juris PraxisReporte

Anmerkung zu:AG Berlin-Kreuzberg, Urteil vom 31.07.2023 - 3 C 349/22
Autor:Claudia Mummenhoff, RA'in und FA'in für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Erscheinungsdatum:04.07.2024
Quelle:juris Logo
Fundstelle:jurisPR-MietR 13/2024 Anm. 1
Herausgeber:Norbert Eisenschmid, RA
Zitiervorschlag:Mummenhoff, jurisPR-MietR 13/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Erneutes Mieterhöhungsverlangen nach vorheriger Klageabweisung und Zugang bei Einwurf in den Hausbriefkasten bis 18 Uhr



Orientierungssätze

1. Nach rechtskräftiger Abweisung einer Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung steht nach einem wiederholten Mieterhöhungsverlangen einer erneuten Klage auf Zustimmung nicht der Einwand der Rechtskraft entgegen. Es handelt sich nämlich um einen anderen Streitgegenstand.
2. Der Zugang eines Mieterhöhungsverlangens setzt voraus, dass die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat und diese nach der Verkehrsanschauung zu erwarten ist. Bis 18.00 Uhr eingeworfene Briefe gelten als noch am selben Tag zugegangen.



A.
Problemstellung
Einerseits geht es um die Frage, ob einer Mieterhöhung ein Rechtskrafteinwand entgegengehalten werden kann, wenn zunächst eine Mieterhöhung rechtskräftig abgewiesen wurde. Anderseits geht es um den Zeitpunkt des Zugangs der Mieterhöhung, wenn die Mieterhöhung am letzten Tag des Monats vor 18.00 Uhr dem Mieter in den Briefkasten gesteckt wird.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das Amtsgericht hatte über eine Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung zu entscheiden. Der beklagte Mieter erhob den Einwand der Rechtskraft, da die zuvor ausgesprochene Mieterhöhung mit Urteil des AG Kreuzberg vom 01.07.2022 (14 C 300/21) rechtskräftig abgewiesen worden war. Auch erklärte der Beklagte, er habe die Mieterhöhung erst am 1. des Monats zur Kenntnis genommen, so dass diese erst im Folgemonat zugegangen sei.
Das AG Berlin-Kreuzberg folgte dem nicht.
Da eine neue Mieterhöhung ausgesprochen worden sei, deren Zustimmung nun geltend gemacht werde, sei es ein anderer Streitgegenstand, so dass die vorherige Klageabweisung keine Rechtskraftwirkung auf den aktuellen Rechtsstreit entfalten könne. Unstreitig sei die Mieterhöhung am letzten Tag des Monats durch Boten in den Briefkasten des Beklagten eingeworfen worden. Der Zustellnachweis des Boten habe als Uhrzeit 17.55 Uhr ausgewiesen.
Damit ist nach Auffassung des Amtsgerichts der Zugang noch am gleichen Tag erfolgt.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden. Es ist eine neue Mieterhöhung ausgesprochen worden, die nun vom Amtsgericht zu prüfen war. Das Amtsgericht hat darauf abgestellt, ob der Streitgegenstand des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses identisch mit dem Streitgegenstand des nachfolgenden Prozesses ist, so dass die materielle Rechtskraft zu einer Unzulässigkeit des nachfolgenden Verfahrens führt (BGH, Urt. v. 19.11.2003 - VIII ZR 60/03 - NJW 2004, 1252, 1253; Gruber in: BeckOK ZPO, 48. Ed. 01.03.2023, § 322 Rn. 12). Eine neue Miterhöhung setzt einen neuen Anspruch auf Zustimmung in Kraft. Es wird also nicht die Zustimmung der ersten Mieterhöhung eingeklagt, sondern die einer neuen, was ein anderer Streitgegenstand ist, auch wenn die Begründung in beiden Fällen der Mieterhöhungen gleich ist.
Das vorherige Urteil entfaltet seine Rechtskraft zudem nur hinsichtlich des Tenors (Klageabweisung), nicht aber auf die Gründe, die zur Klageabweisung geführt haben. Der Vermieter war daher nicht gehindert, eine neue Mieterhöhung zu erklären, auch wenn die Begründung (auch wieder Mietspiegel 2021) gleich geblieben ist.
Auch die Frage, ob die Mieterhöhung noch im gleichen Monat zugegangen ist, wenn am letzten Tag des Monats der Bote vor 18.00 Uhr die Mieterhöhung in den Briefkasten des Mieters eingeworfen hat, wurde vom Amtsgericht zutreffend beantwortet. Das Amtsgericht hat den Zugang nachvollziehbar begründet. Der Begriff des Zugangs setze voraus, dass die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelange, dass dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme habe und diese nach der Verkehrsanschauung zu erwarten sei. Bis 18:00 Uhr eingeworfene Briefe gelten als noch am selben Tag zugegangen (Ellenberger in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2023, § 130 Rn. 6; Wendtland in: BeckOK BGB, 66. Ed. 01.05.2023, § 130 Rn. 13). Da der Einwurfsvermerk unstreitig die Uhrzeit 17:55 Uhr trage, welchem die Beklagte in tatsächlicher Hinsicht auch nicht entgegengetreten ist, erfolgte der Zugang rechtzeitig.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Insbesondere der Nachweis des rechtzeitigen Zugangs von Erklärungen und Gestaltungsrechten stellen immer wieder Risiken dar. Diese Entscheidung zeigt wieder mal, dass fünf Minuten früher oder später durchaus rechtliche Auswirkungen haben können, so dass hier immer besondere Sorgfalt an den Tag gelegt werden sollte.



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