe dem Beginn der Widerrufsfrist jedoch nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 27.02.2024 - XI ZR 258/22 Rn. 34 f. und BGH, Urt. v. 04.06.2024 - XI ZR 113/21 Rn. 27 f.).
Ein weiterer Klärungsbedarf bestehe auch nicht im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des LG Ravensburg vom 09.04.2024 (2 O 214/20, 2 O 103/21). Die vorliegend sich stellenden Fragen seien vom Senat unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH geklärt.
i) Die Angaben der Beklagten zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung genügen den Anforderungen von § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB, weil die Darlehensbedingung für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher leicht zu berechnende Höchstbeträge ausweise.
j) Die Vertragsklausel, die dem Unternehmer eine Befugnis zur nachträglichen Änderung der Auszahlungsbedingungen des Darlehens einräumt, führe nicht dazu, dass die hierzu erteilten Angaben insgesamt unklar und unverständlich seien.
Im Darlehensvertrag wiederzugeben seien daher die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Bedingungen für die Auszahlung des Darlehens. Das Recht der Beklagten zur nachträglichen Abänderung der Auszahlungsbedingungen sei im Vertragstext nicht zu übersehen und eindeutig formuliert. Die von der Erfüllung der Pflichtangabe zu trennende Frage, ob der Änderungsvorbehalt nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam sei oder nicht, ändere nichts an der Erfüllung der Pflichtangabe.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Nach wiederholten Änderungen in der Rechtsauffassung des Senats aufgrund der Vorgaben des EuGH ist von einer Fehlerhaftigkeit der erteilten Widerrufsinformation über den Beginn der Widerrufsfrist wegen der Verweisung „auf alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB“ (Kaskadenverweisung) auszugehen. Dennoch hindert diese fehlerhafte Widerrufsinformation auch bei einem gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht.
Der Senat nimmt in dieser Entscheidung in Ergänzung zu seinem Urteil vom 27.02.2024 (XI ZR 258/22) umfassend Stellung zur Ordnungsmäßigkeit einzelner Widerrufsbelehrungen und dazu, inwieweit die kurze Widerrufsfrist trotz Belehrungsfehler nicht zu laufen beginnt. Der BGH ist dem Auslegungsverständnis des EuGH zur Verbraucherkreditrichtlinie gefolgt und hat damit den Gebrauch des Widerrufsrechts eingeschränkt.
Es fragt sich, ob der BGH den Verbraucher nicht überfordert, wenn dieser nicht nur vom Wortlaut der Widerrufsinformation ausgehen darf, sondern die darin mitgeteilte Norm im Gesetzestext nachschlagen muss. Hierzu soll ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher in der Lage sein, solange ihm der Gesetzestext ohne Weiteres zugänglich sei und unschwer eingesehen werden könne. Des Weiteren unterstellt er jedem Verbraucher, dass er einen Internetanschluss hat und damit kostenlos den von der Justiz bereitgestellten Dienst abrufen könne. Außerdem soll der Verbraucher sich im Handel Textausgaben beschaffen, in denen die Gesetzestexte enthalten sind. Der BGH lässt offen, wann ein „Durchschnittsverbraucher“ alle diese Voraussetzungen erfüllt. Es ist zu bezweifeln, ob es einem Verbraucher überhaupt gelingen kann, das Gegenteil darzulegen und zu beweisen. Aufgrund dieser geänderten Rechtsprechung des BGH reicht es jedenfalls nicht aus, trotz Belehrungsfehler sich auf die nicht in Gang gesetzte Widerrufsfrist zu berufen. Der Rechtsanwender muss künftig davon ausgehen, dass bei einem verständigen Verbraucher trotz Verletzung der gesetzlichen Belehrungspflichten das Anlaufen der kurzen Widerrufsfrist nicht verhindert wird.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Anzumerken ist, dass ausgehend von der wegen Belehrungsfehler nicht angelaufenen Widerrufsfrist der Senat im vorliegenden Revisionsverfahren neben weiteren ähnlichen Verfahren in einem Vorabentscheidungsersuchen vom 31.01.2022 (hier XI ZR 228/21, jetzt XI ZR 39/24) beim EuGH nachgefragt hatte, ob Art. 14 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie dahin auszulegen ist, dass es den nationalen Gerichten nicht verwehrt ist, im Einzelfall bei Vorliegen besonderer, über den bloßen Zeitablauf hinausgehender Umstände die Berufung des Verbrauchers auf sein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht als missbräuchlich oder betrügerisch zu bewerten mit der Folge, dass ihm die vorteilhaften Rechtsfolgen des Widerrufs versagt werden können.
Der EuGH hatte diese Rechtssache im Hinblick auf die Rechtssachen C-38/20, C-47/21 und C-232/21, ausgesetzt. Darauf hat der BGH dem Gerichtshof am 25.01.2024 mitgeteilt, dass er sein Vorabentscheidungsersuchen nicht mehr aufrechterhalten möchte. Die Frage des Missbrauchs war im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des Senats zur Nichteinhaltung der Widerrufsfrist trotz Belehrungsfehler nicht mehr klärungsbedürftig.



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