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Anmerkung zu:BGH 6. Zivilsenat, Beschluss vom 30.07.2024 - VI ZR 122/23
Autor:Thomas Neumair, RA, FA für Arbeitsrecht und FA für Verkehrsrecht, Dipl.-Verwaltungswirt (FH)
Erscheinungsdatum:15.01.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 522 ZPO, § 544 ZPO, Art 103 GG, § 7 StVG, § 373 ZPO, § 397 ZPO, § 402 ZPO, § 411 ZPO, § 287 ZPO
Fundstelle:jurisPR-VerkR 1/2025 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Klaus Schneider, RA, FA für Verkehrsrecht, FA für Versicherungsrecht und Notar
Zitiervorschlag:Neumair, jurisPR-VerkR 1/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Darlegungsanforderungen bei kompatiblen und inkompatiblen Schäden aufgrund einer Bewertung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen



Leitsatz

Dem Geschädigten wird durch § 287 ZPO nicht nur die Beweisführung, sondern bereits die Darlegung erleichtert. Er muss zur substantiierten Darlegung des mit der Klage geltend gemachten Schadens weder ein Privatgutachten vorlegen, noch ein vorgelegtes Privatgutachten dem Ergebnis der Beweisaufnahme oder der gerichtlichen Überzeugungsbildung entsprechend ergänzen. Der Geschädigte kann durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen aufklären lassen, in welcher geringeren als von ihm ursprünglich geltend gemachten Höhe Reparaturkosten anfallen.



A.
Problemstellung
Die Thematik von vor dem Unfallereignis schon bestehenden oder danach hinzugekommenen Beschädigungen eines Kraftfahrzeugs ist seit einigen Jahren ein „Dauerbrenner“ nicht nur in der Rechtsprechung der Zivilgerichte, sondern auch in der täglichen Regulierungspraxis von Verkehrsunfällen für Rechtsanwälte und die Haftpflichtversicherer. Der Themenbereich hat mittlerweile eine umfangreiche Judikatur hervorgebracht, bei der die vorliegende Entscheidung des BGH noch einmal aufzeigt, dass auch bei vorbestehenden Beschädigungen der Schadensersatzanspruch noch nicht gänzlich verloren sein muss. Es kommt dann aber vor allem auf eine korrekte Nutzung der vorhandenen prozessualen Möglichkeiten an.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger nahm die Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Anspruch. Er fuhr mit einem Mercedes-Benz E63 AMG, der kurz vor dem Unfall auf ihn zugelassen worden war, auf einer Bundesstraße. Der Beklagte zu 1 war Halter eines bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Mercedes-Benz Sprinter. Der Kläger behauptete, auf der Höhe einer wegen einer Baustelle verkürzten Auffahrt habe der Fahrer des Mercedes-Benz Sprinter beim Wechsel von der Einfädelspur auf die rechte Fahrspur nicht auf sein Fahrzeug geachtet, weshalb es zu einer seitlichen Kollision gekommen sei.
Das Landgericht hatte nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendete sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.
Der BGH hat den Zurückweisungsbeschluss gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Hierfür waren folgende Erwägungen maßgebend: Das Berufungsgericht habe im Hinweisbeschluss ausgeführt, die geltend gemachten Fahrzeugschäden können nicht bei dem vom Kläger geschilderten Unfallgeschehen entstanden sein. Die Richtigkeit der Angaben des erstinstanzlich vernommenen Zeugen zum Zustand des Klägerfahrzeugs vor Fahrtantritt vorausgesetzt, können die nicht kompatiblen Schäden im Nachhinein hinzugekommen sein. Es stehe die ernsthafte Möglichkeit einer Manipulation im Raum. Dieser Verdacht werde gestützt durch die in keiner Weise nachvollziehbare Verweigerung der von der Beklagten zu 2 erbetenen Besichtigung des beschädigten Fahrzeugs vor dessen Verkauf durch den Kläger. Wenn der Kläger meine, bestimmte abgrenzbare Schäden (Türaußengriff, Beifahrertür, rechter Außenspiegel, Scheinwerfer, rechte Seitenwand) seien auch nach den Feststellungen des Sachverständigen auf das Unfallereignis zurückzuführen, ändere dies nichts. Es sei Sache des Klägers darzulegen, dass und in welchem Umfang ein Vermögensnachteil entstanden sei. Dies erfordere bei einem Vorschaden die Darlegung eines bestimmten, näher abgrenzbaren Teils des Schadens. Daran fehle es hier. Der Kläger habe nicht dargelegt, welche der Schäden an den von ihm nun benannten Fahrzeugteilen durch die Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug entstanden seien und welche nicht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen finden sich etwa an der rechten Seitenwand Spurenzeichnungen, die durch die Streifkollision mit dem Mercedes-Benz Sprinter verursacht worden sein können, aber auch ein Spurenbild, welches wegen des Richtungsverlaufs nicht zu dem geschilderten Unfallhergang passe. Abgesehen davon habe der Kläger auch nicht dargelegt, welche der zahlreichen, im vorgerichtlichen Schadensgutachten enthaltenen Positionen (Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung der Schäden, deren Kompatibilität vom Sachverständigen festgestellt worden sei, erforderlich seien. Es sei jedoch Sache des Klägers, auch insoweit eine nachvollziehbare Abgrenzung vorzunehmen.
Aus Sicht des BGH hatte das Berufungsgericht mit diesen Ausführungen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichte das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergehe, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebiete Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstoße gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze finde. Das sei unter anderem dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruhe, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt habe.
Das Berufungsgericht habe im Zurückweisungsbeschluss darauf abgestellt, dass der Kläger nicht dargelegt habe, welche der behaupteten Schäden des Mercedes-Benz E63 AMG durch die Kollision mit dem Mercedes-Benz Sprinter entstanden seien und welche nicht. Er habe auch nicht dargelegt, welche der in dem von ihm vorgelegten Schadensgutachten enthaltenen Positionen (Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung der Schäden, deren Kompatibilität vom Sachverständigen festgestellt worden sei, erforderlich seien. Es sei Sache des Klägers, auch insoweit eine nachvollziehbare Abgrenzung vorzunehmen. Diese Ansicht war aus Sicht des VI. Senats rechtsfehlerhaft. Denn es seien schon keine weiteren Darlegungen des Klägers zur Abgrenzung der Beschädigungen erforderlich gewesen, weil der gerichtlich bestellte Sachverständige Ausführungen dazu gemacht hatte, welche Beschädigungen durch die vom Kläger behauptete Kollision verursacht worden sein könnten. Danach sei die Abgrenzung oder Abgrenzbarkeit aber keine Frage der Darlegung mehr gewesen, sondern wäre ggf. ein Gesichtspunkt der Beweiserhebung und richterlichen Überzeugungsbildung, ob der Kläger den ihm obliegenden Beweis zumindest teilweise geführt hatte, gewesen. Im Übrigen habe der Kläger aber ohnehin konkret dargelegt, welche der ursprünglich mit der Klage geltend gemachten Beschädigungen durch den Unfall verursacht worden sein sollen. Er habe in seiner Stellungnahme zum Hinweisbeschluss unter Bezugnahme auf die Erläuterung des Sachverständigen ausgeführt, über die bloße Unfallkompatibilität hinausgehend sei nachgewiesen, dass bestimmte abgrenzbare Beschädigungen durch das Unfallereignis verursacht worden seien. Der Sachverständige habe die Schäden am Türaußengriff, an der Beifahrertür und am rechten Außenspiegel zuordnen können sowie ausgeführt, dass es zu einem Reifenkontakt des Klägerfahrzeugs mit der B-Säule des Beklagtenfahrzeugs gekommen sein könne, dass die breite Kunststoffleiste des Beklagtenfahrzeugs mit den Beschädigungen an den Scheinwerfern des Klägerfahrzeugs in Verbindung gebracht werden könne und dass eine Berührung mit der hinteren rechten Seitenwand nicht ausgeschlossen werden könne. Es war nach Ansicht des BGH nicht ersichtlich, was der Kläger zur Abgrenzung der Beschädigungen hätte weiter sachdienlich darlegen oder ausführen können.
Auch in der weiteren Erwägung, der Kläger habe nicht dargelegt, welche der in dem von ihm vorgelegten Schadensgutachten enthaltenen Positionen (Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung der Schäden des Mercedes-Benz E63 AMG, deren Kompatibilität vom Sachverständigen festgestellt worden sei, erforderlich seien, und es sei Sache des Klägers, auch insoweit eine nachvollziehbare Abgrenzung vorzunehmen, sah der BGH eine Überspannung der Darlegungsanforderungen. Denn es entspreche ständiger Rechtsprechung des VI. Senats, dass dem Geschädigten durch § 287 ZPO nicht nur die Beweisführung, sondern bereits die Darlegung erleichtert werde. Aufgrund dessen müsse der Geschädigte zur substanziierten Darlegung des mit der Klage geltend gemachten Schadens weder ein Privatgutachten vorlegen noch ein vorgelegtes Privatgutachten dem Ergebnis der Beweisaufnahme oder der gerichtlichen Überzeugungsbildung entsprechend ergänzen. Der Geschädigte könne vielmehr in prozessual zulässiger Weise durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen aufklären lassen, in welcher geringeren als von ihm ursprünglich geltend gemachten Höhe Reparaturkosten anfallen.
Da die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör entscheidungserheblich war, hat der BGH zurückverwiesen. Denn das Berufungsgericht habe auch die Möglichkeit einer Manipulation bislang nur ernsthaft angenommen, sich davon aber nicht überzeugt (vgl. BGH, Urt. v. 01.10.2019 - VI ZR 164/18). Es konnte daher nicht sicher ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen werde, der geltend gemachte Anspruch bestehe zumindest teilweise.


C.
Kontext der Entscheidung
Ist der unfallbedingt eingetretene Schaden nicht die einzige Beschädigung am Fahrzeug, führt dies regelmäßig für den Geschädigten zu erheblichen Problemen. Unterschieden wird hierbei zwischen dem Vorschaden (also einer vor dem Unfallgeschehen reparierten Beschädigung), dem Altschaden (eine vor dem Unfallgeschehen unreparierte Beschädigung) und dem Nachschaden (eine Beschädigung, die nach dem Unfallereignis zusätzlich eingetreten ist). Zunächst gilt hierbei der Grundsatz, dass es nach allgemeinen Regeln Aufgabe des Klägers ist, die Voraussetzungen eines Haftungstatbestandes, bei Verkehrsunfällen also das Entstehen und den Umfang eines Sachschadens i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG, darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.1977 - VI ZR 206/75). Wenn der Beklagte den Umfang oder die Höhe eines Schadens mit der Begründung bestreitet, der Gegenstand sei bereits durch ein früheres Ereignis beeinträchtigt worden, verbleibt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich beim Kläger (vgl. BGH, Urt. v. 09.06.1992 - VI ZR 215/91). Dem Geschädigten kommt dabei zwar insoweit § 287 ZPO zugute (vgl. BGH, Urt. v. 27.03.1990 - VI ZR 115/89), der dem Geschädigten nicht nur die Beweisführung, sondern auch die Darlegung erleichtert (vgl. BGH, Urt. v. 18.02.1992 - VI ZR 367/90). Aber auch für die Schadensschätzung nach dieser Vorschrift benötigt der Tatrichter greifbare Tatsachen, die der Geschädigte im Regelfall im Einzelnen darlegen und beweisen muss. Eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in der Form der Schätzung eines „Mindestschadens“, lässt § 287 ZPO grundsätzlich nicht zu (BGH, Beschl. v. 15.10.2019 - VI ZR 377/18 Rn. 8). Der Geschädigte darf sich an einem Schadensfall nicht bereichern und muss deshalb bei vorherigen Schadensereignissen darlegen, dass er diese sach- und fachgerecht repariert hat, sodass er nicht das aktuelle Schadensereignis nutzen kann, um einen älteren Schaden zu beseitigen. Sein Ersatzanspruch erstreckt sich lediglich auf den Ersatz derjenigen Kosten, die zur Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes erforderlich sind (vgl. OLG Celle, Urt. v. 01.03.2023 - 14 U 149/22 Rn. 25).
Für die Fallgruppe der Vor- und Altschäden ist dabei von Bedeutung, dass der Geschädigte nicht grundsätzlich gehindert ist, zum Zustand des Fahrzeuges Zeugenbeweis anzubieten. Denn soweit der Geschädigte behauptet, von einem eventuellen Vorschaden selbst keine Kenntnis und die beschädigte Sache in unbeschädigtem Zustand erworben zu haben, kann es ihm nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die er kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Er ist deshalb grundsätzlich nicht gehindert, eine von ihm nur vermutete fachgerechte Reparatur des Vorschadens zu behaupten und unter Zeugenbeweis zu stellen. Darin kann weder eine Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht noch ein unzulässiger Ausforschungsbeweis gesehen werden (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.1988 - IVa ZR 67/87; BGH, Urt. v. 10.01.1995 - VI ZR 31/94). Nach § 373 ZPO hat die Partei, welche die Vernehmung eines Zeugen beantragen will, den Zeugen zu benennen und die Tatsachen zu bezeichnen, über die dieser vernommen werden soll. Dagegen verlangt das Gesetz aber nicht, dass der Beweisführer sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptung habe. Wie weit eine Partei ihren Sachvortrag substanziieren muss, hängt von ihrem Kenntnisstand ab. Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt. Bei der Annahme von Willkür ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur für das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt sein können (vgl. BGH, Beschl. v. 15.10.2019 - VI ZR 377/18 Rn. 9 f.).
Macht ein gerichtlich bestellter Sachverständiger – wie hier – in seinem schriftlichen Gutachten Ausführungen zu den sog. kompatiblen Beschädigungen, kann der Geschädigte dies auch mittels einer Anhörung des Sachverständigen weiter vertiefen und erörtern. Nach ständiger Rechtsprechung hat die Partei zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach den §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann. Dieses Antragsrecht besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO. Dieser Pflicht zur Anhörung des Sachverständigen ist der Tatrichter nur ausnahmsweise dann enthoben, wenn der Antrag auf Anhörung verspätet oder rechtsmissbräuchlich gestellt worden ist. Letzteres ist dann nicht der Fall, wenn die Partei – wie in § 411 Abs. 4 ZPO vorgesehen – konkret vorgetragen hat, worin sie Unklarheiten und Erläuterungsbedarf im Hinblick auf das schriftliche Sachverständigengutachten sieht und in welcher Richtung sie ihr Fragerecht ausüben will (vgl. BGH, Beschl. v. 10.07.2018 - VI ZR 580/15 Rn. 8 f.). Für die Ersatzfähigkeit eines mit dem späteren Schadensereignis kompatiblen Schadens ist es wegen § 287 ZPO zudem ausreichend, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass dieser Schaden bereits durch das Vorschadensereignis entstanden ist (vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 01.10.2024 - 3 W 7/24 Rn. 16).
Handelt es sich um einen sog. Bagatellschaden, der allein das äußerliche Erscheinungsbild des Fahrzeugs beeinflusst (Kratzer, kleine Dellen), und ist unstreitig, dass keine dahinterliegenden Fahrzeugteile betroffen sind, kann das Gericht zudem unter Berücksichtigung des § 287 ZPO im Rahmen einer Beweisaufnahme selbst feststellen, ob der Schaden sach- und fachgerecht beseitigt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn der Schaden nicht mehr sichtbar ist (vgl. OLG Celle, Urt. v. 01.03.2023 - 14 U 149/22 Rn. 27). Die Annahme eines deckungsgleichen und infolgedessen eine Ersatzfähigkeit ausschließenden Vorschadens scheidet außerdem aus, wenn es sich bei dem Vorschaden um eine normale und im Übrigen bloße optische Gebrauchsspur ohne jede Auswirkung auf die Funktionalität handelt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 28.06.2022 - I-7 U 45/21).
Diese Rechtsprechungsbeispiele zeigen, dass die Judikatur zu diesem Bereich mittlerweile recht umfangreich ist und in einer Vielzahl von Verkehrsunfällen mittlerweile eine Rolle spielt.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Haftpflichtversicherer haben die Thematik der Vor- und Nachschäden an Fahrzeugen aufgrund der gravierenden Auswirkungen auf den Schadensersatzanspruch (gelingt dem Geschädigten die Darstellung nicht in der von der Rechtsprechung geforderten Weise, kann der Schadensersatzanspruch komplett entfallen) und den damit verbundenen finanziellen Anreizen derzeit stark im Fokus. Nicht nur das von der informa HIS GmbH betriebene Datenbanksystem, in dem fiktiv abgerechnete Verkehrsunfallschäden gemeldet und eingetragen werden, wird standardmäßig abgerufen, sondern auch beim Geschädigten nach entsprechenden Vorschäden des Fahrzeuges unter Hinweis auf die bestehenden Darlegungsanforderungen nachgefragt. Insofern ist für den rechtlichen Berater eine Kenntnis dieser Anforderungen unerlässlich, um im Rahmen der Geltendmachung der Schadensansprüche hierauf richtig reagieren zu können.



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