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Anmerkung zu:LSG München 17. Senat, Urteil vom 16.05.2024 - L 17 U 81/22
Autor:Klaus Feddern, Geschäftsführer a.D.
Erscheinungsdatum:06.03.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 8 SGB 7, § 539 RVO, § 2 SGB 7
Fundstelle:jurisPR-SozR 5/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Thomas Voelzke, Vizepräsident des BSG a.D.
Jutta Siefert, Ri'inBSG
Zitiervorschlag:Feddern, jurisPR-SozR 5/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Versicherungsschutz für ehrenamtliche Gemeinderäte



Leitsätze

1. Für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a SGB VII ist es grundsätzlich erforderlich, dass die betreffende Verrichtung innerhalb eines bestimmten abgegrenzten Aufgabenkreises ausgeübt wird, der dem ehrenamtlich Tätigen von dem Rechtsträger innerhalb dessen qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereichs übertragen wurde.
2. Der Besuch von Veranstaltungen zur repräsentativen Vertretung der Gemeinde in der Öffentlichkeit gehört grundsätzlich nicht zum gesetzlichen oder satzungsmäßigen Aufgabenkreis von Gemeinderäten in Bayern.



A.
Problemstellung
Gemeinderäte stehen als ehrenamtlich tätige Personen innerhalb ihres Aufgabenkreises nach § 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Gilt dies auch, wenn ein Gemeinderat an der Trauerfeier für einen verstorbenen Gemeindebürger teilnimmt, der gemeindeweit bekannt und beliebt war?


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin ist ehrenamtliche Gemeinderätin ihrer Heimatgemeinde. In einer Ratssitzung, an der auch die Klägerin teilnahm, informierte der erste Bürgermeister der Gemeinde über die Beisetzung des verstorbenen ehemaligen Bauhof-Leiters der Gemeinde. Der Bürgermeister appellierte an die Gemeinderäte mit den Worten: „Es wäre schön, wenn ich bei der Beerdigung einige Gemeinderäte antreffen könnte.“ Die Klägerin nahm an der Trauerfeier teil. Nach dem Trauergottesdienst wollte die Klägerin mit dem Auto unmittelbar zum Friedhof fahren, auf dem die Beisetzung stattfand. Auf dem Weg zum Auto stürzte die Klägerin und zog sich eine Sprunggelenksverletzung zu. Im Verwaltungsverfahren gab die Klägerin an, sie sei nach der Beendigung des Trauergottesdienstes für einen verdienstvollen und langjährigen Gemeindemitarbeiter ausgerutscht. Der zuständige Unfallversicherungsträger lehnte es ab, dieses Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen. Es fehle an dem notwendigen Zusammenhang zwischen einer versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis. Zwar sei die Klägerin ehrenamtliche Gemeinderätin. Sie habe aber nicht als offizielle Vertreterin der Gemeinde an der Trauerfeier teilgenommen. Insbesondere fehle es an einer Anweisung zur Teilnahme durch die Gemeinde. Vielmehr sei die Teilnahme durch menschliche Anteilnahme bzw. gesellschaftliche oder religiöse Bindung motiviert. Dies begründe keinen Versicherungsschutz. Der erste Bürgermeister teilte im Verwaltungsverfahren mit, sein Appell in der Gemeinderatssitzung sei kein offizieller Auftrag zur Ausübung des Ehrenamtes gewesen.
Der Widerspruch blieb erfolglos. Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid ab (SG Würzburg v. 30.12.2021 - S 5 U 220/21). Das Sozialgericht ist den Ablehnungsgründen des Unfallversicherungsträgers gefolgt. Der Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII umfasse alle mit der eigentlichen ehrenamtlichen Tätigkeit in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang stehenden Tätigkeiten, die mit dem bestimmten Aufgabenbereich bzw. dem organisatorischen Verantwortungsbereich im sachlichen Zusammenhang stünden. Für die Teilnahme an einer Beerdigung fehle es an einem solchen Zusammenhang. Nach der Zweckbestimmung des Amtes eines Gemeinderates gehören – neben der Teilnahme an den Gemeinderatssitzungen – im öffentlichen Interesse liegende Verrichtungen, die der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben der Gemeinde dienen. Hierzu zähle eine Beerdigung nicht. Die Teilnahme an der Beerdigung gehöre nicht zum Kernbereich ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit. Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII erfordere eine Tätigkeit innerhalb eines bestimmten, qualifizierten Aufgabenbereichs der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, für welche die Aufgabe wahrgenommen werde. Wenn ein solcher Aufgabenbereich – hier in Bezug auf die Trauerfeier – nicht bereits durch Gesetz oder Satzung festgelegt sei, sei ein ausdrücklicher oder stillschweigender Auftrag erforderlich, um Versicherungsschutz zu begründen. Der vom ersten Bürgermeister ausgesprochene Wunsch stelle keinen ausdrücklichen und auch keinen stillschweigenden Auftrag an die Klägerin dar. Die Klägerin sei bei den Feierlichkeiten keine Repräsentantin der Gemeinde gewesen. Vielmehr habe der erste Bürgermeister die Gemeinde offiziell vertreten und repräsentiert. Insgesamt habe die Klägerin aufgrund der objektiven Umstände nicht davon ausgehen können, dass die Teilnahme an der Trauerfeier im Rahmen ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben als ehrenamtliches Gemeinderatsmitglied gelegen habe.
Das LSG München hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Für einen Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII müsse die unfallbringende Tätigkeit grundsätzlich der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein. Hierzu müsse eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der es rechtfertige, das zum Unfall führende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang sei wertend zu ermitteln. Maßgebende Zurechnungsgesichtspunkte seien die Handlungstendenz des Versicherten, wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt werde (sog. objektivierte Handlungstendenz). Zwar sei der Versicherungsschutz nicht grundsätzlich auf den Kernbereich der ehrenamtlichen Tätigkeit beschränkt. Für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII sei es aber erforderlich, dass die ehrenamtliche Tätigkeit innerhalb eines bestimmten abgegrenzten Aufgabenkreises ausgeübt werde. Dieser müsse dem ehrenamtlich Tätigen übertragen werden. Eine solche Übertragung müsse zudem innerhalb des qualifizierten Aufgabenbereichs bzw. der organisatorischen Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft (hier: der Gemeinde) liegen.
Der Besuch von Veranstaltungen zur repräsentativen Vertretung der Gemeinde gehöre grundsätzlich nicht zum Aufgabenkreis einer Gemeinderätin. Insofern bedürfe es einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Übertragung der konkreten Aufgabe. Dies sei hier nicht feststellbar. Gegen eine Aufgabenübertragung an die Klägerin spreche bereits, dass der erste Bürgermeister die Gemeinde bei der Beerdigung selbst repräsentiert habe. Es fehle an einer ausdrücklichen Aufgabenübertragung. Hierfür spreche bereits, dass der Bürgermeister bei seinem Appell von „einigen Gemeinderatsmitgliedern“ gesprochen habe.
Auch ein stillschweigender Auftrag liege nicht vor. Dies scheide bereits aus, weil es an dem notwendigen klaren Zuordnungsgrund zum Aufgabenbereich bzw. zur organisatorischen Verantwortung der Gemeinde fehle.


C.
Kontext der Entscheidung
Vor dem 01.07.1963 waren ehrenamtlich tätige Personen nur gesetzlich unfallversichert, wenn diese als sog. „Wie-Beschäftigte“ eine Tätigkeit ausgeübt haben, die ansonsten durch eine beschäftigte Person vorgenommen worden wäre. Mit der Neuregelung des 3. Buches RVO (durch das UVNG v. 30.04.1963, BGBl I 1963, 1241) wurden ehrenamtlich Tätige ausdrücklich in den Kreis der versicherten Personen aufgenommen (§ 539 Abs. 1 Nr. 13 RVO a.F.). Bei der Einordnung des Unfallversicherungsrechts in das Sozialgesetzbuch wurde dieser Versicherungsschutz in § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII (in der Fassung des UVEG v. 07.08.1996 - BGBl I 1996, 1254) für Personen, übernommen die ehrenamtlich für öffentlich-rechtliche Einrichtungen tätig sind. Zugleich wurde der Schutz auf ehrenamtliche Tätigkeiten für privatrechtliche Zusammenschlüsse öffentlich-rechtlicher Einrichtungen erweitert. Außerdem wurden öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften gleichgestellt. Ferner wurden die ehrenamtlich im Bildungswesen Tätigen erfasst (Gesetzesbegründung BT-Drs. 13/2204, S. 62). Zum 01.05.2005 wurde § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII neu gefasst (Gesetz zur Verbesserung des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaftlich Engagierter und weiterer Personen v. 09.12.2004, BGBl I 2004, 3299). Damit wird insbesondere der Entwicklung Rechnung getragen, dass bislang von den Gebietskörperschaften selbst wahrgenommene Aufgaben vermehrt durch bürgerschaftlich Engagierte unentgeltlich erfüllt werden (Gesetzesbegründung BT-Drs. 15/3439).
Die hier besprochene Entscheidung des LSG München betrifft den in der ersten Alternative des § 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII geregelten Versicherungsschutz von Gemeinderäten, die ihr Mandat ehrenamtlich ausüben. Es geht also um den „klassischen“ Versicherungsschutz Ehrenamtlicher in öffentlich-rechtlichen Körperschaften. Das Ehrenamt ergibt sich aus den Gemeindeverfassungen der Bundesländer. Im besprochenen Fall kann auf das einschlägige Landesrecht Bezug genommen werden. Nach Art. 31 Abs. 1 GO Bayern besteht der Gemeinderat aus der ersten Bürgermeisterin oder dem ersten Bürgermeister und den Gemeinderatsmitgliedern. Diese werden in ehrenamtlicher Eigenschaft gewählt (Art. 31 Abs. 2 Satz 1 GO Bayern).
Zweck des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII ist es, im öffentlichen Interesse stehenden Verrichtungen, die der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben der in der Vorschrift genannten Rechtsträger dienen, in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen (Bieresborn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 2 SGB VII Rn. 348; BSG, Urt. v. 29.01.1986 - 9b RU 68/84). Deshalb sind Umfang und Inhalt des Versicherungsschutzes nach den allgemeinen Grundsätzen zur Feststellung des inneren Zusammenhangs der unfallbringenden Verrichtung mit der versicherten (ehrenamtlichen) Tätigkeit zu bestimmen (vgl. Köhler, SGb 2024, 643, 646). Dieser Zusammenhang ist im Einzelfall wertend zu ermitteln (BSG, Urt. v. 08.12.2022 - B 2 U 14/20 R). Dabei ist zu untersuchen, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung liegt (BSG, Urt. v. 08.12.1998 - B 2 U 37/97 R).
Abgelehnt wurde der Versicherungsschutz
• für die Teilnahme eines Ministranten bei einer von seiner Pfarrei für die aktive Gemeindejugend veranstalteten Jugendherbergsfahrt (BSG, Urt. v. 08.12.1998 - B 2 U 37/97 R), weil es an einem funktionalen Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit der Mitwirkung an Gottesdiensten und anderen kirchlichen Veranstaltungen fehlt;
• für die Teilnahme eines ehrenamtlichen Gemeinderates an der Jahresabschlussfeier der Ratsmitglieder, weil eine solche Veranstaltung einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nicht gleichzusetzen ist (LSG Mainz, Urt. v. 30.06.1982 - L 3 U 162/81);
• für Gemeinderatsmitglieder, die an einem nicht von der Gemeinde organisiertem örtlichen Fußballturnier teilnehmen – wenn nicht der Gemeinderat als Mannschaft besonders gekennzeichnet und angekündigt wird (LSG München, Urt. v. 11.10.2006 - L 2 U 136/06);
• für die Teilnahme an einer Reise einer Ratsfraktion in die Partnerstadt einer Gemeinde, weil diese Exkursion auf das Zusammentreffen von Mitgliedern einer politischen Partei und nicht allgemein auf Mitglieder des Gemeinderates ausgerichtet war (BSG, Urt. v. 31.07.1985 - 2 RU 51/84) – es fehlte mithin an einem offiziellen Mandat für die Reise;
• für Tätigkeiten von ehrenamtlich für eine Gemeinde tätigen Personen aus Eigeninitiative (Rundgang eines Gemeindevertreters durch den Ort, um sich über etwaige Probleme zu informieren: LSG Berlin-Potsdam, Urt. v. 20.09.2012 - L 2 U 84/11; vermeintliche Sicherheitsmaßnahme in einem Linienbus, die ein ehrenamtlicher Senioren-Sicherheitsberater einer Gemeinde vornimmt: SG Koblenz, Urt. v. 12.11.2014 - S 2 U 172/13);
Die Rechtsprechung zur ehrenamtlichen Tätigkeit hat Versicherungsschutz angenommen
• für die Teilnahme einer Sängerin am Adventssingen einer evangelischen Kirchengemeinde (BSG, Urt. v. 08.12.2022 - B 2 U 19/20 R). Zwar gehe diese Tätigkeit über den Kernbereich der Religionsausübung (Liturgie, Diakonie, Verkündigung, Gemeinschaft durch Teilhabe) hinaus. Jedoch kann jede Religionsgemeinschaft selbst bestimmen, wie weit ihr Aufgabenbereich reicht, welche Angebote sie annimmt und welche Tätigkeiten sie sich zu eigen macht. Dies war im konkreten Fall gegeben, weil ein ausdrückliches Einvernehmen des Gemeindepfarrers zur Teilnahme (als „Annahmeakt“) vorgelegen hat;
• bei vorbereitenden Bastelarbeiten für den Adventsbasar, die ein Mitglied eines Elternbeirats eines kommunalen Kindergartens ausführt (BSG, Urt. v. 05.12.2023 - B 2 U 10/21 R);
• für die Teilnahme eines ehrenamtlichen Beigeordneten als Ehrengast bei dem von der Gemeinde organisierten „bunten Nachmittag“ im Rahmen des Heimat-, Wein- und Erntedankfestes der Gemeinde (BSG, Urt. v. 18.03.1997 - 2 RU 22/96). Der Bürgermeister hatte dem Beigeordneten die offizielle Einladung zur Veranstaltung vom zugeleitet. Seine repräsentative Funktion wurde durch seinen Platz am gesonderten Tisch der Ehrengäste der Veranstaltung deutlich;
• für den Weg zu einer Vorbesprechung zu einem konkreten Beratungspunkt einer gemeindlichen Ausschusssitzung, weil diese in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Ehrenamtlichen steht (BSG, Urt. v. 31.01.1980 - 8a RU 46/79);
• für die Teilnahme des Vorsitzenden eines Ortsvereins des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) an der Generalversammlung eines anderen (befreundeten) DRK-Ortsvereins, um dort Grußworte zu sprechen und Termine zu vereinbaren (BSG, Urt. v. 08.12.2022 - B 2 U 14/20 R).
Erkennbar ist eine recht weite Auslegung des Versicherungsschutzes. Zimmermann (jurisPR-SozR 11/2023 Anm. 4) bezweifelt, ob der kollegiale Austausch im „DRK-Fall“ ohne konkrete Betrachtung des Inhalts, nach dem Gesetzestext und Sinn und Zweck des Gesetzes für eine Hilfeleistungseinrichtung wesentlich ist. Peters-Lange (DGUV-Forum 6/2023, S. 38 f., 39) weist wegen der Selbstbestimmung des Aufgabenbereiches auf eine mögliche weite Ausdehnung des Versicherungsschutzes hin. Einen strengen Maßstab fordern deshalb auch Ricke/Kellner (in: BeckOGK, Stand: 15.11.2024, § 8 SGB VII Rn. 272). Zu Recht betont Köhler (SGb 2024, 643, 646), dass grundsätzlich nicht entscheidend ist, ob die zum Unfall führende Verrichtung zum Kernbereich der ehrenamtlichen Tätigkeit zählt, da der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a SGB VII nicht hierauf begrenzt ist. Es kommt also darauf an, ob die unfallbringende Tätigkeit dem „Unternehmen“ wesentlich dient. Insbesondere bei Fällen außerhalb des Kernbereichs ehrenamtlicher Tätigkeit sind Anlass, Inhalt und Zeitaufwand der ehrenamtlichen Tätigkeit präzise zu ermitteln (Zimmermann, jurisPR-SozR 11/2023 Anm. 4). Jedenfalls vermag allein die Handlungstendenz einer Person und ihre subjektive Vorstellung, dass sie ehrenamtlich tätig wird, keinen Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII zu bergründen. Deshalb bleibt es erforderlich, dass die ehrenamtliche Tätigkeit innerhalb eines bestimmten abgegrenzten Aufgabenkreises ausgeübt wird (vgl. Köhler, SGb 2024, 643, 647). Hierzu ist ein ausdrücklicher oder stillschweigender Übertragungsakt erforderlich.
Der hier besprochenen Entscheidung ist zuzustimmen. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass das Landessozialgericht den maßgeblichen Sachverhalt sorgfältig aufgeklärt hat. Zu beurteilen war ein Fall außerhalb des Kernbereichs der Tätigkeit einer Gemeinderätin. Hierzu würde die Teilnahme an den Gemeinderatssitzungen oder andere Verrichtungen zählen, die der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben der Gemeinde dienen. Außerhalb des Kernbereichs wäre ein Versicherungsschutz nur zu begründen, wenn eine entsprechende Aufgabenübertragung erfolgt ist. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Der an mehrere Mitlieder des Rats adressierte Appell des Bürgermeisters, an der Trauerfeier teilzunehmen, ist keine Aufgabenübertragung. Allein die subjektive Vorstellung, ehrenamtlich tätig zu werden, rechtfertigt keinen Versicherungsschutz.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung verdeutlicht die Grenzen des Versicherungsschutzes bei ehrenamtlichen Tätigkeiten (hier: für eine Gemeinde). Dieser Versicherungsschutz ist nicht auf den Kernbereich der ehrenamtlichen Tätigkeit beschränkt. Verrichtungen außerhalb dieses Kernbereichs sind aber nur dann versichert, wenn sie durch einen eigenständigen Annahmeakt der Körperschaft konkret dem Aufgabenkreis zugeordnet werden. Voraussetzung für einen solchen – ausdrücklichen oder stillschweigenden – Auftrag ist eine Zuordnung zum organisatorischen Verantwortungsbereich der Körperschaft innerhalb ihrer durch Gesetz oder Satzung zugewiesenen Aufgaben. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist in jedem Einzelfall sorgfältig zu ermitteln. Nachdem die Revision zugelassen wurde (Az.: B 2 U 12/24 R), wird das BSG abschließend entscheiden.



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