Mindestanforderungen an ein vorprozessuales (Typ-)Gutachten gemäß § 558a Abs. 2 BGBOrientierungssatz zur Anmerkung Der Sachverständige muss nicht zwingend mitteilen, auf welchem Weg er die tatsächlichen Grundlagen für die Angaben im Gutachten gewonnen hat. Er muss aber seine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete ausgehend vom richtigen Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete treffen und die Einordnung der zu beurteilenden Wohnung in das örtliche Preisgefüge darauf basierend vornehmen. Zentraler Maßstab bleibt die Nachprüfbarkeit der Angaben des Sachverständigen. - A.
Problemstellung Das Mieterhöhungsverfahren im preisfreien Wohnungsbau ist bekanntlich zweistufig ausgestaltet. Zunächst muss der Vermieter seinen Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung vorprozessual gegenüber dem Mieter in einem formalisierten Verfahren geltend machen. Dazu gehört eine Begründung des Verlangens. Eines der exemplarisch aufgezählten Begründungsmittel ist das Sachverständigengutachten. Dies darf nicht mit dem prozessualen Sachverständigengutachten nach den §§ 402 ff. ZPO verwechselt werden. Die Anforderungen sind sehr viel geringer. Es handelt sich um ein Parteigutachten. Welche Mindestanforderungen an ein solches Gutachten zu stellen sind, musste das LG Lüneburg in einem Verfahren eines Großvermieters entscheiden, in dem dieser ein solches Gutachten als Typgutachten beigefügt hatte.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Mit Schreiben vom 15.12.2023 verlangte die Klägerin von den Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete von 576,24 Euro um 31,36 Euro auf 607,60 Euro monatlich ab 01.03.2024. Zur Begründung ihres Erhöhungsverlangens und zum Nachweis, dass die geforderte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigt, nahm die Klägerin auf ein Gutachten eines ortsfremden Sachverständigen Bezug. Nachdem die Beklagten keine Zustimmung erteilt hatten, wies das Amtsgericht die Zustimmungsklage als unzulässig ab, weil das Sachverständigengutachten die Mindestanforderungen an ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen i.S.d. § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht erfülle. Die Berufung hatte vor dem LG Lüneburg keinen Erfolg. Auch nach Ansicht des Landgerichts fehlt es an einem ordnungsgemäß begründeten Mieterhöhungsverlangen. 1. Sinn und Zweck der Begründung Begründung bedeutet dabei sowohl vom Wortlaut wie auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift, dass der Sachverständige in zumindest für den Mieter nachvollziehbarer Weise mitteilen muss, wie er zu seiner Wertfeststellung gelangt ist. Nachvollziehbar ist das Gutachten für den Mieter dann, wenn ihm durch die Ausführungen des Sachverständigen der Eindruck vermittelt wird, die Schlussfolgerungen des Gutachters auf das vergleichbare Mietgefüge seien verständlich und naheliegend. Die Rechtsprechung lässt hierzu auch sog. Typengutachten zu, bei denen der Sachverständige nicht für eine konkrete Einzelwohnung die ortsübliche Vergleichsmiete darlegt, sondern für zahlreiche gleichartige Wohnungen, also Wohnungen des gleichen Typs. Für beide Arten von Gutachten, also Einzelgutachten oder auch Typgutachten, ist der Begründungspflicht dabei grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird, und der Mieter in die Lage versetzt wird, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und dieses zumindest ansatzweise selbst zu überprüfen. Der Sachverständige muss hierzu eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen. Eine Besichtigung der Wohnung ist nicht erforderlich. Ebenso wenig muss der Sachverständige mitteilen, auf welchem Weg er die tatsächlichen Grundlagen für die Angaben im Gutachten gewonnen hat. Er muss aber seine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete ausgehend vom richtigen Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete treffen und die Einordnung der zu beurteilenden Wohnung in das örtliche Preisgefüge darauf basierend vornehmen. Zentraler Maßstab bleibt die Nachprüfbarkeit der Angaben des Sachverständigen. 2. Mindestanforderungen an das Gutachten Diesen Mindestanforderungen genügt das Gutachten nicht. Die Beklagten werden durch das Gutachten nicht in die Lage versetzt, die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens ansatzweise zu prüfen. Der Sachverständige hat keine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete getroffen, die es ermöglicht, die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einzuordnen. a) Darstellung der Tatsachenermittlung Der Sachverständige hat in zumindest für den Mieter nicht nachvollziehbarer Weise dargelegt, wie er zu seiner Wertfeststellung gelangt ist. Aus dem Gutachten lässt sich schon nicht erkennen, wie die im Gutachten ausgewiesenen Mietspannen ermittelt wurden. Es fehlen jegliche Angaben dazu, wie viele Datensätze er seinem Gutachten zugrunde gelegt hat. Allein die Angabe, dass sich aufgrund seiner Recherche von Neu- und Bestandsmieten der letzten sechs Jahre eine Spanne von 6,80 bis 11,00 Euro/m²/mtl. ergibt, reicht auf keinen Fall. Er fehlen Angaben dazu, wie viele Mietverträge er aus welcher Kategorie, Neu- oder Bestandsmieten, zugrunde gelegt hat. Eine konkrete Gewichtung zwischen Neu- und Altvermietung ist schlicht nicht zu erkennen, was vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige ein angemessenes Verhältnis von veränderten Bestandsmieten und Neuvertragsmieten aus dem maßgeblichen Betrachtungszeitraum berücksichtigen muss, problematisch ist. b) Spannenermittlung Es fehlen Angaben dazu, wie viele Datensätze der jeweiligen Wohnungskategorie zugrunde gelegt wurden und welche Spanne für die jeweilige Kategorie ermittelt wurde und wie der Sachverständige zu der angegebenen durchschnittlichen Miete gelangt ist. Das Gutachten schweigt zu der Frage, welches der einschlägigen Internetportale bemüht wurde. Es ist nicht dargelegt, wie die sich aus Neu- und Bestandsmieten der letzten sechs Jahre ergebene Spanne von 6,80 bis 11,00 Euro/m²/mtl. durch Mietpreisdaten aus der Mietpreisveröffentlichung eines Verbandes, den Mietpreisveröffentlichungen eines Datenportals und den Mietpreisveröffentlichungen im Internet beeinflusst wurde. c) Angaben zum verwendeten Mittelwert Es ist auch nicht angegeben, ob es sich bei der durchschnittlichen Nettomiete für die jeweilige Wohnungskategorie um das arithmetische Mittel an sich oder um ein solches bereinigt um Ausreißer oder unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus den Mietpreisveröffentlichungen des Verbandes, des Datenportals oder des Internets handelt. Der Sachverständige hat auch nicht im Einzelnen aufgeführt, welche durchschnittlichen Mieten sich aus anderen Erkenntnisquellen als den Mietverträgen ergeben. Für einen Mieter ist es schlicht nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Datengrundlage sich die durchschnittliche Nettomiete ergibt. Für den Mieter bleibt insbesondere offen, ob sich die angegebene durchschnittliche Miete für die jeweilige Wohnungskategorie allein aus den zugrunde gelegten Mietverträgen ergibt oder aus den anvisierten Miethöhen eines Internetportals. d) Folgen der DSGVO Das ist alles auch deshalb problematisch, weil der LG-Kammer als „Mietekammer“ für den maßgeblichen Bezirk aus mehreren Verfahren zwischenzeitlich durch örtlich tätige Sachverständige bekannt geworden ist, dass sich wegen der Vorgaben der DSGVO für Sachverständige gerade keine zureichende Datenmenge für die Feststellung der Ortsüblichkeit mehr ermitteln lässt. Weshalb das für einen ortsfremden Sachverständigen anders sein soll, ergibt sich aus dem Gutachten nicht. Wahrscheinlich deshalb erschließt sich die Lageeinordnung auch nicht. Die Gemeinde, in der die Wohnung liegt, ist eine flächenmäßig sehr ausgedehnte Örtlichkeit mit (auch sozial) sehr inhomogenen Wohnlagen. 3. Gutachten versus „Glaskugel“ Die Kammer wird dann deutlich, indem sie feststellt, dass das Ergebnis des Gutachtens den Eindruck von „Kaffeesatzlesen“ macht. Insofern ähnelt die Diktion der des LG Itzehoe, das zum Ergebnis eines vergleichbaren Gutachtenergebnis meinte „wie von Zauberhand“ (LG Itzehoe, Urt. v. 01.06.2022 - 9 S 57/21 - WuM 2022, 425).
- C.
Kontext der Entscheidung Die Entscheidung betrifft ein Typgutachten. Ein solches Gutachten muss grundsätzlich die Ansprüche, die an ein Einzelgutachten gestellt werden, erfüllen. Jedoch genügt es bei einem Typgutachten, wenn der Sachverständige in seinem Gutachten angibt, welche Wohnung er besichtigt hat und er dann die konkret besichtigte Wohnung so genau beschreibt, dass der Mieter der Wohnung, deren Miete erhöht werden soll und die der Sachverständige nicht besichtigt hat, ohne Schwierigkeiten erkennen kann, ob die besichtigte Wohnung seiner Wohnung wirklich entspricht. Fehlen aber solche Angaben, kann ein solches Gutachten nicht als Begründungsmittel verwendet werden. Vorliegend erfüllte das Gutachten schon die allgemeinen Voraussetzungen für ein vorprozessuales Gutachten nicht. Auch wenn die Anforderungen an ein solches (Partei-)Gutachten längst nicht so streng sind, wie an ein Gutachten im gerichtlichen Verfahren, muss es bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Im Falle der Beifügung eines Sachverständigengutachtens ist der Pflicht des Vermieters zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird, und zwar in einem Umfang, der es dem Mieter gestattet, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können. Der Sachverständige muss somit eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen (BGH, Urt. v. 03.02.2016 - VIII ZR 69/15 - NZM 2016, 355; BGH, Urt. v. 12.12.2007 - VIII ZR 11/07 Rn. 12 - NJW 2008, 573; BGH, Urt. v. 19.05.2010 - VIII ZR 122/09 Rn. 10 - NZM 2010, 576). Allenfalls kleinere Mängel des Gutachtens führen nicht zur Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens aus formellen Gründen. Begründung bedeutet sowohl vom Wortlaut wie auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift, dass der Sachverständige in zumindest für den Mieter nachvollziehbarer Weise mitteilen muss, wie er zu seiner Wertfeststellung gelangt ist (BVerfG, Beschl. v. 05.05.1986 - 1 BvR 12/85, 1 BvR 554/84 - WuM 1986, 239). Das heißt nicht, dass er sämtliche Einzelfeststellungen aufführen muss. Nachvollziehbar ist das Gutachten für den Mieter dann, wenn ihm durch die Ausführungen des Sachverständigen der Eindruck vermittelt wird, die Schlussfolgerungen des Gutachters auf das vergleichbare Mietgefüge seien verständlich und naheliegend. Es muss aber den Mindestanforderungen der Empirie genügen und darf sich nicht in allgemeinen Ausführungen erschöpfen. Das Gutachten hat den Zweck, dem Vermieter zu helfen, seine Begründungspflicht nach § 558a Abs. 1 BGB zu erfüllen. Dazu muss der Vermieter dem Mieter die Tatsachen liefern, die er benötigt, um festzustellen, ob eine Zustimmungspflicht in Betracht kommt oder nicht. Dieser Verpflichtung ist der Vermieter nachgekommen, wenn er in verständlicher Weise dargelegt hat, warum die nunmehr begehrte Miete seiner Auffassung nach die ortsübliche Miete nicht übersteigt. Darauf, ob die Begründung in der Sache haltbar ist, kommt es nicht an. Das bedeutet, dass es erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn der Vermieter sich auf ein Gutachten bezieht, in dem der Sachverständige darlegt, dass er in dem maßgeblichen örtlichen Bereich die Mieten vergleichbarer Wohnungen erforscht hat oder aufgrund seiner sachverständigen Tätigkeit bereits kannte, sich zu der diese Wohnungen betreffenden Preisspanne äußert und klarstellt, dass er nur vergleichbare Wohnungen zur Bewertung herangezogen hat. Der Sachverständige muss also eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen. Wenn, wie hier, ein ortsfremder Sachverständiger tätig wird, dann ändert das an den Anforderungen insbesondere des örtlichen Wohnungsmarktes nichts. Das gilt ebenso für die Datenbeschaffung. Die Auswertung von Vermietungsportalen ist nicht ausreichend, da daraus allenfalls Angebotsmieten ermittelt werden können. Ob die Wohnungen tatsächlich zu den Werten vermietet werden konnten, ist ebenso fraglich, wie die Feststellung einer tatsächlichen Vergleichbarkeit. Bestandsmietenerhöhungen können auf diese Weise gar nicht ermittelt werden.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Auch wenn der VIII. Senat was die Einhaltung von Formalien betrifft eher großzügig ist, dürfen Sinn und Zweck der Regelungen nicht aus den Augen verloren werden. Deshalb müssen die Begründungsmittel Tatsachen enthalten, die dem Mieter die Überprüfung ermöglichen. Welche Tatsachen das sind, ergibt sich aus § 558 Abs. 2 BGB, nämlich der Definition des Begriffs der ortsüblichen Vergleichsmiete. Es dürfen also nur Mieten, die in den letzten sechs Jahren neu vereinbart oder erhöht wurden, herangezogen werden. Das heißt, es muss angegeben werden, welche konkreten Mieten für welche Wohnungen aufgrund welcher Vereinbarung oder Erhöhung berücksichtigt wurden und dass die maßgeblichen Wohnungen zumindest vergleichbar sind. Es muss dann, ggf. nach Eliminierung von Ausreißern, eine Bandbreite gebildet werden. Die Einzelvergleichsmiete ist dann innerhalb dieser Bandbreite festzulegen, wobei sich die Ermittlung danach richtet, ob es eine große oder kleine Bandbreite ist. Einmal darf der obere Rand der Bandbreite verwendet werden und im anderen Fall ist grundsätzlich das arithmetische Mittel maßgeblich. Die Beschaffung der maßgeblichen Daten war immer schon schwierig. Örtlichen Sachverständigen sind solche Daten ggf. aus anderen Gutachteraufträgen bekannt. Sie dürften DGSVO-konform wohl nicht identifizierbar gespeichert werden können. Ortsfremde Sachverständige tun sich da erheblich schwerer und müssten wohl Daten erheben, was das Gutachten wahrscheinlich unrentabel machen würde.
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