Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Schuldnerin schuldet dem Gläubiger insgesamt 31.521,84 Euro. Der Gläubiger versucht seit Jahren vergeblich, seine Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Die Schuldnerin ist Eigentümerin eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks. Sie wohnt in einer der Wohnungen. Das Grundstück ist mit Grundpfandrechten in Höhe von insgesamt 426.149,38 Euro belastet. Auch der Gläubiger ließ mehrfach Zwangssicherungshypotheken zur Sicherung seiner Forderungen eintragen. Die Belastungen schöpfen den Wert des Grundstücks nicht aus. Im Zwangsversteigerungsverfahren wurde der Verkehrswert des Grundstücks auf 810.000 Euro festgesetzt.
Am 02.02.2010 wurde (auch) auf Antrag des Gläubigers die Zwangsversteigerung des Grundstücks angeordnet. Das Zwangsversteigerungsverfahren wurde im Jahre 2015 wegen fachärztlich bestätigter Suizidalität der Schuldnerin eingestellt. Nach Angaben ihrer Verfahrensbevollmächtigten ist die Schuldnerin seither zudem auch an Krebs erkrankt.
Der Gläubiger hat am 19.07.2018 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Die anwaltlich vertretene Schuldnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat darauf verwiesen, dass die Forderungen des Gläubigers vollständig dinglich gesichert seien. Mit Beschluss vom 28.06.2019 hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den weiteren Beteiligten zu 2) zum Insolvenzverwalter bestellt. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin weiterhin die Abweisung des Eröffnungsantrags erreichen.
Der BGH lässt die Schuldnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde nicht durchdringen.
Die Ausführungen des Beschwerdegerichts seien zutreffend. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setze voraus, dass ein Eröffnungsgrund vorliege (§ 16 InsO). Das sei hier der Fall. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig (vgl. § 17 Abs. 1 InsO). Zahlungsunfähig sei ein Schuldner, wenn er nicht in der Lage sei, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die Schuldnerin könne den dem Gläubiger geschuldeten Betrag von gut 30.000 Euro nicht innerhalb von drei Wochen aufbringen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 24.05.2005 - IX ZR 123/04 - BGHZ 163, 134, 139). Sie habe überdies weitere Verbindlichkeiten in sechsstelliger Höhe, unter anderem gegenüber derjenigen Gläubigerin, auf deren Antrag hin die Zwangsverwaltung des Grundstücks angeordnet worden sei und welche die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens beantragt hat. Diese Verbindlichkeiten könne sie ebenfalls nicht innerhalb von drei Wochen begleichen.
Das Insolvenzverfahren werde nur auf Antrag eröffnet (§ 13 InsO). Der Antrag eines Gläubigers sei zulässig, wenn der Gläubiger seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft mache und zudem ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe (§ 14 Abs. 1 InsO). Ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist in der Regel zu bejahen, wenn dem antragstellenden Gläubiger eine Forderung gegen den Schuldner zustehe und ein Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht werde (BGH, Beschl. v. 05.05.2011 - IX ZB 250/10 Rn. 6 - NZI 2011, 632). Es fehle, wenn dem antragstellenden Gläubiger ein einfacherer, schnellerer und günstigerer Weg zur vollständigen Befriedigung seiner Forderung zur Verfügung stehe (Vuia in: MünchKomm InsO, 4. Aufl., § 14 Rn. 27; Sternal in: HK-InsO, 10. Aufl., § 14 Rn. 32). Das sei hier nicht der Fall. Insbesondere führe die Zwangsversteigerung des Grundstücks der Schuldnerin nicht einfacher, schneller und günstiger zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers.
Der Gläubiger habe seine Forderungen gegen die Schuldnerin allerdings durch Zwangssicherungshypotheken am Grundstück der Schuldnerin absichern lassen. Die Zwangssicherungshypotheken seien werthaltig. Im Beschluss vom 29.11.2007 (IX ZB 12/07 - WM 2008, 227; ebenso zuletzt BGH, Beschl. v. 23.06.2016 - IX ZB 18/15 Rn. 17 - WM 2016, 1461 m.w.N.) habe der Senat einen Insolvenzantrag in einem Fall für unzulässig gehalten, in welchem die Forderung des antragstellenden Gläubigers durch ein Grundpfandrecht vollständig abgesichert war.
Die dingliche Sicherung des Gläubigers allein lasse den Eröffnungsantrag aber noch nicht unzulässig werden. Vielmehr komme es darauf an, ob eine Befriedigung der Forderung des antragstellenden Gläubigers mit Sicherheit zu erwarten ist. Das ergebe sich – trotz des weiter gehenden Leitsatzes – bereits aus der Begründung des genannten Beschlusses vom 29.11.2007. Dort heißt es, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners verbessere die Rechtsstellung nicht, weil er gemäß § 49 InsO auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt sei. Das Insolvenzverfahren bringe ihm deshalb keine Vorteile mehr. Nur wegen einer Forderung, die auch ohne die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Sicherheit vollständig befriedigt werden könne, dürfe das Insolvenzverfahren nicht eröffnet werden (BGH, Beschl. v. 29.11.2007 - IX ZB 12/07 Rn. 11 f.).
In der Regel ermögliche eine werthaltige Sicherheit die Befriedigung des gesicherten Gläubigers in angemessener Frist. Im damaligen Fall gab es nach dem festgestellten Sachverhalt keinen Grund für die Annahme, dass eine Verwertung des belasteten Grundstücks nicht möglich war oder nicht zu einer alsbaldigen Befriedigung des Gläubigers führen würde. Auf diese komme es an. In einem späteren Beschluss (BGH, Beschl. v. 23.06.2016 - IX ZB 18/15 Rn. 20 - WM 2016, 1461) habe der Senat ein rechtliches Interesse eines dinglich gesicherten Gläubigers an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch deshalb bejaht, weil die Befriedigung des dinglich gesicherten Gläubigers durch eine Veräußerung des belasteten Grundstücks an eine Gesellschaft, deren Gesellschafter im außereuropäischen Ausland wohnten und an die keine wirksamen Zustellungen erfolgen konnten, erschwert worden sei.
Hier betreibe der Gläubiger seit vielen Jahren vergeblich die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Schuldnerin. Die Zwangsvollstreckung in deren einzigen bekannten Vermögensgegenstand, das Grundstück, habe bisher wegen der psychischen Erkrankung der Schuldnerin nicht zum Erfolg geführt. Daran werde sich in absehbarer Zeit nichts ändern. Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht beanstandeten Feststellungen des Beschwerdegerichts habe sich der gesundheitliche Zustand der Schuldnerin wegen einer Krebserkrankung noch verschlechtert. Dass es im Zwangsversteigerungsverfahren zu erneuten auf die Erkrankungen der Schuldnerin gestützten Schutzanträgen nach § 765a ZPO kommen könnte, stelle die Rechtsbeschwerde nicht in Abrede. Der Zeitablauf stünde dem Erfolg eines solchen Schutzantrags ebenso wenig entgegen wie die seit der Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens gezeigte Verweigerungshaltung der Schuldnerin (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 25.06.2020 - V ZB 90/17 Rn. 13 - NJW-RR 2020, 1141).
Im Insolvenzverfahren könne dem Schuldner bei Vollstreckungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters nach § 148 Abs. 2 InsO auf Antrag ebenfalls Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden, soweit dies zur Erhaltung von Leben und Gesundheit des Schuldners erforderlich sei (BGH, Beschl. v. 16.10.2008 - IX ZB 77/08 Rn. 17 ff., 21 - WM 2009, 124; BGH, Beschl. v. 12.03.2009 - V ZB 155/08 Rn. 6 - ZInsO 2009, 1029). Aber auch dieser Umstand lasse das Rechtsschutzinteresse des Gläubigers nicht entfallen. Kraft seiner aus § 80 InsO folgenden umfassenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis könne der weitere Beteiligte zu 2) die Aufteilung des Mehrfamilienhauses der Schuldnerin in Eigentumswohnungen betreiben und einzelne Wohnungen veräußern, ohne die Schuldnerin aus ihrer Wohnung zu verdrängen und sie so an Leib oder Leben zu gefährden.