juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BFH 2. Senat, Urteil vom 28.02.2024 - II R 27/21
Autor:Dr. Andreas Wagenseil, RA, Dipl.-Kfm., StB und Testamentsvollstrecker (AGT)
Erscheinungsdatum:10.12.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 13a ErbStG 1974, § 2 EStG, § 13b ErbStG 1974, Art 3 GG
Fundstelle:jurisPR-FamR 25/2024 Anm. 1
Herausgeber:Andrea Volpp, RA'in und FA'in für Familienrecht
Franz Linnartz, RA und FA für Erbrecht und Steuerrecht
Zitiervorschlag:Wagenseil, jurisPR-FamR 25/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Parkhaus als erbschaftsteuerrechtlich nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen



Leitsätze

1. Im Rahmen eines Parkhausbetriebs Dritten zur Nutzung überlassene Parkplätze stellen erbschaftsteuerrechtlich nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen dar. Eine einschränkende Auslegung der entsprechenden Normen ist weder aus systematischen noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
2. Die Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte Nutzungsüberlassungen von Grundstücken nicht als schädliches Verwaltungsvermögen zu qualifizieren, ist durch seinen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum gedeckt.



A.
Problemstellung
Der BFH hatte zu entscheiden, ob ein an den testamentarischen Erben verpachtetes Parkhaus nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG i.V.m. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG als privilegiertes Betriebsvermögen oder aber unter Anwendung der Rückausnahme des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG als nicht erbschaftsteuerlich begünstigtes Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG einzustufen ist.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger war der testamentarische Alleinerbe seines 2018 verstorbenen Vaters. Teil des Nachlasses war ein mit einem Parkhaus bebautes Grundstück. Dieses Parkhaus hatte der Erblasser ursprünglich in Form eines Einzelunternehmens selbst betrieben. Ab dem Jahr 2000 wurde das Parkhaus unbefristet an den Kläger verpachtet. Ertragsteuerlich führten die Einnahmen aus dem Pachtverhältnis beim Erblasser zu gewerblichen Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. In der Erklärung zur Feststellung des Wertes des Betriebsvermögens ging der Kläger davon aus, dass das mit dem Parkhaus bebaute Grundstück kein Verwaltungsvermögen sei.
Das zuständige Finanzamt behandelte jedoch das fragliche Grundstück in vollem Umfang als begünstigungsschädliches Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG. Die dagegen zum FG Köln erhobene Klage blieb ohne Erfolg.
Auch der BFH stufte das Parkhausgrundstück bzw. „das Parkhaus“ als schädliches Verwaltungsvermögen ein.
Nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG gehören „Dritten zur Nutzung überlassene[…] Grundstücke und Grundstücksteile“ zum schädlichen Verwaltungsvermögen. Dies gilt allerdings u.a. dann nicht, wenn der Erblasser seinen ursprünglich selbst betriebenen Gewerbebetrieb unbefristet verpachtet und den Pächter testamentarisch als Erben eingesetzt hat, § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG. Diese Ausnahme kommt jedoch nicht zur Anwendung, wenn bereits vor dem Beginn der Verpachtung die Voraussetzung der erbschaftsteuerlichen Privilegierung nicht erfüllt seien (Rückausnahme gemäß § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b Satz 2 Alt. 1 ErbStG).
Dies war laut dem BFH vorliegend der Fall. Die im Parkhaus verfügbaren Parkplätze seien schon durch den Erblasser als ehemaligen Betreiber an Autofahrer als Dritte zur Nutzung überlassen worden. Dies stelle eine schädliche Vermietung an Dritte i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG dar. Auf die (vorliegend regelmäßig kurzfristige) Dauer der Nutzungsüberlassung komme es nicht an.
Auch sei vorliegend die Rückausnahme des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b Satz 2 Alt. 2 ErbStG nicht einschlägig. In dieser wurde vom Gesetzgeber aus Gründen des Gemeinwohls die Überlassung von Wohnungen erbschaftsteuerlich privilegiert. Auch sei unerheblich, dass zu der Überlassung der Parkplätze weitere gewerbliche Leistungen (Ein- und Ausfahrtkontrolle, Entgeltzahlungsdienstleistung) hinzukommen. Darauf stelle das Erbschaftsteuergesetz nicht ab.
Auch eine historische, systematische oder teleologische Auslegung der Norm führe zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr orientiert sich der BFH in seiner Entscheidung explizit am Wortlaut der maßgeblichen Regelung.


C.
Kontext der Entscheidung
Die grundsätzliche Begünstigung von Betriebsvermögen nach den §§ 13a, 13b ErbStG findet auf sog. Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 ErbStG keine Anwendung. Grundstücke, die Dritten zur Nutzung überlassen wurde, gelten dabei regelmäßig als Verwaltungsvermögen, § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG. Dies gilt allerdings nicht, wenn diese Nutzungsüberlassung im Rahmen der Verpachtung eines ganzen Betriebes erfolgt, bei welcher der Verpächter Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und § 3 EStG erzielt und der fragliche Pächter durch letztwillige Verfügung als Erbe eingesetzt wird, § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG.
Diese Ausnahme von der Regel kommt jedoch dann nicht zur Anwendung (Rückausnahme), wenn der verpachtete Betrieb bereits vor Beginn der Verpachtung die Voraussetzungen für die Einstufung als begünstigtes Vermögen nicht erfüllt hat, § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 ErbStG.
Diese Norm wird durch die Finanzverwaltung in R E 13b.13 Satz 3 ErbStR für das Verwaltungshandeln dahin gehend ergänzt, dass die Überlassung der Grundstücksteile nicht zu Verwaltungsvermögen führt, wenn neben der Überlassung von Grundstücksteilen weitere gewerbliche Leistungen einheitlich angeboten und in Anspruch genommen werden und diese Tätigkeit nach ertragsteuerlichen Gesichtspunkten insgesamt als originär gewerbliche Tätigkeit einzustufen ist (z.B. bei Beherbergungsbetrieben wie Hotels, Pensionen oder Campingplätzen, vgl. R 15.7 (2) EStR, H 15.7 (2) EStH).
Dieser Ansatz der Finanzverwaltung, nach welchem die Frage der Gewerblichkeit für die Anwendung der Rückausnahme eine entscheidende Rolle spielt, wurde vom BFH unter Berufung auf den Wortlaut der Norm explizit nicht angewendet (vgl.a. Kugelmüller-Pugh, DStRE 2024, 1484, 1489).
Allerdings ist die Entscheidung des BFH unter mehreren Aspekten durchaus kritisch zu betrachten. Zum einen fällt auf, dass der BFH in den Urteilsgründen vom „an den Kläger als Erben verpachtete[n] Betrieb“ spricht (Rn. 33). Nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG können jedoch nur „Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten“ Verwaltungsvermögen darstellen, nicht jedoch ein „Betrieb“ (vgl.a. Korezkij, ZEV 2024, 485). Daraus folgend sind die Ausführungen zum Sachverhalt durch den BFH, basierend auf den Feststellungen der Vorinstanz (FG Köln, Urt. v. 10.06.2021 - 7 K 2718/20 - DStRE 2022, 107) zumindest angreifbar (vgl. die ausführliche Darstellung bei Korezkij, a.a.O.).
Des Weiteren verweigert sich der BFH gerade den vom Kläger aufgeworfenen Fragen zur Auslegung der maßgeblichen Norm. Dieser hatte unter Bezugnahme auf die Verwaltungsmeinung (R E 13b.13 Satz 3 ErbStR), welche nachträglich auf reine Beherbergungsbetriebe eingeschränkt worden war ([LfSt Bayern 02.03.2020 - S 3812b.1.1 - 31/4 St 34), auf eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung der Norm abgestellt. Der BFH sah jedoch kein Erfordernis zu einer über den Wortlaut der Norm hinausgehenden Auslegung (Rn. 35 ff.).
Auch eine Vorlage zum BVerfG im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG sah der BFH im Hinblick auf den „weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers“ (Rn. 43 ff.) als nicht erforderlich an. Die in praxi bestehenden Widersprüchlichkeiten bleiben damit ungelöst (vgl.a. Korezkij, ZEV 2024, 485, 486).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Da im Ergebnis R E 13b.13 Satz 3 ErbStR, nach welchem die Finanzverwaltung für die Anwendung der Rückausnahme des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 ErbStG auf die Gewerblichkeit der fraglichen Immobiliennutzung abstellt, seitens des BFH unter Berufung auf den Wortlaut der Norm faktisch ignoriert wurde (vgl.a. Kugelmüller-Pugh, DStRE 2024, 1484, 1489), stellt sich insbesondere die Frage, ob zukünftig auch Hotelbetriebe als nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen für Zwecke der Erbschaftsteuer gelten werden. Eine gesamtwirtschaftlich durchaus maßgebliche Frage. Wie seitens des Klägers in vorliegendem Verfahren angeführt, stellen sich grundsätzlich auch verfassungsrechtliche Fragen zur Ungleichbehandlung im Verhältnis der vorliegenden Konstellation zu anderen Grundstücksüberlassung (Art. 3 Abs. 1 GG). Da der BFH von einer Vorlage zum BVerfG absah, wird insofern keine abschließende Klärung erfolgen.
Allerdings ist aktuell noch die grundsätzliche Entscheidung des BVerfG zur unterschiedlichen erbschaftsteuerlichen Begünstigung von Privat- und Betriebsvermögen anhängig (Az. 1 BvR 804/22). Das BVerfG hat für 2024 die Urteilsverkündung angekündigt. Es bleibt zu hoffen, dass in dieser Entscheidung das BVerfG über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus grundsätzliche Aussagen zu den Verschonungsregelungen machen wird, die zur Klärung der aktuell bestehenden Fragen beitragen können.



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