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Anmerkung zu:BGH 2. Zivilsenat, Beschluss vom 24.09.2024 - II ZB 15/23
Autor:Dr. Richard Backhaus, LL.M. (Edinburgh), RA und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
Erscheinungsdatum:17.12.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 67 GmbHG, § 66 GmbHG, § 8 GmbHG, § 11 EGGmbHG, § 6 GmbHG, § 184 GVG, § 15 HGB
Fundstelle:jurisPR-HaGesR 12/2024 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Jörn-Christian Schulze, RA und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zitiervorschlag:Backhaus, jurisPR-HaGesR 12/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Anforderungen an den Inhalt der vom Liquidator abzugebenden Versicherung



Leitsatz

Die vom Liquidator einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach § 67 Abs. 3 Satz 1, § 66 Abs. 4, § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Satz 3, § 8 Abs. 3 Satz 1 GmbHG abzugebende Versicherung muss enthalten, dass er auch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum keinem Berufs- oder Gewebeverbot unterliegt, das dem in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GmbHG genannten Verbot vergleichbar ist.



Orientierungssatz zur Anmerkung

Die §§ 67 Abs. 3, 66 Abs. 4, 6 Abs. 2, 8 Abs. 3 GmbHG verlangen eine Tatsachenversicherung.



A.
Problemstellung
Die zu besprechende Entscheidung des BGH klärt den Streit, ob für die Erklärung nach den §§ 67 Abs. 3, 66 Abs. 4, 6 Abs. 2, 8 Abs. 3 GmbHG eine Normwortlautwiedergabe ausreicht. Der Senat verneint dies und verlangt eine ausdrückliche Versicherung zu den zugrunde liegenden Tatsachen. Die Entscheidung klärt diese Frage auch für die durch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG, BGBl I Nr. 42 v. 13.08.2021) am 01.08.2022 in Kraft getretene Versicherung zum Fehlen von relevanten Berufs- und Gewerbeverboten im EU- und EWR-Ausland (§§ 6 Abs. 2 Satz 3, 8 Abs. 3 GmbHG).


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Gesellschafter einer GmbH hatten am 11.09.2023 die Liquidation beschlossen und die bisherigen Geschäftsführer als Liquidatoren bestellt. Die Liquidatoren versicherten bei der Anmeldung u.a. jeweils einzeln, dass „keine Umstände vorliegen, aufgrund deren er nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 und 4 GmbHG vom Amt des Liquidators ausgeschlossen wäre“. Eine ausdrückliche Versicherung bezüglich eines Berufsverbotes innerhalb der EU oder des EWR fehlte. Das Registergericht bemängelte dies und erließ eine entsprechende Zwischenverfügung. Die dagegen gerichteten Beschwerden der GmbH einschließlich der Rechtsbeschwerde vor dem BGH hatten keinen Erfolg.
Der BGH wies die Rechtsbeschwerde als unbegründet ab, da die vorliegende Erklärung den gesetzlichen Anforderungen des GmbHG nicht entsprach. Die Wortlautwiedergabe des § 67 Abs. 3 Satz 1 GmbHG mit der Formulierung, dass „keine Umstände vorliegen, die einer Bestellung entgegenstehen“, erlaube keine hinreichende Kontrolle durch das Registergericht und sei daher nicht ausreichend.
Der Senat nimmt zwar zur Kenntnis, dass dieses z.T. für ausreichend erachtet wird (OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.10.2012 - 8 W 241/11 - ZIP 2013, 671, 672 m. zust. Anm. Kunkel, jurisPR-HaGesR 3/2013 Anm. 1; Herrler in: MünchKomm GmbHG, 4. Aufl. 2022, § 8 Rn. 76), folgt aber der deutlich überwiegend vertretenen Gegenauffassung (u.a. OLG Schleswig, Beschl. v. 03.06.2014 - 2 W 36/14 - NZG 2015, 232, 233; OLG Frankfurt, Beschl. v. 09.04.2015 - 20 W 215/14 - ZIP 2015, 2076, 2077; OLG Celle, Beschl. v. 20.03.2023 - 9 W 24/23 - ZIP 2023, 1076 m. Anm. Hippeli, jurisPR-HaGesR 7/2023 Anm. 5.; Servatius in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 8 Rn. 16a; Wöstmann in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, § 8 Rn. 30; Wicke, GmbHG, 5. Aufl. 2024, § 8 Rn. 15).
Die Versicherung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 GmbHG müsse nachvollziehbare und objektive Angaben enthalten, die es dem Registergericht selbst ermöglichen, unabhängig zu prüfen, ob Ausschlussgründe auch im EU- und EWR-Ausland vorliegen. Eine bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts sei unzureichend, da das Registergericht die relevanten Informationen für seine eigenständige Prüfung benötige. Die Wortlautwiedergabe beinhalte vielmehr nur die eigene Bewertung des Erklärenden. Sie lasse nämlich auch die Deutung zu, dass der Erklärende keinem Berufs- bzw. Gewerbeverbot unterliege, welches sich mit dem Unternehmensgegenstand der Gesellschaft überschneide. Da die Wortlautwiedergabe schon für inländische Berufs- und Gewerbeverbote nicht genüge, enthalte sie auch keine ausreichende Versicherung für das relevante Ausland.
Der BGH grenzt das gefundene Ergebnis anschließend von seiner früheren Rechtsprechung zur Versicherung über das Nichtvorliegen von Straftaten (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG) ab, die es ausreichen ließ, dass der Erklärende versicherte, „noch nie, weder im Inland noch im Ausland, wegen einer Straftat verurteilt worden zu sein“ (BGH, Beschl. v. 17.05.2010 - II ZB 5/10 - ZIP 2010, 1337 m. Anm. Wachter). Eine solche Versicherung stehe hier aber nicht in Rede.
Der BGH hob hervor, dass Berufs- oder Gewerbeverbote auch aus anderen EU- und EWR-Staaten ausdrücklich in der Versicherung benannt werden müssen. Nur dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers, dass die Prüfung bei Zweifeln dem Registergericht überlassen sein solle (BT-Drs. 19/28177, S. 160 f.).


C.
Kontext der Entscheidung
Roma locuta causa finita! Mit seinem Beschluss setzt der BGH einen Schlussstrich unter den dargestellten Meinungsstreit, ob eine Wortlautwiedergabe für die Versicherung gemäß den §§ 67 Abs. 3, 66 Abs. 4, 6 Abs. 2, 8 Abs. 3 GmbHG ausreicht. Das OLG Hamm hatte die Frage zuletzt offengelassen (OLG Hamm, Beschl. v. 19.05.2021 - 27 W 31/21 - ZIP 2022, 268 m. Anm. Staake, jurisPR-HaGesR 8/2021 Anm. 4). Nach der Entscheidung ist nunmehr klar, es ist eine Tatsachenversicherung erforderlich, eine Wortlautwiedergabe genügt hingegen nicht. Die Entscheidung folgt der ganz überwiegenden Auffassung (OLG Schleswig, Beschl. v. 03.06.2014 - 2 W 36/14 - NZG 2015, 232, 233; OLG Frankfurt, Beschl. v. 09.04.2015 - 20 W 215/14 - ZIP 2015, 2076, 2077; OLG Celle, Beschl. v. 20.03.2023 - 9 W 24/23 - ZIP 2023, 1076 m. Anm. Hippeli, jurisPR-HaGesR 7/2023 Anm. 5; Servatius in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 8 Rn. 16a; Wöstmann in: Rowedder/Pentz, GmbHG, § 8 Rn. 30; Wicke, GmbHG, § 8 Rn. 15) und kann daher nicht überraschen.
Nichtsdestoweniger ist die Entscheidung streng, weil auch eine Bewertung mit einer zumindest impliziten Tatsachenerklärung verbunden ist (Staake, jurisPR-HaGesR 8/2021 Anm. 4, unter C), zumal die Erklärung hier auf „Umstände“ rekurrierte. Die Begründung des Senats nimmt deutlich über den zu entscheidenden Sachverhalt hinausgehende Sachverhalte in den Blick.
Kernargument des BGH ist, dass die Bewertung eines Berufs- und Gewerbeverbots – unabhängig davon, ob im In- oder Ausland – Sache des Registergerichts sein soll. Daher verlangt der BGH substanziierte Angaben, damit das Registergericht die Übereinstimmung mit dem Unternehmensgegenstand der Gesellschaft (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GmbHG) und die Vergleichbarkeit des Verbots (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG) prüfen kann. Hier liegt die Vermutung nahe, dass die Erklärenden im zu entscheidenden Sachverhalt eine allgemeine Negativerklärung abgeben wollten. Die Erklärung hätte vor Inkrafttreten der aktuellen Fassung des § 6 Abs. 2 GmbHG, also bis zum 31.07.2022, auch genügt, weil für Straftaten eine allgemeine Negativerklärung erfolgte. Eine Negativerklärung für Gewerbe- und Berufsverbote im relevanten Ausland wäre ferner, was sich aus der Natur der Negativerklärung ergibt, lediglich aufgegliederter und keinesfalls substanziierter gewesen. Insofern haben die Ausführungen des BGH vor allem Bedeutung für den Fall, dass ein Berufs- oder Gewerbeverbot vorliegt. Hier muss dann eine Substanziierung erfolgen, die dem Registergericht die Prüfung ermöglicht, insbesondere, ob die Unternehmensgegenstände übereinstimmen (vgl. nur Müther in: BeckOGK, Stand: 15.04.2024, § 8 GmbHG Rn. 66). Darauf ist sogleich unter D. zurückzukommen. Tatsächlich hätte hier, in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 17.05.2010 - II ZB 5/10 - ZIP 2010, 1337 m. Anm. Wachter), eine allgemeine Negativerklärung genügt, die sich konkret auf Berufs- und Gewerbeverbote bezogen hätten. Diese ist jedenfalls auch nicht nachgeholt worden – ob dieses nicht möglich war und gerade eine Substanziierung eines Berufs- oder Gewerbeverbotes nicht gewünscht war, ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen, die Vermutung liegt aber nicht fern.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung klärt den Streitstand zur Versicherung von Geschäftsführern und Liquidatoren dahin gehend, dass eine Tatsachenversicherung erforderlich ist. Eine reine Wortlauterklärung genügt nicht.
Wie ist also praktisch zu verfahren?
Zunächst ist zu beachten, dass seit dem 01.08.2023 sowohl für Nr. 2 als auch Nr. 3 vergleichbare Auslandssachverhalte relevant sind (vgl. zum zeitlichen Anwendungsbereich § 11 Abs. 1 EGGmbHG). Daher genügen Muster aus den einschlägigen Formularbüchern zur alten Rechtslage nicht mehr. Insofern muss die Versicherung jeweils EU- und EWR-Auslandssachverhalte mitumfassen.
Kann eine Negativerklärung abgegeben werden, ist es für § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 GmbHG ausreichend, zu versichern, dass ihr oder ihm nicht aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde untersagt wurde, einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig auszuüben und es somit auch keine solche Untersagung gibt, bei der der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt.
Komplexer wird es, wenn eine Negativerklärung nicht abgegeben werden kann. Das ist im Einzelnen bislang erstaunlich wenig betrachtet worden. Erforderlich ist für eine Prüfung durch das Registergericht dann:
1. die Angabe des verhängten Berufs- oder Gewerbeverbots.
2. die genauen rechtlichen Grundlagen sowie die Beschreibung des Inhalts und Umfangs des Verbotes; sowie
3. die Beifügung der entsprechenden Entscheidung mit Gründen, bei solchen aus dem Ausland in beglaubigter Übersetzung (vgl. § 184 GVG), damit das Gericht die Vergleichbarkeit und die (teilweise) Übereinstimmung des Unternehmensgegenstandes mit dem Gegenstand des Verbotes prüfen kann.
Das ist aufwendig und führt zur Offenlegung und damit sicher dazu, dass die Bestellung einer mit einem Berufs- oder Gewerbeverbot belegten Person als Geschäftsführer kritisch hinterfragt werden wird, zumal die Prüfung durch das Registergericht Zeit in Anspruch nehmen wird. In Zweifelsfällen kann es sich anbieten durch einen zusätzlichen „unbelasteten“ Geschäftsführer die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherzustellen und so ihr Handelsregister schon während des Prüfungszeitraums des Registergerichtes zu bereinigen (vgl. § 15 HGB).



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