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Anmerkung zu:BGH 5. Zivilsenat, Urteil vom 15.03.2024 - V ZR 115/22
Autor:Martin Figatowski, RA
Erscheinungsdatum:08.07.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 117 BGB, § 125 BGB, § 894 BGB, § 1 SchwarzArbG 2004, § 311b BGB, § 23 EStG, § 370 AO 1977, § 71 AO 1977, § 235 AO 1977, § 263 StGB, § 3 GNotKG, § 34 GNotKG, § 134 BGB, § 138 BGB, § 116 AO 1977, § 258a StGB
Fundstelle:jurisPR-SteuerR 27/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D.
Prof. Dr. Franz Dötsch, Vors. RiBFH a.D.
Zitiervorschlag:Figatowski, jurisPR-SteuerR 27/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Grundstückskaufvertrag: Rechtsfolgen einer Schwarzgeldabrede



Leitsätze

1. Wird der Kaufpreis bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags in der Absicht, Steuern zu hinterziehen, niedriger angegeben als mündlich vereinbart (sog. Schwarzgeldabrede), ist der Vertrag in der Regel nicht nichtig. Anders liegt es nur, wenn die Steuerhinterziehungsabsicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist; dies ist jedoch regelmäßig nicht der Fall, wenn der Leistungsaustausch, d.h. die Verpflichtung des Verkäufers zur Übertragung des Grundstücks und die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises, ernstlich gewollt ist (Bestätigung von BGH, Urt. v. 17.12.1965 - V ZR 115/63 - NJW 1966, 588, 589 und BGH, Urt. v. 05.07.2002 - V ZR 229/01- NJW-RR 2002, 1527).
2. Die Erwägungen, die im Falle eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SchwarzArbG zur Nichtigkeit des Dienst- oder Werkvertrags führen, sind auf Schwarzgeldabreden im Rahmen von Grundstückskaufverträgen nicht übertragbar (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 01.08.2013 - VII ZR 6/13 - BGHZ 198, 141; BGH, Urt. v. 10.04.2014 - VII ZR 241/13 - BGHZ 201, 1; BGH, Urt. v. 11.06.2015 - VII ZR 216/14 - BGHZ 206, 69 und BGH, Urt. v. 16.03.2017 - VII ZR 197/16 - BGHZ 214, 228).



A.
Problemstellung
Gegenstand der Entscheidung durch den BGH waren die zivilrechtlichen Folgen einer Schwarzgeldabrede bei einem Grundstückskaufvertrag, bei dem die Beteiligten Grunderwerbsteuer verkürzen wollten.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Beklagte verkaufte der Klägerin mit notariellem Vertrag eine Wohnungs- und Teileigentumseinheit. In dem Vertrag erklärten die Parteien zugleich die Auflassung. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von 120.000 Euro beurkundet. Tatsächlich vereinbart war ein Preis von 150.000 Euro. Den nicht mitbeurkundeten Differenzbetrag von 30.000 Euro hatte die Klägerin dem Beklagten bereits vor dem Beurkundungstermin in bar gezahlt. Nach Zahlung des restlichen Kaufpreises von 120.000 Euro an den Beklagten wurde die Klägerin als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Nachdem der Beklagte gegenüber dem Finanzamt eine Selbstanzeige im Hinblick auf seine Mitwirkung bei der Verkürzung der Grunderwerbsteuer erstattet und das Finanzamt die Grunderwerbsteuer für den gesamten Kaufpreis festgesetzt hatte, führten die Parteien Gespräche über die Wirksamkeit des Kaufvertrags und dessen Rückabwicklung. Im Zuge dessen beantragte und bewilligte die Klägerin auf Verlangen und zugunsten des Beklagten die Eintragung eines Widerspruchs gegen ihre Eintragung als Eigentümerin in das Grundbuch. Der Beklagte überwies daraufhin einen Betrag i.H.v. 120.000 Euro auf das Treuhandkonto eines Notars, welcher den Betrag an die Klägerin auszahlte, obwohl der Beklagte noch nicht wieder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden war.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs. Nachdem der Beklagte erklärt hatte, dass der Notar ihm gegen Abtretung etwaiger Ansprüche gegenüber der Klägerin 120.000 Euro gezahlt habe, hat die Klägerin den Feststellungsantrag für erledigt erklärt. Das Landgericht hat den Kaufvertrag als nichtig angesehen und die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten verurteilt, der Löschung des Widerspruchs zuzustimmen. Im Übrigen hat es die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.
Der BGH entschied, dass das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, dass die Klägerin von dem Beklagten die Zustimmung nach § 894 BGB zur Löschung des Widerspruchs verlangen kann, weil sie rechtswirksam Eigentümerin geworden und das Grundbuch somit in Bezug auf den eingetragenen Widerspruch unrichtig ist.
I. Der Kaufvertrag ist nicht formunwirksam. Zwar war der beurkundete Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von 120.000 Euro nicht gewollt und als Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig, während der gewollte, lediglich mündlich geschlossene Vertrag mit einem Kaufpreis von 150.000 Euro gemäß den §§ 117 Abs. 2, 311b Abs. 1 Satz 1, 125 Satz 1 BGB zunächst formnichtig war. Der Formmangel wurde aber durch die in dem notariellen Vertrag erklärte Auflassung und die Eintragung der Klägerin in das Grundbuch gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt.
II. Die Schwarzgeldabrede führt aber nicht wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB unmittelbar zur Nichtigkeit des Kaufvertrages. Mangels abschließender Feststellungen des Berufungsgerichts, welchen genauen Zweck die Parteien mit der falschen Kaufpreisangabe in dem notariellen Kaufvertrag verfolgt haben, ist für die Revisionsinstanz zugunsten des Beklagten davon auszugehen, dass die Unterverbriefung dazu diente, den Finanzbehörden einen geringeren Kaufpreis vorzuspiegeln, um hierdurch Steuern zu hinterziehen.
III. Wird der Kaufpreis bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags in der Absicht, Steuern zu hinterziehen, niedriger angegeben als mündlich vereinbart (sog. Schwarzgeldabrede), ist der Vertrag in der Regel nicht nichtig. Anders liegt es nur, wenn die Steuerhinterziehungsabsicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist.
An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Berücksichtigung zwischenzeitlich ergangener Entscheidungen des VII. Zivilsenates des BGH zu Verstößen gegen das SchwarzArbG fest. Die Erwägungen, die im Falle eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SchwarzArbG zur Nichtigkeit des Dienst- oder Werkvertrags führen, sind auf Schwarzgeldabreden im Rahmen von Grundstückskaufverträgen nicht übertragbar, da das Ziel des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes die Bekämpfung von Schwarzarbeit ist.
Eine solche Abrede kann zwar, wenn sie mit der Absicht getroffen wird, Steuern zu hinterziehen, gegen § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verstoßen. Der Schutzzweck dieser Norm liegt aber nicht im Schutz anderer Kaufinteressenten, sondern allein in der Sicherung des staatlichen Steueraufkommens. Dieser Zweck erfordert es nicht, dem Grundstücksgeschäft selbst die Wirksamkeit zu versagen. Darin liegt ein entscheidender Unterschied zu Zweck und Zielrichtung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes.
IV. Aufgrund des wirksamen Eigentumsübergangs auf die Klägerin ist in der Folge die Eintragung des hiergegen gerichteten Widerspruchs zugunsten des Beklagten im Grundbuch materiell zu Unrecht erfolgt, so dass die Klägerin die Löschung des Widerspruchs entsprechend § 894 BGB von dem Beklagten verlangen kann.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Die zivilrechtliche Praxis unterscheidet bei den Konsequenzen einer Schwarzgeldabrede, ob diese im Rahmen eines Werkvertrags oder eines Grundstückskaufvertrags stattfindet. Bei Werkverträgen hat der BGH eine strenge Haltung eingenommen und festgestellt, dass eine „Ohne-Rechnung-Abrede“ gemäß den §§ 134, 138 BGB nichtig ist. Dies begründet der BGH durch das Ziel der Bekämpfung der Schwarzarbeit gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG. Dabei erstreckt sich die Nichtigkeit auf den gesamten Vertrag (BGH, Urt. v. 01.08.2013 - VII ZR 6/13 - BGHZ 198, 141; Anm. Geisler, jurisPR-BGHZivilR 17/2013 Anm. 1; Zepp, jurisPR-PrivBauR 1/2014 Anm. 5). Im Gegensatz dazu sind die rechtlichen Folgen einer Schwarzgeldabrede bei Grundstückskaufverträgen weniger schwerwiegend.
In der hier vorliegenden Entscheidung war der BGH der Ansicht, dass ein Grundstückskaufvertrag nicht automatisch nichtig ist, wenn der Kaufpreis zur Steuerhinterziehung niedriger angegeben wird als tatsächlich gezahlt. Eine Nichtigkeit nach § 134 BGB tritt nur ein, wenn die Steuerhinterziehungsabsicht der Hauptzweck des Vertrags ist. Der Vertrag bleibt gültig, sofern der Leistungsaustausch, nämlich die Übertragung des Grundstücks und die Zahlung des Kaufpreises, ernstlich gewollt ist. Der BGH begründet dies mit dem unterschiedlichen Schutzzweck der Gesetze: Während das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz auch den redlichen Wettbewerb schützt, zielt § 370 AO primär auf die Sicherung der Steuereinnahmen des Staates ab. Gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB kann die Formunwirksamkeit eines Grundstückskaufvertrags dann durch die Auflassung und Eintragung des Käufers im Grundbuch geheilt werden.
II. Steuerstrafrechtlich ist zu beachten, dass Schwarzgeldabreden im Hinblick auf die Grunderwerbsteuer regelmäßig eine gemeinschaftlich begangene Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO darstellen. Denn durch die Beurkundung eines niedrigeren als tatsächlich geschuldeten und vereinbarten Kaufpreises werden gegenüber dem Finanzamt über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben gemacht und dadurch Steuern verkürzt.
Auch bei der Einkommensteuer können sich steuerstrafrechtliche Folgen sowohl für den Verkäufer und den Käufer ergeben. Ist beim Verkäufer z.B. die steuerliche Spekulationsfrist nach § 23 EStG noch nicht abgelaufen oder liegt ein Fall des gewerblichen Grundstückshandels vor, führt die Schwarzgeldabrede dazu, dass der unzutreffende Veräußerungsgewinn zu einer zu niedrigeren Steuerfestsetzung führt.
Ferner macht sich ein Käufer, der im Rahmen von Grundstückskaufverträgen einen Teil des Verkaufspreises schwarz bezahlt, der Beihilfe zur Steuerhinterziehung der Einkommensteuer des Verkäufers nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO schuldig, wenn diese Einnahme nicht versteuert wird, auch wenn für den Käufer lediglich die Verkürzung der Grunderwerbsteuer von Interesse gewesen ist (vgl. FG Münster, Urt. v. 24.11.2010 - 8 K 4132/07). Zudem kommt eine steuerliche Haftung des Käufers nach § 71 AO für die Einkommensteuer und die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO des Verkäufers in Betracht.
Schließlich kommt sowohl für den Verkäufer als auch den Käufer eine Strafbarkeit wegen Betrugs nach § 263 StGB zulasten des Notars in Betracht. Denn die Gebühren des Notars werden nach dem vereinbarten Kaufpreis berechnet (§§ 3, 34 GNotKG).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des BGH unterstreicht erneut, dass Schwarzgeldabreden nicht nur zivilrechtliche, sondern insbesondere steuer-, straf- und steuerstrafrechtliche Konsequenzen für den Verkäufer und Käufer haben können. Während der BGH bei Grundstückskaufverträgen eine differenziertere Betrachtung vornimmt und die Nichtigkeit des Vertrags nicht automatisch annimmt, führen Schwarzgeldabreden bei einem Dienst- oder Werkvertrag stets zu einer Nichtigkeit des Vertrags nach den §§ 134, 138 BGB


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Aufgrund der vorherigen Selbstanzeige war nicht Gegenstand der Entscheidung die Mitteilungspflicht von Gerichten nach § 116 AO. Nach § 116 AO besteht die Pflicht, dienstlich bekannt gewordene Tatsachen, die auf eine Steuerstraftat hinweisen, u.a. an die zuständige Finanzbehörde zu melden. Der § 116 AO erfasst damit bisher unbekannte und unentdeckte Steuerfälle, unabhängig davon, ob das Verhalten gegen gesetzliche Verbote oder gute Sitten verstößt.
Wenn in einem Zivilprozess bekannt wird, dass der tatsächlich gezahlte Kaufpreis für ein Grundstück höher ist als der im notariellen Vertrag beurkundete Kaufpreis, ist das Gericht demzufolge verpflichtet, dies an das zuständige Finanzamt zu melden. Wird diese Mitteilungspflicht vorsätzlich missachtet, dürfte dies eine Strafvereitelung im Amt nach § 258a StGB begründen.



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