I. Einleitung
Mit dem vierten Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Viertes Bürokratieentlastungsgesetz) vom 23.10.2024 sind auch für das Mietrecht einige Änderungen verbunden, die zumindest das „mietrechtliche Leben“ vereinfachen sollen. Zum 01.01.2025 treten – allein bezogen auf das Mietrecht – nachfolgende Regelungen in Kraft1:
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elektronische Belegeinsicht bei BK-Abrechnungen, § 556 Abs. 4 BGB
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Verzicht auf die Schriftform im Gewerberaummietrecht, § 578 Abs. 1 BGB i.V.m. § 550 BGB
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Widerspruch gegen die Kündigung in Textform, § 574b BGB
Auf der Herbstveranstaltung des Deutschen Mietgerichtstages hatte Prof. Arnold zum Verzicht auf die Schriftform im Gewerberaummietrecht vorgetragen.2 Demnach sind Zweifel angebracht, ob der Verzicht der Schriftform im Gewerberaummietrecht tatsächlich zu einer Vereinfachung des „mietrechtlichen Lebens“ führt. Seine dogmatische Bewertung lässt eher das Gegenteil annehmen und führt zum Rat, auch im Gewerberaummietrecht bei Anwendung der entsprechenden Verweisungsnorm auf § 550 BGB die Schriftform zu verwenden.
Nachfolgend soll untersucht werden, ob – und vielleicht anderes als beim Verzicht auf die Schriftform im Gewerberaummietrecht – die Belegeinsicht in elektronischer Form im Rahmen des Betriebskostenabrechnung eine Vereinfachung darstellt oder ob man besser „die Finger davon lassen sollte“.
II. Inhalt und Anwendbarkeit der Vorschrift
Zum 01.01.2025 gilt:
§ 556 BGB erhält einen neuen Abs. 4:
„Der Vermieter hat dem Mieter auf Verlangen Einsicht in die der Abrechnung zugrundeliegenden Belege zu gewähren. Der Vermieter ist berechtigt, die Belege elektronisch bereitzustellen.“
Für Gewerbe- und Landpachtverträgen nach § 578 BGB bestimmt Art. 229 EGBGB als Übergangsvorschrift, dass für bestehende Mietverhältnisse die „alten“ Regelungen weiterhin anwendbar bis zum Tag des zwölften auf den Monat des Inkrafttretens folgenden Kalendermonats sind. Soweit Änderungen in diesen Mietverhältnissen nach Inkrafttreten der Neuregelung erfolgen, gilt ab diesem Zeitpunkt bereits die Neuregelung.
Auch wenn § 556 Abs. 4 BGB erst zum 01.01.2025 anwendbar ist, so greift die Regelung auf noch nicht abgeschlossene Abrechnungsperioden. Dieses Ergebnis ist aufgrund folgender Überlegung naheliegend:
Die Abrechnung für das Jahr 2024 endet zum 31.12.2024. Gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB ist dem Mieter die Abrechnung spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Für Abrechnungsperioden aus dem Jahr 2024 (01.01.2024 bis 31.12.2024) wäre die Vorschrift also erst zum 01.01.2026 endgültig anwendbar. Schließlich mangelt es an einer diesbezüglichen Übergangsvorschrift. Auch dies unterstreicht die hier vertretene Ansicht.
III. Kodifizierung des Rechts auf Belegeinsicht
In § 556 Abs. 4 Satz 1 BGB wird das Recht des Mieters auf Einsicht in die der Abrechnung zugrunde liegenden Belege kodifiziert. Dieses Recht umfasst auch die Einsicht in etwaige Eigenbelege des Vermieters.
Das Belegeinsichtsrecht des Mieters war lediglich in § 29 Abs. 1 NMV 1970 für preisgebundenen Wohnraum normiert. Im freifinanzierten Wohnraummietrecht wurde der Anspruch aus § 259 Abs. 1 BGB abgeleitet. Teilweise auch aus Art. 15 DSGVO. Tatsächlich basiert er ebenso wie die Rechenschaftspflicht selbst auf § 242 BGB und wird durch § 259 BGB vorausgesetzt bzw. ausgestaltet.3
Das Einsichtsrecht entsteht erst mit Zugang der entsprechenden Betriebskostenabrechnung. Anders ergibt das Einsichtsrecht wenig Sinn, schließlich dient es der inhaltlichen Kontrolle der erteilten Abrechnung.4
IV. Vom analogen ins digitale
Der Gesetzesentwurf zu § 556 Abs. 4 BGB führt aus:
„Der Vermieter [hat laut BGH5] dem Mieter genau die Belege vorzulegen, die ihm auch selbst erteilt worden sind, das heißt die Originale, die (noch) regelmäßig in Papierform erstellt werden. Nur wenn der Vermieter von seinen Vertragspartnern selbst ausschließlich digitale Belege erhält, sind diese als Originalbelege zu behandeln. In Ausnahmefällen schuldet der Vermieter nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Vorlage von analogen Kopien oder Scans der Belege. Den Mietvertragsparteien steht es nach derzeitiger Rechtslage frei, einvernehmlich eine digitale Bereitstellung der Belege beziehungsweise die Einsicht in digitalisierte Belege durch den Mieter zu regeln. Soweit nichts Abweichendes vereinbart ist, hat die Einsichtnahme der Belege an dem Geschäftssitz des Vermieters zu erfolgen, § 269 Absatz 1 BGB.“6
Und weiter:
„Eine grundsätzliche Verpflichtung zur Vorlage von Originalbelegen in Papierform ist vor dem Hintergrund der Digitalisierung in fast allen Lebensbereichen unter anderem im Handels- und im Steuerrecht nicht mehr zeitgemäß. Dies gilt insbesondere, wenn der Vermieter seine Verwaltungsorganisation auf ein papierloses Büro ausrichten möchte.“7
Den Entwurf der Bundesregierung für ein Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) hatte der Deutsche Bundestag am 26.09.2024 angenommen. Zuvor hatte der Rechtsausschuss die Vorlage noch um einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen erheblich ergänzt8. Während der ursprüngliche Entwurf noch die Bereitstellung in „digitaler Form“ meinte, spricht der beschlossene Textentwurf davon, dass Vermieter berechtigt sein sollen, die Belege „elektronisch bereitzustellen“. Die Wörter „in elektronischer Form“ vermeidet der Gesetzgeber wohlweislich.
Ausweislich der Begründung des Rechtsausschusses sollte mit der Änderung von „digitaler Form“ zu „elektronisch bereitstellen“ keine neue Formvorschrift im BGB eingeführt werden. Es sollte schlicht zugelassen werden, dass der Vermieter, die der Abrechnung zugrunde liegenden Belege elektronisch bereitstellen kann. Eine inhaltliche Änderung gegenüber dem BEG IV-Regierungsentwurf erfolgte, so die Begründung, damit nicht.9
Offenbar wollte der Gesetzgeber die Anwendbarkeit des § 126a BGB, also die elektronische Form, vermeiden und den damit verbundenen Aufwand, der den Anwenderkreis im Ergebnis auf Wirtschaftsunternehmen beschränken würde10, verhindern. Nur am Rande sei erwähnt, dass im Rahmen des Bürokratieentlastungspakets eine Erleichterung auch des § 126a BGB wünschenswert gewesen wäre.
Mit der Neufassung ist jedenfalls eine Durchbrechung des Grundsatzes verbunden, wonach der Vermieter dem Mieter genau die Belege vorzulegen hat, die ihm auch selbst erteilt worden sind.
Wurden dem Vermieter Abrechnungsbelege in Papierform erstellt, waren dies die Originale, die der Vermieter dem Mieter zur Einsichtnahme bereitstellen musste. Erhielt der Vermieter von seinen Vertragspartnern selbst ausschließlich digitale Belege, sind diese als Originalbelege zu behandeln – bis 31.12.2024.
Ab dem 01.01.2025 kann der Vermieter analoge Belege in digitaler Form zur Verfügung stellen. Hierdurch erfüllt der Vermieter seiner Pflicht aus § 556 Abs. 4 Satz 1 BGB, wonach er dem Mieter auf Verlangen Einsicht in die der Abrechnung zugrunde liegenden Belege zu gewähren hat.
Die Vorlage von Papier-Unterlagen bleibt möglich. § 556 Abs. 4 Satz 2 BGB räumt dem Vermieter die Option der Bereitstellung in digitaler Form ein. Eine Verpflichtung ist hiermit nicht verbunden.
V. Die fehlende Möglichkeit des Mieters zur elektronischen Kommunikation
Obwohl das Internet als selbstverständlich betrachtet wird, waren gut 5% der Menschen im Alter zwischen 16 und 74 Jahren im Jahr 2023 in Deutschland sog. Offliner – 3,1 Mio. Menschen in Deutschland hatten noch nie das Internet genutzt. Am größten war der Anteil derer, die das Internet noch nie genutzt haben, in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen: Hier war gut ein Siebtel (15%) offline.11
Für diese Personengruppe bleibt es bei den bisherigen Möglichkeiten der Einsichtnahme der Belege am Geschäftssitz des Vermieters oder – bei Unzumutbarkeit – die Bereitstellung der Originalbelege bzw. entsprechender Kopien gegen Kostenerstattung. Es bleibt bei den bisherigen Grundsätzen, die nach der Rechtsprechung für die Übermittlung von Belegkopien aufgestellt worden sind.12
VI. Die Weigerung des Mieters zur elektronischen Belegeinsicht
Verlangt der Mieter gemäß § 556 Abs. 4 Satz 1 BGB die Einsicht in die Abrechnungsbelege und verfügt über digitale Kompetenzen und die technischen Mittel, so ist fraglich, ob der Mieter die Übersendung der Belege in digitaler Form verweigern kann.
Zwar kann der Mieter nicht „gezwungen“ werden, ein sog. Mieterportal zu nutzen13, etwas anderes könnte aber im Rahmen der Belegeinsicht dann greifen, wenn der Mieter seine E-Mail-Adresse für alles Mögliche verwendet, nur nicht auf den hier beschriebenen Fall.
Ist der Mieter gleichwohl verpflichtet, seine E-Mail-Adresse anzugeben?
Nochmals zur Ausgangslage: § 556 Abs. 4 Satz 1 BGB kodifiziert das Recht des Mieters auf Einsicht in die der Abrechnung zugrunde liegenden Belege. Dieses Recht korrespondiert gemäß § 556 Abs. 4 Satz 2 BGB mit der Berechtigung des Vermieters, die Belege in digitaler Form bereitzustellen.
Mietern und Vermietern wird in § 556 Abs. 4 BGB ein Recht eingeräumt. Denn auch wenn der Gesetzgeber im Fall des Vermieters nicht „Recht“ formuliert, so bleibt es bei der „Berechtigung“. Der Gesetzgeber verleiht dem Vermieter eine Befugnis und damit gleichfalls ein Recht.
Das Recht des Mieters auf Belegeinsicht nach Satz 1 dient der sachgerechten Prüfung der Abrechnung und der etwaigen Vorbereitung von Einwänden. Die Berechtigung des Vermieters nach Satz 2 soll als zeitgemäße und ressourcenschonende Bereitstellung von elektronischen Belegen gegenüber anderen Formen gefördert werden.14 Es dient der Entlastung von Bürokratie und vermeidet so auch die Einsichtnahme von Belegen am Geschäftssitz des Vermieters und der entsprechenden Bereitstellung von Personal.
Das Recht des Vermieters auf die elektronische Übermittlung der Belege ist jedoch gekoppelt mit dem Recht des Mieters auf Belegeinsicht. Die Berechtigung des Vermieters auf elektronische Bereitstellung der Abrechnungsbelege dient einzig der Erfüllung des Rechts des Mieters. Es soll das „mietrechtliche Leben“ des Vermieters erleichtern.
Daher kann der Mieter einer elektronischen Übersendung dann nicht verweigern, wenn die Verweigerung eine Schikane i.S.d. § 226 BGB oder eine unzulässige Rechtsausübung i.S.d. § 242 BGB darstellen würde. Hiervon ist auszugehen, wenn die Verweigerung keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen, wenn kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt oder wenn das Recht nur geltend gemacht wird, um ein anderes, vertragsfremdes oder unlauteres Ziel zu erreichen.15
Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Vermieter und dürfte sich insbesondere um die Frage drehen, ob dem Mieter ein schutzwürdiges Eigeninteresse zugebilligt werden kann. Dieses schutzwürdige Eigeninteresse liegt aber dann nicht vor, wenn der Mieter über einen Internetanschluss verfügt und sich ansonsten auch in der „Welt des Internets“ bewegt – zumal bei Zusicherung des Vermieters, dass dieser die E-Mail-Adresse nur hier verwendet und anschließend löscht. Verweigert der Mieter auch dann, so liegt Schikane auf der Hand.
Um es auf den Punkt zu bringen:
Wer über eine E-Mail-Adresse verfügt, muss dem Vermieter die Möglichkeit geben, sein Recht aus § 556 Abs. 4 Satz 2 BGB auch wahrnehmen zu können. Dieses Ergebnis könnte man aus § 242 BGB bzw. § 241 BGB herleiten. Es folgt vielmehr unmittelbar aus § 556 Abs. 4 Satz 2 BGB, welches dem Vermieter – korrespondierend zu § 556 Abs. 4 Satz 1 BGB – nunmehr ein unmittelbares Recht einräumt.
Das Recht auf Übersendung elektronischer Belege kann nur dann nicht umgesetzt werden, wenn der Mieter über keine E-Mail-Adresse verfügt. Allein dies folgt aus § 242 BGB.
VII. Fazit
§ 556 Abs. 4 Satz 1 BGB kodifiziert das Recht des Mieters auf Einsicht der „BK-Abrechnungsbelege“. § 556 Abs. 4 Satz 2 BGB erteilt dem Vermieter das Recht, diese Belege elektronisch zu übermitteln. Die Neufassung in Satz 2 bedeutet eine Durchbrechung des Grundsatzes, wonach der Vermieter nur Originalbelege vorzulegen hat. Damit ist die Vorschrift auf Sachverhalte anwendbar, in denen der Vermieter Belege noch in analoger Form erhält oder bereits erhalten hat. Verfügt der Vermieter berechtigterweise nicht über die E-Mail-Adresse des Mieters, so bedeutet die neue Vorschrift:
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Der Vermieter ist gemäß § 556 Abs. 4 Satz 2 BGB berechtigt, die ihm in analoger Form – z.B. von Behörden – erteilten Belege in digitaler Form bereitzustellen, indem er beispielsweise die Belege einscannt und per E-Mail an den Mieter übersendet.
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Hat der Vermieter die Belege bereits in digitaler Form erhalten, greift § 556 Abs. 4 Satz 1 BGB, wonach der Vermieter verpflichtet ist, dem Mieter die Belege in dieser (Original-)Form zur Verfügung zu stellen.
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Zur Bereitstellung analoger Fotokopien bleibt der Vermieter – wie bisher – nach Vereinbarung mit dem Mieter weiterhin berechtigt.
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Verlangt der Mieter Belegeinsicht und kennt der Vermieter die E-Mail-Adresse des Mieters nicht, so sollte ein Hinweis auf die neue Vorschrift erfolgen.
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Die Interessen von Mietern, denen die technischen Vorrichtungen und/oder digitalen Kompetenzen fehlen, werden berücksichtigt, da die Einsichtnahme in digitale Belege in der Regel am Geschäftssitz des Vermieters – wie bislang für die Einsichtnahme in die Originalbelege – möglich bleibt.
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Verfügt der Mieter über Internet und ist im Besitz einer E-Mail-Adresse, so hat der Vermieter gemäß § 556 Abs. 4 Satz 2 BGB einen Anspruch auf elektronische Übermittlung der Abrechnungsbelege. Ein schutzwürdiges Interesse des Mieters auf Verweigerung der E-Mail-Adresse dürfte nicht vorliegen.