„Schwarzer Freitag“ für die Schutzrechtsverwarnung? („Verwarnung aus Kennzeichenrecht III“)Leitsätze 1. Die Grundsätze, nach denen die unberechtigte Verwarnung aus einem Kennzeichenrecht unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten kann, gelten nicht nur für Verwarnungen, die der Inhaber einer für Waren geschützten Marke gegenüber dem Hersteller von Waren oder seinen Abnehmern mit der Behauptung ausspricht, deren Benutzung eines Zeichens in Bezug auf die von ihnen hergestellten oder vertriebenen Waren verletzten sein Markenrecht, sondern auch für Verwarnungen, die der Inhaber einer für Dienstleistungen geschützten Marke gegenüber dem Anbieter von Dienstleistungen mit der Behauptung ausspricht, dessen Benutzung eines Zeichens in Bezug auf die von ihm angebotene oder erbrachte Dienstleistung verletze sein Markenrecht. Sie gelten grundsätzlich auch für Verwarnungen, die der Inhaber einer solchen Marke gegenüber denjenigen ausspricht, die diese Dienstleistungen als Kunden in Anspruch nehmen. 2. Für die Annahme eines ernsthaften und endgültigen Verlangens, eine als Schutzrechtsverletzung beanstandete Handlung künftig nicht mehr vorzunehmen, ist es nicht stets erforderlich, dass der Schutzrechtsinhaber unter Fristsetzung die Abgabe einer Unterlassungserklärung verlangt. Es ist vielmehr aufgrund einer Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob es sich bei der jeweils in Rede stehenden Geltendmachung des Schutzrechts durch den Schutzrechtsinhaber um ein ernsthaftes und endgültiges Verlangen handelt. 3. Für Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung gilt die kurze Verjährungsfrist des § 11 UWG und nicht die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB, wenn das Verhalten des Verwarnenden zugleich einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch wegen unlauterer gezielter Mitbewerberbehinderung begründet. - A.
Problemstellung Der Anbieter des Online-Verkaufsportals „black-friday.de“ hat sich gegen eine Reihe (potenzieller) Verwarnungen gewehrt, die auf der Wortmarke „Black Friday“ basierten und u.a. gegen die Nutzer des Portals gerichtet waren. Die Marke „Black Friday“ war im Nachhinein für Waren aus dem Elektro- und Elektronikbereich sowie diesbezügliche Handelsleistungen und ferner für Werbeleistungen als freihaltebedürftig rückwirkend gelöscht worden. Der verbleibende Rest der Marke, insbesondere für Handelsleistungen für zahlreiche andere Waren, wurde wegen Nichtbenutzung gelöscht. Die Begründetheit der Abwehransprüche des Portalanbieters war aus unterschiedlichen Gründen fraglich und gab dem BGH Gelegenheit zur Klarstellung einer Reihe von Fragen im Zusammenhang mit dem Institut der unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Gegenstand der Unterlassungsklage (samt Annexansprüchen) des Portalanbieters waren zahlreiche unterschiedliche Schreiben der Markeninhaberin bzw. ihrer Lizenznehmer. Diese Schreiben lassen sich in vier Gruppen kategorisieren, bei denen unterschiedliche Fragen relevant waren. Die Schreiben, mit denen die Markeninhaberin auf Sperrung der Facebook- und Twitter-Seiten des Portalanbieters sowie auf Löschung seiner Google- und Apple-Apps wegen angeblicher Markenverletzung beim jeweiligen Unternehmen beantragt hatte, wurden vom BGH bereits nicht als Schutzrechtsverwarnung eingeordnet. Der BGH konnte darin weder den gerade gegen die Adressaten (Facebook & Co.) gerichteten Vorwurf einer Markenverletzung (Rn. 53) noch ein ernsthaftes Unterlassungsbegehren sehen (Rn. 55). Noch am nächsten an einer „klassischen“ Abmahnung lagen die Schreiben, mit denen die Verwendung der Bezeichnung „Black Friday“ für das Portal und die diesbezüglichen Leistungen des Anbieters als Markenverletzung gerügt wurden. Konkret angeschrieben wurden die Händler und deren Verlinkung auf dieses Portal als Teilnahme an der Markenverletzung des Anbieters beanstandet. Diese Abmahnungen hat der BGH als unberechtigt erkannt, da die Marke gerade für diese mit dem Portal erbrachten Leistungen rückwirkend gelöscht worden war (Rn. 65). Auch das für die Annexansprüche erforderliche Verschulden entfalle nicht dadurch, dass die rückwirkende Löschung erst nach der Abmahnung erfolgt sei, da es jedenfalls greifbare Anhaltspunkte für eine Löschung gab (Rn. 80-87). Mit einer Reihe von ferner beanstandeten Schreiben war der Vorwurf der Markenverletzung gegenüber Kunden erhoben worden, weil diese das Portal nutzten und damit die Leistungen des Portalbetreibers in Anspruch nahmen. Zunächst stellt der BGH klar, dass die Grundsätze bezüglich der Abwehransprüche gegen unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen auch in solchen Fällen eingreifen, in denen die Inanspruchnahme einer Dienstleistung als Verletzung beanstandet wird (Rn. 25). Dabei konstatiert der BGH, dass gerade solche Verwarnungen häufig unbegründet seien, da die Inanspruchnahme einer Dienstleistung typischerweise schon gar keine Benutzung der Marke darstelle (Rn. 25). Gleichwohl (und ggf. gerade deswegen) entlässt der BGH denjenigen, der gegen solche Handlungen eine Verwarnung ausspricht, nicht aus der Haftung für die Folgen einer unberechtigten Verwarnung. Auch bei den konkreten Verwarnungen fehlte es an einer Benutzung der Bezeichnung durch den Portalnutzer und damit an der Berechtigung der Verwarnungen (Rn. 64, Rn. 66). Streitig war diesbezüglich allerdings auch bereits, ob die Schreiben den Anforderungen an eine Schutzrechtsverwarnung genügen. In diesen Schreiben wurde nämlich zum einen von dem Lizenznehmer gar kein eigenes Vorgehen angedroht, sondern ein Vorgehen seitens der Markeninhaberin; diesen Unterschied erklärte der BGH für die Frage der Ernsthaftigkeit für irrelevant, selbst wenn offen sei, ob der Lizenznehmer überhaupt Einfluss auf das angedrohte Vorgehen der Markeninhaberin habe (Rn. 50). Zudem wurde in den – eher zurückhaltend formulierten – Schreiben keine Unterlassungserklärung gefordert. Das Berufungsgericht hatte in diesen Schreiben gleichwohl ernsthafte Unterlassungsverlangen gesehen und dazu den Inhalt der Schreiben im Rahmen einer Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls ausgelegt (Rn. 43 f.), worin der BGH keine Rechtsfehler sieht (Rn. 47). Gleichwohl stellt der BGH klar, dass es im Ansatz auch gegen die Ernsthaftigkeit eines Unterlassungsverlangens sprechen könne, wenn im Fall einer angeblich begangenen Schutzrechtsverletzung keine Unterlassungserklärung gefordert werde (Rn. 46). Die vierte Gruppe von Abmahnungen richtete sich gegen Kunden, die die Bezeichnung „Black Friday“ in ihrer eigenen Werbung verwendeten. Dabei blieb im Verfahren allerdings unklar, in welcher konkreten Weise und für welche Waren oder Dienstleistungen die Bezeichnung genutzt worden sein sollte. Insbesondere stand nicht fest, dass eine Benutzung der Bezeichnung auch für die rückwirkend gelöschten Waren und Dienstleistungen vorgeworfen worden war (Rn. 70) – was insoweit zur mangelnden Berechtigung geführt hätte. Die Verfallslöschung wegen Nichtbenutzung für die übrigen Dienstleistungen wirkte hingegen nicht auf den Zeitpunkt der Abmahnungen zurück, konnte deren Berechtigung somit nicht beeinflussen (Rn. 71). Ebenso wenig hatte das Berufungsgericht die Umstände festgestellt, auf deren Basis die angegriffene Benutzung als rein beschreibend und damit nicht als herkunftshinweisend hätte beurteilt werden können (Rn. 69). Gegen sämtliche Ansprüche war die Einrede der Verjährung erhoben worden. Dabei stellte sich die Frage, ob die kurze 6-monatige Verjährungsfrist des § 11 UWG oder aber die Regelverjährung gemäß den §§ 195, 199 BGB gilt. Hintergrund ist der Umstand, dass die Abwehransprüche gegen unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen ihre Rechtsgrundlage einerseits in den §§ 823, 1004 BGB finden, aber auch in § 4 Nr. 4 UWG (unlautere Behinderung), soweit die weiteren wettbewerbsrechtlichen Voraussetzungen – insbesondere die Mitbewerbereigenschaft – vorliegen. Diese Streitfrage hat der BGH dahin entschieden, dass die kurze lauterkeitsrechtliche Verjährung des § 11 UWG vorrangig ist, sofern (auch) ein wettbewerbsrechtlicher Anspruch vorliegt (Rn. 110).
- C.
Kontext der Entscheidung Die Einordnung der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung als zivilrechtliches Delikt wurde durch eine Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen entwickelt und fortlaufend konkretisiert (BGH, Beschl. v. 15.07.2005 - GSZ 1/04 Rn. 15 - BGHZ 164, 1 = GRUR 2005, 882 „Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung I“; BGH, Versäuminsurt. v. 01.12.2015 - X ZR 170/12 Rn. 15 - BGHZ 208, 119 = GRUR 2016, 630 „Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II“; BGH, Urt. v. 07.07.2020 - X ZR 42/17 Rn. 17 - GRUR 2020, 1116 = WRP 2020, 1330 „Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III“). Zentrale Grundlage für die Gewährung von Ansprüchen gegen unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen ist dabei die Erforderlichkeit solcher Gegenansprüche zur Gewährleistung der Wettbewerbsfreiheit: Wer unberechtigt Unterlassung aus Schutzrechten beansprucht und Vorteile daraus ziehen würde, wenn der Verwarnte sich davon fälschlich beeindrucken lässt, muss auch für den verursachten Schaden verantwortlich gemacht werden können. Diese Verantwortlichkeit unterstreicht das Urteil in mehrfacher Hinsicht. Weder durch den Verzicht auf die Forderung einer Unterlassungserklärung noch durch die Beschränkung auf die Androhung eines Vorgehens von Dritten können Schutzrechtsinhaber sich ihrer Verantwortlichkeit sicher entziehen. Insbesondere der Versuch, solche Handlungen aus dem Schutzrecht anzugreifen, die schon ihrer Natur nach nicht in Schutzrechte eingreifen, wird zu Recht als unberechtigte Schutzrechtsverwarnung angesehen.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Grundsätzliche Bedeutung für die Praxis hat die Entscheidung des Meinungsstreits zur Verjährung. Der für die vorrangige kurze Verjährung erforderliche wettbewerbsrechtliche Anspruch erfordert in aller Regel nur ein Wettbewerbsverhältnis, wofür der Schutzrechtsinhaber nicht einmal selbst konkurrierende Produkte anbieten muss, sondern die Lizenzerteilung an Dritte genügt. Gerade im Kennzeichenrecht spielt die Benutzung für Rechtsbegründung und Rechtserhalt eine zentrale Rolle und wird die Markenanmeldung als solche als Indiz für einen gewissen Benutzungswillen (zumindest in Form der Lizenzierung) verstanden. Damit scheint ein Wettbewerbsverhältnis zum Verwarnten im Kennzeichenrecht quasi unumgänglich. Bei anderen Schutzrechten könnte hingegen ohne konkrete Nutzungsindizien oder Anhaltspunkte für Lizenzbereitschaft die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses eher fraglich sein. Hinsichtlich der für eine Schutzrechtsverletzung erforderlichen Merkmale „Vorwurf einer Schutzrechtsverletzung“ und „ernsthaftes Unterlassungsverlangen“ enthält die Entscheidung wichtige Leitlinien und Abgrenzungskriterien. Insbesondere wird weiterhin die Berechtigungsanfrage als Maßnahme anerkannt, die (im Falle z.B. eines später gelöschten Schutzrechts) nicht die strengen Folgen der Schutzrechtsverwarnung auslöst. Damit wird es in der Praxis auch weiterhin den Versuch der Gratwanderung geben, einerseits Mitbewerber auf Basis eines Schutzrechts mit einer rechtlich zweifelhaften Position zu konfrontieren, um deren Angebot einzuschränken, andererseits dafür nicht haften zu müssen. Das Urteil macht dabei deutlich, dass die Rechtsprechung dafür keine Art Bauanleitung liefern wird, sondern die „anfragenden“ Schutzrechtsinhaber gut darin beraten sind, sehr deutlich unterhalb der Schutzrechtsverwarnung zu bleiben und Versuchen widerstehen sollten, dabei doch relevanten Druck auf den Adressaten auszuüben.
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