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Anmerkung zu:BVerwG 5. Senat, Urteil vom 25.04.2024 - 5 C 3/23
Autor:Dr. Rainer Störmer, Vors. RiBVerwG
Erscheinungsdatum:10.03.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 134 VwGO, § 89c SGB 8, § 30 SGB 1, § 86c SGB 8, § 86 SGB 8, § 288 BGB, § 291 BGB
Fundstelle:jurisPR-BVerwG 5/2025 Anm. 1
Herausgeber:Verein der Bundesrichter bei dem Bundesverwaltungsgericht e.V.
Zitiervorschlag:Störmer, jurisPR-BVerwG 5/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Örtliche Zuständigkeit von Jugendhilfeträgern nach dem Verlust des Sorgerechts beider getrenntlebenden Elternteile



Leitsatz

Haben die Eltern des Kindes zu Beginn und während einer Jugendhilfeleistung ihren jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt in Bezirken verschiedener Jugendhilfeträger und verlieren beide Elternteile das Personensorgerecht, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nicht nach § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII, sondern nach § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII.



A.
Problemstellung
Welcher Jugendhilfeträger hat die (oft erheblichen) Kosten für Hilfeleistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe – (SGB VIII) zu tragen, wenn beiden Elternteilen, die in verschiedenen Zuständigkeitsbereichen ihren Wohnsitz haben, das Sorgerecht für das Kind nicht mehr zusteht? In Kostenerstattungsstreitverfahren zwischen zwei Trägern der öffentlichen Jugendhilfe kommt es zur Klärung der Kostentragungs- bzw. Kostenerstattungsfrage regelmäßig darauf an, welcher Träger für die Erbringung der Leistung örtlich zuständig gewesen ist. Im vorliegenden Streitfall hatte das BVerwG insbesondere über den Anwendungsbereich der Regelung über die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII zu entscheiden. Welcher Jugendhilfeträger ist für einen Hilfefall örtlich zuständig, nachdem beide Elternteile, die zu Beginn und während einer Jugendhilfeleistung ihren jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt in Bezirken verschiedener Jugendhilfeträger haben, das Sorgerecht für das Kind verloren haben?


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Der klagende hessische Landkreis begehrt in seiner Funktion als Träger der öffentlichen Jugendhilfe von der beklagten nordrhein-westfälischen Stadt die Erstattung von Jugendhilfeleistungen, die er für ein 2008 geborenes Kind aufgewendet hat. Die Eltern des Kindes lebten seit 2012 getrennt. Das Kind verblieb beim Vater im Zuständigkeitsbezirk der beklagten Stadt. 2014 zog die Mutter in den Zuständigkeitsbereich des Klägers um. Nachdem das Familiengericht im Sommer 2017 dem Kindesvater die elterliche Sorge entzogen hatte, nahm das Jugendamt der Beklagten das Kind in Obhut und erbrachte Jugendhilfeleistungen in Form der Heimerziehung. Der Kläger übernahm den Hilfefall in seine Zuständigkeit, weil die zu diesem Zeitpunkt allein sorgeberechtigte Mutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Zuständigkeitsbereich hatte. Nachdem das Familiengericht im Mai 2018 auch der Mutter das Sorgerecht entzog, vertrat der Kläger erfolglos die Auffassung, die Beklagte sei für den Hilfefall wieder zuständig geworden. Infolgedessen müsse ihm die Beklagte die im Zeitraum von Mai 2018 bis Februar 2023 entstandenen Jugendhilfekosten erstatten. Mit diesem Ziel der Kostenerstattung hatte der Kläger im April 2020 Klage auf Zahlung von ca. 121.000 Euro erhoben, die er um die bis zur Entscheidung des VG Minden im März 2023 weiter anfallenden Beträge ergänzt hat. Das VG hat das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger seine ursprünglich neben der (Teil-)Leistungsklage erhobene Klage auf Feststellung der weiteren Kostenerstattungspflicht zurückgenommen hat. Auf die Leistungsklage des Klägers hat es die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem Kläger die im Hilfefall im vorgenannten Zeitraum (unter Anrechnung vereinnahmten Kindergeldes) angefallenen Kosten i.H.v. rund 330.000 Euro zu erstatten und an ihn Prozesszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass die Erstattungsansprüche jeweils monatsweise entstanden und jeweils mit Entstehen fällig geworden sind, so dass sich der Anspruch auf Prozesszinsen überwiegend auf die im streitigen Zeitraum nach Klageerhebung jeweils monatsweise entstandenen Beträge beziehe.
II. Die vom VG zugelassene und von der Beklagten zulässigerweise erhobene Sprungrevision (§ 134 VwGO) ist vor dem BVerwG ganz überwiegend erfolglos geblieben. Dieses hat lediglich den Ausspruch über die Prozesszinsen korrigiert und in der Sache entschieden, das VG habe zu Recht darauf erkannt, dass dem Kläger ein Kostenerstattungsanspruch in der geltend gemachten Höhe aus § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zusteht. Danach sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Gemäß § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII bleibt der bisher zuständige örtliche Träger im Falle eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetzt. Dass die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs hier erfüllt sind, begründet das BVerwG im Wesentlichen wie folgt:
Zwar war der Kläger ursprünglich der gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Denn die Elternteile hatten (bei Beginn der Leistung im Jahr 2017) verschiedene gewöhnliche Aufenthalte (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I) und nur einem Elternteil – der Mutter – stand das Sorgerecht zu, so dass es für die örtliche Zuständigkeit auf deren gewöhnlichen Aufenthalt ankam, der hier im Bereich des klagenden Landkreises lag. Auf die Aufenthaltsverhältnisse des Kindes kam es nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nicht an.
Allerdings ist die Beklagte mit dem Entzug des Sorgerechts (auch) der Mutter im Mai 2018 für den Jugendhilfefall örtlich zuständig und damit auch gegenüber dem bis 2023 (gemäß § 86c Abs. 1 SGB VIII) weiter leistenden Kläger kostenerstattungspflichtig geworden. Entgegen der Ansicht der Beklagten richtet sich die örtliche Zuständigkeit eines Jugendhilfeträgers, wenn die Eltern des Kindes zu Beginn und während einer Jugendhilfeleistung ihren jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt in Bezirken verschiedener Jugendhilfeträger haben und beide Elternteile das Personensorgerecht verlieren, nicht nach § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII in der hier anwendbaren, seit dem 01.01.2014 geltenden Fassung des Gesetzes vom 29.08.2013 (BGBl I, 3464). Danach bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen, „solange in diesen Fällen die Personensorge [...] keinem Elternteil zusteht“. Diese Zuständigkeitsvorschrift betrifft zwar (ebenso wie § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII) den Fall, dass die Personensorge keinem Elternteil zusteht. Die seit 2014 geltende Fassung des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII ist jedoch dahin auszulegen, dass sie sich nicht auf die vorliegende Fallkonstellation, sondern auf den – hier nicht gegebenen – Fall bezieht, dass die Eltern nach Beginn der Leistung erstmalig oder erneut verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen.
Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII, den der Gesetzgeber mit Gesetz vom 29.08.2013 dahin geändert hat, dass er die Worte „in diesen Fällen“ eingefügt hat. Dies deutet mit erheblichem Gewicht darauf hin, dass seither nicht nur die erste Fallvariante (gemeinsames Sorgerecht der Eltern), sondern auch die zweite Alternative (das Sorgerecht steht keinem Elternteil zu) den vorhergehenden Satz 1 des § 86 Abs. 5 SGB VIII mit sämtlichen Tatbestandsmerkmalen in Bezug nimmt. § 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII setzt voraus, dass die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen. Dieses Wortlautverständnis des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII wird – wie das BVerwG weiter ausführt – durch den Sinn und Zweck der Gesetzesänderung und die Gesetzessystematik bestätigt. In binnensystematischer Hinsicht spricht bereits die Stellung des Satzes 2 innerhalb des Absatzes 5 dafür, dass er sich insgesamt und umfassend auf die genannten Voraussetzungen des vorangegangenen Satzes 1 bezieht und dementsprechend die (erstmalige oder erneute) Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte durch die Eltern verlangt. Die gegenteilige Rechtsprechung des BVerwG zu § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII in der bis Ende 2013 geltenden Fassung, auf die sich die Beklagte berufen hatte, ist auf die aktuelle Gesetzesfassung nicht übertragbar.
Haben die Elternteile bereits bei Beginn und während einer Jugendhilfeleistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und verliert – wie hier – auch der zweite Elternteil die Personensorge für das Kind, richtet sich die örtliche Zuständigkeit daher nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind vor Beginn der Hilfeleistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Im Streitfall wechselte die örtliche Zuständigkeit mit dem Entzug des Sorgerechts der Mutter im Mai 2018 daher auf die Beklagte, in deren Zuständigkeitsbereich das Kind vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.


C.
Kontext der Entscheidung
Zur ersten Variante der Zuständigkeitsregelung des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII, die den Fall erfasst, dass beiden Elternteilen das Sorgerecht zusteht, hatte sich das BVerwG bereits im Jahre 2022 zu verhalten. Dazu hat es entschieden, dass diese Vorschrift auch dann zur Anwendung kommt, wenn die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, die bei Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte hatten und nach deren Beginn zwischenzeitlich einen Aufenthalt im Bereich desselben Jugendhilfeträgers (i.S.v. § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) genommen haben, erneut verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen (BVerwG, Urt. v. 21.09.2022 - 5 C 5/21 - Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII Nr 23). In diesem Urteil hatte das BVerwG – wie es klarstellend ausführte – mangels Entscheidungserheblichkeit noch nicht über das im vorliegenden Streitfall zu lösende Problem der Auslegung des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII (i.d.F. des Gesetzes vom 29.08.2013, vgl. zum vormaligen Streitstand etwa Lange in: jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 86 SGB VIII (Stand: 19.08.2024) Rn. 151 ff. m.w.N.) zu befinden. Dieses Rechtsproblem stellte sich nunmehr sowohl im Besprechungsfall als auch in einem weiteren Fall, in dem die Vorinstanz (VG München, Urt. v. 08.06.2022 - M 18 K 18.2485) ebenfalls die Sprungrevision zum BVerwG wegen dieser Streitfrage zugelassen hatte. Im zuletzt genannten Fall hat das BVerwG die Entscheidung des VG München aufgehoben, weil dieses zu Unrecht angenommen hat, dass die Regelung über die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII anwendbar sei, wenn die Eltern eines Hilfebedürftigen bei Beginn und während der Jugendhilfeleistung unterschiedliche gewöhnliche Aufenthalte besäßen und beide Elternteile nach Beginn der Leistung das Sorgerecht verlören. Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das VG hat das BVerwG die Sache an dieses zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (BVerwG, Urt. v. 25.04.2024 - 5 C 12/22 Rn. 6; vgl. dazu Lange in: jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 86 SGB VIII (Stand: 19.08.2024) Rn. 160.5 f.).
In beiden aktuellen Entscheidungen verweist das BVerwG neben der grammatikalischen und der gesetzessystematischen Auslegung des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII insbesondere auch auf den in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/13531, S. 8) zum Änderungsgesetz vom 29.08.2013 zum Ausdruck kommenden Sinn und Zweck der Vorschrift. Danach soll die räumliche Nähe zu den Eltern des Kindes oder Jugendlichen oder zum maßgeblichen Elternteil als grundsätzliche Voraussetzung einer wirksamen Unterstützung, die das dem § 86 SGB VIII zugrunde liegende Prinzip der dynamischen Zuständigkeit gewährleisten will, in ausdrücklicher Abkehr von einem vormaligen Normverständnis des BVerwG (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.09.2009 - 5 C 18/08 Rn. 22 - BVerwGE 135, 58; BVerwG, Urt. v. 09.12.2010 - 5 C 17/09 Rn. 22 - Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr 12; BVerwG, Urt. v. 12.05.2011 - 5 C 4/10 Rn. 17 - BVerwGE 139, 378) auch dann maßgeblich sein, wenn die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht und die Eltern bereits vor oder bei Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte hatten. § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII in der Fassung des Gesetzes vom 29.08.2013 soll dementsprechend ausdrücklich nur die Fälle erfassen, in denen die Elternteile, denen die Personensorge gemeinsam oder beiden nicht zusteht, nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen. Dies wiederum setzt voraus, dass sie vor der zuständigkeitsrelevanten Veränderung des gewöhnlichen Aufenthalts einen – erstmaligen oder erneuten – gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII hatten (vgl. zu Letzterem BVerwG, Urt. v. 14.11.2013 - 5 C 34/12 Rn. 19 - BVerwGE 148, 242; BVerwG, Urt. v. 21.09.2022 - 5 C 5/21 Rn. 14 f. - Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII Nr 23). Nach der Wertung des Gesetzgebers bietet der aktuelle gewöhnliche Aufenthalt der Eltern nur in diesen Fällen keinen ausreichenden Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des zuständigen Jugendhilfeträgers, weshalb nur dann die Rechtsfolge des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII, wonach es bei der bisherigen Zuständigkeit verbleibt (Ausnahmefall der sog. statischen Zuständigkeit), eingreifen soll. Die zur Fallgruppe, dass keinem Elternteil das Sorgerecht zusteht, ergangene Rechtsprechung des Senats zur Auslegung des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII in der bis Ende 2013 anwendbaren Fassung (zuletzt BVerwG, Urt. v. 14.11.2013 - 5 C 34/12 - BVerwGE 148, 242) ließ sich daher nicht auf die aktuelle Fassung der Vorschrift übertragen (anders VGH München, Urt. v. 10.02.2022 - 12 BV 20.217 - JAmt 2023, 37). Für die vormalige Gesetzesfassung bleibt sie – wie das BVerwG in den aktuellen Entscheidungen klarstellt – jedoch weiterhin maßgeblich. Dies hält das BVerwG zum einen aus Gründen der Rechtssicherheit für geboten und folgert es zum anderen aus dem Umstand, dass sich das Änderungsgesetz vom 29.08.2013 keine Rückwirkung beigemessen hat, sondern erkennbar zukunftsgerichtet ist, weil es erst mit Wirkung zum 01.01.2014 in Kraft treten sollte.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Für die jugendhilferechtliche Praxis ist nunmehr entschieden, dass sich die örtliche Zuständigkeit eines Jugendhilfeträgers nicht nach § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII, sondern nach § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII richtet, wenn die Eltern des Kindes zu Beginn und während einer Jugendhilfeleistung ihren jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt in Bezirken verschiedener Jugendhilfeträger haben und beide Elternteile das Personensorgerecht verlieren.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Im Besprechungsfall hat das BVerwG zwar mit der Vorinstanz einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von Prozesszinsen in wesentlichen Teilen bejaht. Diesen Anspruch folgert es wie das VG aus der entsprechenden Anwendung der §§ 288 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB, wonach der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen hat. Der Ausspruch der Vorinstanz verstieß jedoch insoweit gegen Bundesrecht, als das VG in entsprechender Anwendung von § 291 Satz 1 Halbsatz 2 BGB Prozesszinsen nach Maßgabe der Fälligkeit der Hauptforderung zugesprochen hatte. Dies setzt, wie schon der Wortlaut der Vorschrift („erst später fällig“) belegt, voraus, dass die Geldschuld zuvor rechtshängig geworden ist. Rechtshängig wird eine Geldforderung durch Geltendmachung eines bezifferten Geldbetrags im Rahmen einer Leistungsklage (BVerwG, Urt. v. 28.06.1995 - 11 C 22/94 - BVerwGE 99, 53, 54 f.). Die Erhebung einer Feststellungsklage, auf die sich das VG hier auch gestützt hatte, reicht hingegen regelmäßig nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1984 - IVb ZR 51/83 - BGHZ 93, 183, 186; Seichter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, § 291 Rn. 9, Stand 09.04.2024). Da ein in der Rechtsprechung des BVerwG insoweit anerkannter Ausnahmefall (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2001 - 5 C 34/00 - BVerwGE 114, 61, 62 f.) nicht vorlag, waren daher Prozesszinsen nicht auf monatsweise entstehende Beträge zu entrichten. Vielmehr waren sie lediglich ab der schriftsätzlichen Geltendmachung einer jeweils bezifferten Hauptforderung im Rahmen der erhobenen Leistungsklage zuzusprechen.



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