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Anmerkung zu:OLG Stuttgart 10. Zivilsenat, Urteil vom 02.04.2024 - 10 U 13/23
Autor:Prof. Dr. Reinhhold Thode, RiBGH a.D.
Erscheinungsdatum:03.06.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 633 BGB, § 637 BGB, § 309 BGB, § 195 BGB, § 634a BGB, § 199 BGB, § 242 BGB
Fundstelle:jurisPR-PrivBauR 6/2025 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Bernd Siebert, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Zitiervorschlag:Thode, jurisPR-PrivBauR 6/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Bauträgervertrag: Verjährung von Gewährleistungsansprüchen mit Ablauf der Verjährungshöchstfrist des Erfüllungsanspruchs bei unwirksamer Abnahmeklausel



Leitsätze

1. Für die Geltendmachung von Ansprüchen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer genügt es, wenn die Ansprüche eines Erwerbers auf Herstellung/Nachbesserung des Gemeinschaftseigentums bestehen und unverjährt sind. Wurden die Erwerbsverträge an verschiedenen Zeitpunkten abgeschlossen, die aufgrund des Übergangsrechts zu unterschiedlichen Rechtslagen hinsichtlich der Voraussetzungen, Rechtsfolgen oder Verjährung von Gewährleistungsansprüchen führen, dann ist im Ergebnis das für die klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer günstigste Recht zu Grunde zu legen.
2. Ein Abzug „neu für alt“ kommt auch bei werkvertraglichen Mängelhaftungsansprüchen nicht in Betracht, sofern sich der Vorteil des Bestellers darin erschöpft, dass das Werk durch den zur Mangelbeseitigung erforderlichen Ersatz eines mangelhaften Teils durch ein neues Teil einen Wertzuwachs erfährt oder dass der Besteller durch die längere Lebensdauer des ersetzten Teils Aufwendungen erspart (Anschluss an BGH, Urt. v. 13.05.2022 - V ZR 231/20 Rn. 16).
3. Dem Bauträger ist es als Verwender einer von ihm gestellten und der Inhaltskontrolle nicht Stand haltenden Abnahmeklausel nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag noch im Erfüllungsstadium befinde und deshalb ein Anspruch aus § 637 Abs. 3 BGB nicht bestehe. Die Gewährleistungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt in einem solchen Fall mangels wirksamer Abnahme grundsätzlich nicht zu laufen (Anschluss BGH, Urt. v. 25.02.2016 - VII ZR 49/15 - BGHZ 209, 128; BGH, Urt. v. 12.05.2016 - VII ZR 171/15; BGH, Urt. v. 09.11.2023 - VII ZR 241/22).
4. Kenntnisse der Verwaltung, die im Hinblick auf die Frage relevant sind, ob eine konkludente Abnahme durch die Erwerber gegenüber dem Bauträger vorliegt, sind den einzelnen Erwerber erst zuzurechnen, nachdem ein Vergemeinschaftungsbeschluss über die Geltendmachung der Mängel durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergangen ist.
5. Die Haftung des Bauträgers wegen der Verwendung einer unwirksamen Abnahmeklausel reicht nicht weiter als eine Haftung wegen Arglist. In einem solchen Fall sind Mängelansprüche spätestens dann nicht mehr durchsetzbar, wenn hinsichtlich des Herstellungsanspruchs des Erwerbers die maximale Verjährungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB von 10 Jahren und eine sich anschließende 5-jährige Gewährleistungsfrist abgelaufen sind.
6. Nach Verjährung des Herstellungsanspruchs aus § 633 Abs. 1 BGB kann der Besteller nicht dadurch unverjährte Mängelansprüche herbeiführen, dass er die Abnahme erklärt.



A.
Problemstellung
Der 10. Zivilsenat des OLG Stuttgart hatte darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen und innerhalb welcher Frist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Mängelhaftungsansprüche gegen den Bauträger geltend machen kann, wenn die Abnahmeklausel unwirksam ist.
Die Relevanz dieser Fragen ergab sich aus folgender Sachverhaltskonstellation: Der Bauträger schießt Ende der neunziger Jahre Bauträgerverträge mit der im Leitsatz 1. genannten Abnahmeklausel ab. Die Übernahmen und Abnahmen auf der Grundlage dieser Abnahmeklausel erfolgten bis in das Jahr 2001. Im Jahre 2017 hat die WEG aufgrund eines Beschlusses ein Beweisverfahren gegen den Bauträger im Hinblick von Mängeln am Gemeinschaftseigentum eingeleitet; anschließend hat sie einen Kostenvorschuss von 292.000 Euro eingeklagt.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin verlangt Vorschuss für Maßnahmen zur Beseitigung von behaupteten Korrosionserscheinungen und Undichtigkeiten des Metall-Pultdachs der Wohnanlage.
Die Beklagte ließ diese Wohnanlage grundlegend sanieren und durch einen Anbau erweitern. Der ursprüngliche Holzdachstuhl mit Ziegeleindeckung wurde abgetragen und durch ein Vollgeschoss mit Pultdach ersetzt. Die insgesamt 31 Wohneinheiten und neun Teileigentumseinheiten wurden von der Beklagten in den Jahren 1999 bis 2001, ein Keller erst im Jahr 2002 veräußert. Nach § 5 Nr. 4 der Erwerbsverträge sollte die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch drei aus der Mitte der Käufer zu wählende Vertreter erfolgen. Zu diesem Zweck erfolgten zwischen Mai 2000 und Mai 2001 Abnahmebegehungen. Nachdem die Klägerin die Geltendmachung der Mängelrechte bezüglich des Daches durch Beschluss vom 06.12.2017 an sich gezogen hatte, machte sie ab dem Jahr 2018 im Wege eines selbstständigen Beweisverfahrens und ab dem Jahr 2021 im vorliegenden Verfahren Vorschussansprüche gelten.
Das LG Stuttgart (Urt. v. 26.01.2023 - 12 O 340/21) hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 292.000 Euro Vorschuss zur Mangelbeseitigung verurteilt sowie die Feststellung ausgesprochen, dass die Beklage verpflichtet ist, der Klägerin jegliche weiteren Kosten und Schäden zu ersetzen, die ihr über den zugesprochenen Vorschuss hinaus durch oder im Zusammenhang mit der Beseitigung der Mängel entstehen:
Die Klägerin habe die Verfolgung der Mängel wirksam an sich gezogen und der Beklagten eine Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt.
Der Vorschussanspruch sei nicht verjährt. Die Abnahmeklausel in § 5 Nr. 4 der Erwerberverträge halte der Inhaltskontrolle nicht stand. Da die Parteien von einer wirksam erklärten Abnahme ausgegangen seien, liege eine schlüssig erklärte Abnahme durch Zahlung des Restkaufpreises oder Ingebrauchnahme nicht vor.
Die Ansprüche seien nicht verwirkt. Die Klägerin habe erst 2017 hinreichende Kenntnis von den noch bestehenden Gewährleistungsansprüchen erlangt. Dies gelte auch, falls die Klägerin bereits im Jahr 2014 eine Kostenschätzung für die Dachsanierung eingeholt haben sollte.
Der Klägerin stehe ein Vorschussanspruch i.H.v. 292.000 Euro einschließlich Mehrwertsteuer im Hinblick auf die erforderlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen zu. Ein Abzug neu für alt sei nicht vorzunehmen. Die Klägerin habe auch keinen auszugleichenden Vorteil erlangt, da die Dachkonstruktion schon im Zeitpunkt der Erstellung mangelhaft gewesen sei.
Die Berufung der Beklagten, die sich mit im Wesentlichen folgender Begründung gegen ihre Verurteilung wendet, hatte Erfolg, das OLG Stuttgart hat das Urteil des Landgerichts geändert und die Klage abgewiesen:
Die Berufung der Beklagten sei begründet: Die Leistungen der Beklagten seien nicht wirksam abgenommen worden, da die Abnahmeklauseln in den Bauträgerverträgen der Erwerber der Inhaltskontrolle nicht standhalten würden. Nachdem zwischen dem Abschluss des letzten Erwerbsvertrags und Übergabe des Kellers, der Gegenstand des letzten Erwerbsvertrags gewesen sei, und der Hemmung der Verjährung über 15 Jahre vergangen seien, könne die Klägerin keine Gewährleistungsansprüche mehr durchsetzen. Denn die Beklagte berufe sich unter diesen Umständen mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung.
Die streitgegenständlichen Gewährleistungsansprüche würden sich nach dem werkvertraglichen Gewährleistungsrecht richten. Auf die Erwerbsverträge sei nach der ständigen Rechtsprechung des BGH Werkvertragsrecht anwendbar. Danach würden sich die Sachmängelansprüche desjenigen, der eine neu errichtete Eigentumswohnung oder ein neu errichtetes Haus von einem Bauträger erwerbe, nach Werkvertragsrecht richten. Dass das Bauwerk bei Vertragsschluss schon fertiggestellt sei, ändere hieran grundsätzlich nichts. Maßgebend sei vielmehr, ob Vertragsgegenstand eine neu errichtete Eigentumswohnung sei. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten gehe der Senat davon aus, dass am 21.11.2001 ein Erwerbsvertrag über die letzte Wohneinheit (Nr. 22) und am 19.11.2002 ein Erwerbsvertrag über einen Kelleranteil abgeschlossen worden sei.
Für die vor dem 01.01.2002 abgeschlossenen Erwerbsverträge gilt das Schuldrecht alter Fassung. Ein Vorschussanspruch bestand auch nach der bis 2001 geltenden Rechtslage, er setze jedoch keine Fristsetzung, sondern lediglich Verzug mit der Mangelbeseitigung voraus: Nach § 633 Abs. 3 BGB a.F. hätte der Besteller einen Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen können, wenn der Auftragnehmer mit der Mangelbeseitigung in Verzug gewesen war; eine Fristsetzung sei nicht erforderlich gewesen. Seit dem am 01.01.2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts sei der Vorschussanspruch in § 637 Abs. 3 BGB geregelt, er habe jedoch bereits vor seiner gesetzlichen Kodifizierung bestanden.
Für den am 19.11.2002 abgeschlossenen Vertrag über den Kauf des Kellers durch den Erwerber der Wohneinheit Nr. 25 gelte hingegen das BGB in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung. Seither setze der Vorschussanspruch nach § 637 Abs. 3 BGB voraus, dass das Werk abgenommen sei und erfolglos eine Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt worden sei.
Für die Geltendmachung von Ansprüchen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer genüge es, wenn die Ansprüche auch nur eines Erwerbers auf Herstellung/Nachbesserung des Gemeinschaftseigentums bestehen würden und unverjährt seien.
Denn jeder Erwerber habe aus seinem Erwerbsvertrag einen eigenen Anspruch auf mangelfreie Herstellung des (gesamten) Gemeinschaftseigentums; dieser Anspruch sei nicht auf den Anteil des einzelnen Erwerbers am Gemeinschaftseigentum beschränkt; jeder Wohnungseigentümer könne die ganze Leistung verlangen. Dieser Anspruch wird nach der Rechtsprechung des BGH in seinem Umfang auch nicht davon berührt, inwieweit andere Wohnungseigentümer ihre entsprechenden Ansprüche noch durchsetzen können. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die Nacherfüllungs- und Mängelansprüche geltend mache, verfolge damit Ansprüche der einzelnen Erwerber.
Eine wirksame Abnahme liege nicht vor: Das Landgericht habe die Abnahmeklausel in den Erwerbsverträgen zutreffend für unwirksam gehalten, so dass die auf der Grundlage dieser Klausel erklärten Abnahmen unwirksam seien. Das gelte auch, wenn Erwerber ihre Erwerbsverträge abgeschlossen hätten, nachdem die Abnahme bereits erklärt worden sei und die in diesen Nachzüglerverträgen verwendeten Abnahmeklauseln unwirksam seien.
Wenn Erwerbsverträge abgeschlossen worden seien, auf die aufgrund des Zeitpunkts des Vertragsschlusses unterschiedliche Fassungen des geltenden Rechts anwendbar seien, dann sei im Ergebnis das für die Klägerin günstigere Recht zugrunde zu legen.
In den Erwerberverträgen sei jeweils folgende Regelung zur Abnahme enthalten:
„2. Die Abnahme des Vertragsgegenstandes erfolgt durch die Vertragschließenden nach der Fertigstellung aller seitens der Firma G-B GmbH Bauträgergesellschaft zu erbringenden Leistungen.
Der Veräußerer hat dem Erwerber rechtzeitig – mindestens zwei Wochen vorher – den Abnahmetermin schriftlich mitzuteilen.
3. Bei der Abnahme des Sondereigentums findet eine gemeinsame Besichtigung statt. Es wird dabei eine von beiden Vertragsteilen zu unterzeichnende Niederschrift gefertigt, in welche die noch ausstehenden Restarbeiten und etwaige Baumängel zu verzeichnen sind. Diese hat der Veräußerer auf seine Kosten unverzüglich zu erledigen oder zu beseitigen.
4. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgt durch drei aus der Mitte der Käufer zu wählende Vertreter. Bei der Abnahme findet eine gemeinsame Besichtigung statt. Es wird dabei eine von beiden Vertragsteilen zu unterzeichnende Niederschrift gefertigt, in welcher die noch ausstehenden Restarbeiten, soweit sich diese aus der Leistungsverpflichtung der Baubeschreibung ergeben, und etwaige Mängel in der Bauleistung der Firma G-B zu verzeichnen sind. Diese hat der Veräußerer auf seine Kosten unverzüglich zu erledigen oder zu beseitigen“.
Das Landgericht habe diese Klausel für unwirksam gehalten, weil dem Erwerber dadurch die Möglichkeit genommen werde, über die Erklärung der Abnahme selbst zu entscheiden, er werde durch die Regelung unangemessen benachteiligt.
Eine unangemessene Benachteiligung liege vor, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners versuche durchzusetzen, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Auszugehen sei dabei von Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrages, wobei der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen sei.
Nach der gesetzlichen Regelung des Werkvertragsrechts, die maßgeblich sei, sei die Abnahme ein originäres Erwerberrecht. Dem einzelnen Erwerber dürfe deshalb grundsätzlich nicht die Möglichkeit genommen werden, selbst frei darüber zu entscheiden, ob er die erbrachten Leistungen als im Wesentlichen vertragsgemäß anerkennen möchte. Deshalb sei eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrags verwendete Klausel unwirksam, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen vom Bauträger bestimmbaren Erstverwalter ermögliche. Unwirksam sei auch eine Regelung in einem Nachzüglervertrag, wonach dem Erwerber mitgeteilt werde, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums bereits erfolgt sei. Darüber hinaus sei eine Regelung unwirksam, wonach in der ersten Eigentümerversammlung ein Sachverständiger zu bestellen sei, der die Abnahme in Vertretung und aufgrund einer Vollmacht der einzelnen Eigentümer durchführe.
Da die Klausel im Sinne einer kundenfeindlichsten Auslegung verstanden werden könne, dass mit Abschluss des Erwerbsvertrags die drei zu bestimmenden Käufer unwiderruflich bevollmächtigt würden, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums für alle weiteren Eigentümer zu erklären, werde jeder der einzelnen Erwerber unangemessen benachteiligt, weil ihm die Möglichkeit genommen werde, über die Abnahme des Gemeinschaftseigentums selbst zu entscheiden.
Die Abnahme sei auf der Grundlage der Klausel in § 5 Nr. 4 der Erwerbsverträge durch drei von den Käufern bestimmte Erwerber erklärt worden.
Aufgrund der Unwirksamkeit der Abnahmeklausel würden diese Abnahmeerklärungen allenfalls für die drei Erwerber wirken, die die Abnahme erklärt hätten, im Hinblick auf die übrigen Erwerber liege mangels Vertretungsmacht keine wirksame Abnahmeerklärung vor. Denn wenn die Klausel in § 5 Nr. 4 der Erwerbsverträge unwirksam sei, würden durch diese Klausel eine Vertretungsmacht nicht begründet. Die drei Erwerber, die die Abnahmeerklärungen abgegeben hätten, hätten ohne Vertretungsmacht gehandelt.
Nachdem die Abnahme des Gemeinschaftseigentums auf der Grundlage der unwirksamen Abnahmeklausel erklärt wurde, wurden unstreitig die letzten beiden Wohneinheiten und eine Kellereinheit verkauft (sog. „Nachzüglerverträge“).
In den Nachzüglerverträgen fand sich unter § 5 Nr. 4 die folgende unwirksame Klausel: „4. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist erfolgt.“
Mit der Anknüpfung an die Abnahme der übrigen Erwerber werde der Beginn der Verjährung von Mängelansprüchen betreffend das Gemeinschaftseigentum auf einen Zeitpunkt vorverlagert, zu dem diese das Werk weder erworben hätten noch es ihnen übergeben worden sei. Dies stelle eine mittelbare Verkürzung der Verjährungsfrist dar, die von § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB erfasst werde.
Die Abnahme sei auch nicht konkludent durch Ingebrauchnahme und Nutzung der Wohnungen oder vollständige Bezahlung der nach den Erwerbsverträgen geschuldeten Zahlungen erklärt worden, da die Erwerber, die von einer wirksamen Abnahme ausgehen würden, in der Regel keinen Erklärungswillen hätten, durch ihr Verhalten (noch einmal) eine Abnahme zu erklären.
Eine konkludente Abnahme komme erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, an dem die Erwerber Kenntnis von der Unwirksamkeit der erklärten Abnahme erlangt oder Zweifel bezüglich der betreffenden Wirksamkeit bekommen hätten.
Etwaige Kenntnisse der Verwaltung, die für die Frage einer konkludenten Abnahme relevant sein könnten, seien den einzelnen Erwerbern erst zuzurechnen, nachdem ein Vergemeinschaftungsbeschluss über die Geltendmachung der Mängel durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergangen sei. Aus dem Vergemeinschaftungsbeschluss ergebe sich ebenfalls keine konkludente Abnahme: mit diesem Beschluss und der damit verbundenen beabsichtigten Geltendmachung von Mängelrechten sei gerade nicht zum Ausdruck gebracht worden, dass das Werk aus Sicht der Erwerber im Wesentlichen mangelfrei sei.
Der Bauträger könne sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
Der Grundsatz von Treu und Glauben gebiete es nicht, einen den Grundsätzen des BGB widersprechenden unverjährbaren Anspruch zu schaffen. Die Haftung des Bauträgers für Mängel am Gemeinschaftseigentum ende spätestens nach 15 Jahren nach Fälligkeit der Leistung. Die Einstandspflicht des Bauträgers für Mängel aufgrund der unwirksamen Abnahmeklauseln könne nicht weiter reichen als eine Haftung im Fall eines arglistig verschwiegenen Mangels. Gemäß § 634a Abs. 3 BGB verjähre ein Mangelanspruch, wenn der Unternehmer den Mangel arglistig verschwiegen habe, in der regelmäßigen Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB, wobei bei einem Bauwerk diese Verjährung nicht vor Ablauf von fünf Jahren ab Abnahme gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB eintrete.
Damit hätte im Fall eines arglistigen Verhaltens der Beklagten die Verjährungsfrist für Mängelansprüche spätestens nach zehn Jahren begonnen und hätte gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 BGB fünf Jahre später geendet. Die Beklagte hätte daher selbst im Falle eines arglistigen Verschweigens eines Mangels längstens 15 Jahre für diesen Mangel einstehen müssen. Die Umwandlung der Erfüllungsansprüche in Gewährleistungsansprüche könne nur erfolgen, wenn diese zum Zeitpunkt der Abnahme nicht verjährt seien. Die Abnahme hätte ohne die unwirksame Klausel spätestens zehn Jahre nach Fälligkeit der Leistung erklärt werden müssen, um in eine fünfjährige Gewährleistung überzuleiten. Die Verjährung des Herstellungsanspruch setze nicht einen unverjährten Mängelanspruch voraus, sondern umgekehrt setze der Mängelanspruch einen unverjährten und auch im Übrigen durchsetzbaren Herstellungsanspruch voraus.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des OLG Stuttgart ist rechtlich zweifelhaft, weil der BGH in seinem Urteil vom 09.11.2023 (VII ZR 241/22 - MDR 2024, 223 m. Anm. Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 3/2024 Anm. 2; Thode, jurisPR-PrivBauR 4/2024 Anm. 2; zitiert im Besprechungsurteil Ls. 3; Rn. 170) entschieden hat, dass eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), die als Prozessstandschafterin der Erwerber Mängelansprüche wegen Mängeln der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentum geltend macht, nicht rechtsmissbräuchlich handelt, wenn sie sich gegenüber der vom Bauträger erhobenen Einrede der Verjährung auf das Fehlen einer wirksamen Abnahme des Gemeinschaftseigentum beruft (Rn. 41). Dieser Entscheidung liegt ein Urteil zugrunde, in dem das OLG Schleswig den erfolglosen Versuch unternommen hat, im Falle einer unwirksamen Abnahmeklausel die Haftung des Bauträgers zu begrenzen (Anm. Vogel, IBR 2024, 201). Dem Besprechungsurteil ist der 13. Zivilsenat des OLG Stuttgart nicht gefolgt (Urt. v. 06.06.2024 - 13 U 419/19 - MDR 2024, 1176 m. Anm. Fischer, jurisPR-PrivBauR 3/2025 Anm. 3; Raab-Gaudin in: BeckOKG, Stand. 01.04.2025, § 634a Rn. 481.2). Diesen Einwand hat es ebenfalls versagt. Der 10. Zivilsenat des OLG Stuttgart hat entschieden, dass eine Verjährung der Gewährleistungsansprüche nicht damit begründet werden kann, dass der Erfüllungsanspruch nach § 199 Abs. 4 BGB bereits verjährt sei (OLG Stuttgart, Urt. v. 06.06.2024 - 13 U 419/19 Rn. 41 ff. m. Anm. Steffen, NJW-Spezial 2024, 594; m. Anm. Fischer, jurisPR-PrivBauR 3/2025 Anm. 3; Seichter in: BeckOKG, Stand: 01.04.2025, § 634 BGB Rn. 542). Das OLG München (Beschl. v. 01.12.2023 - 28 U 3344/23 Bau e - ZfBR 2024, 402 m. Anm. Biller-Bomhardt, jurisPR-PrivBauR 6/2024 Anm. 3; Seichter in: BeckOKG, Stand: 01.04.2025, § 634 BGB Rn. 542) hat im Fall einer unwirksamen Abnahmeklausel eine Verwirkung angenommen. Das OLG Schleswig hat in seinem Urteil vom 18.11.2022 (1 U 42/21 - MDR 2023, 162) entschieden, dass die Berufung auf die unwirksame Abnahme wegen widersprüchlichen Verhaltens gegen § 242 BGB verstoße, wenn der Erwerber sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Erfolg auf eine Abnahme berufen hatte, um Mängelansprüche durchzusetzen. Diese Entscheidung hat der BGH auf die Revision aufgehoben (BGH, Urt. v. 09.11.2023 - VII ZR 241/22 - MDR 2024, 223 m. Anm. Thode, jurisPR-PrivBauR 4/2024 Anm. 2; m. Anm. Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 3/2024 Anm. 2).
Über die zugelassenen Revisionen zum Besprechungsurteil (anhängig seit 11.06.2024 - VII ZR 68/24) und zum 13. Zivilsenat des OLG Stuttgart (anhängig seit 08.08.2024 - VII ZR 108/24) sowie über die Revision gegen den Beschluss vom 01.12.2023 des OLG München (28 U 3344/23 Bau e - ZfBR 2024, 402) hat der BGH bisher nicht entschieden. Die Revision ist anhängig (VII ZR 4/24).
Im Unterschied zum Besprechungsurteil hat der BGH die Frage bisher offengelassen, ob eine Umwandlung der Erfüllungsansprüche in Gewährleistungsansprüche voraussetzt, dass die Erfüllungsansprüche noch nicht verjährt sind (BGH, Urt. v. 09.11.2023 - VII ZR 241/22 - MDR 2024, 223 Rn. 45). Der BGH hat bisher nicht entschieden, ob und welchen Einfluss ein Ablauf der Verjährungshöchstfrist bezüglich des Erfüllungsanspruchs grundsätzlich auf die Verjährung von Mängelansprüchen hat (BGH, Urt. v. 09.11.2023 - VII ZR 241/22 - MDR 2024, 223 Rn. 45).
Der Anspruch des einzelnen Erwerbers auf Nacherfüllung besteht, unabhängig davon, ob die Ansprüche anderer Erwerber bereits verjährt sind, im vollen Umfang (Besprechungsurteil Rn. 72, 152; BGH, Urt. v. 21.02.1985 - VII ZR 72/84 - NJW 1985, 1551. Leitsatz 2, Rn. 38; Koeble in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Aufl. 2025. 10. Teil Rn. 491)
Der 10. Zivilsenat des OLG Stuttgart hat soweit ersichtlich erstmals entschieden, dass es für die Durchsetzung der Ansprüche durch die WEG genüge, wenn die Ansprüche eines Erwerbers auf Herstellung/Nachbesserung des Gemeinschaftseigentums bestehen und unverjährt sind (Besprechungsurteil). Wurden die Erwerbsverträge an verschiedenen Zeitpunkten abgeschlossen, die aufgrund des Übergangsrechts zu unterschiedlichen Rechtslagen hinsichtlich der Voraussetzungen, Rechtsfolgen oder Verjährung von Gewährleistungsansprüchen führen, ist im Ergebnis das für die klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer günstigste Recht zugrunde zu legen (Besprechungsurteil Leitsatz 1, Rn. 39 f.; Müller in: BeckOK WEG, 60. Ed. Stand: 02.04.2025, § 9a WEG Rn. 215). Vogel weist in seinem grundlegenden Aufsatz „Die AGB-Kontrolle bei Verbraucherverträgen insb. bei Bauträgerverträgen“ (BauR 2024, 313, 328 ff.) darauf hin, dass eine Haftungsbegrenzung mit der sog. Klauselrichtlinie (93/13 EWG) vermutlich nicht vereinbar ist.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Das Besprechungsurteil hat einen weiteren Beitrag zur Klärung der der unübersichtlichen Rechtslage geleistet, die hinsichtlich der Anschlussfrage einer möglichen Verwirkung der Ansprüche der Erwerber und hinsichtlich der komplexen Fragen nach der Verjährung der Erfüllungsansprüche und der Gewährleistungsansprüche sowie hinsichtlich der bisher durch den BGH nicht entschiedenen Frage besteht, welche Folgen eine Verjährung der Erfüllungsanspruche für etwaige Gewährleistungsansprüche haben kann. Diese skizierten Anschlussprobleme ergeben sich infolge der Rechtsprechung des BGH, dass der Verwender sich im Falle einer unwirksamen Abnahmeklausel in Bauträgerverträgen nicht gegen Mängelrechte der Erwerber darauf berufen kann, dass der Vertrag sich mangels Abnahme noch im Erfüllungsstadium befindet (vgl. die Übersicht der Lit. und Rspr. zur Verwirkung und der Kritik an Lösungen, die eine unbegrenzten Haftung des Bauträgers zur Folge haben, von Raab-Gaudin in: Beck OKG, Stand: 01.04.2025, § 643a BGB Rn. 479-481.3, 504 m.w.N.).
Beratenden Rechtsanwälten ist zu empfehlen, Mandanten im Hinblick auf die unübersichtliche Rechtslage auf die rechtlichen Risiken gerichtlicher Auseinandersetzungen zu informieren und soweit möglich, die anstehenden Entscheidungen des BGH über die anhängigen Revisionen abzuwarten.



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