1. Die Versagung der Fahrerlaubnis beruhte auf den nicht ausgeräumten Eignungszweifeln aufgrund des früheren regelmäßigen Cannabiskonsums im Jahr 2008. Da der Kläger seinerzeit der Forderung nach Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht nachgekommen war, wurde ihm im Jahr 2011 die Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde entzogen. Diesen bestandskräftigen Entzug nahm die Behörde im Jahr 2019 zum Anlass, vom Kläger die erneute Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens beim Antrag auf Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis zu fordern. Dazu war sie nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV verpflichtet („Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist … anzuordnen, wenn 1. die Fahrerlaubnis aus einem der in Absatz 1 genannten Gründe durch die Fahrerlaubnisbehörde oder ein Gericht entzogen war, …“). Der Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Fahreignung nach regelmäßigem Cannabiskonsum bestand fort. Der Beibringungsaufforderung ist der Kläger nicht nachgekommen, weshalb die Behörde zu Recht auf die Nichteignung des Fahrerlaubnisbewerbers schließen durfte (§ 11 Abs. 8 FeV).
2. Kernpunkt des Urteils ist, ob der regelmäßige Cannabiskonsum aus dem Jahr 2008 im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Fahrerlaubnis) noch verwertbar war. Denn gelöschte Eintragungen des Fahreignungsregisters dürfen nicht mehr zur Beurteilung der Fahreignung verwendet werden (§§ 29 Abs. 7 Satz 1, 28 Abs. 2 Nr. 1 StVG).
a) Die Verhängung einer Geldbuße und eines Fahrverbots im Rahmen der Ahndung einer Ordnungswidrigkeit durch das Amtsgericht am 22.10.2009 nach § 24a StVG (hier: Fahrt unter Wirkung von Cannabis) ist in das Fahreignungsregister (bis 30.04.2014: Verkehrszentralregister) einzutragen (§ 28 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a StVG). Die Tilgungsfrist für diese Eintragung beträgt fünf Jahre ab Rechtskraft der Bußgeldentscheidung (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 4 Nr. 3 StVG).
b) Der bestandskräftige Entzug der Fahrerlaubnis durch die Straßenverkehrsbehörde ist ebenfalls in das Fahreignungsregister einzutragen (§ 28 Abs. 3 Nr. 6 Buchst. b StVG). Die Tilgungsfrist für diese Eintragung beträgt aber zehn Jahre (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b StVG). Diese Frist beginnt fünf Jahre nach Rechtskraft der Entzugsentscheidung (§ 29 Abs. 5 Satz 1 StVG). Im konkreten Fall begann diese Frist fünf Jahre nach Bestandskraft der Entzugsentscheidung (06.09.2011) zu laufen (06.09.2016) und endete zehn Jahre danach (06.09.2026). Die Entzugsentscheidung war daher im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts verwertbar.
c) Maßgeblich für die Forderung nach einem Fahreignungsgutachten im Jahr 2019 waren die Umstände, die dem Entzug im Jahr 2011 zugrunde lagen. Das war der regelmäßige Cannabiskonsum. Demgegenüber waren die Umstände, die die Eintragung der Ordnungswidrigkeit und des Bußgeldes auslösten, die bloße Teilnahme am Straßenverkehr unter Wirkung von Cannabis. Der VGH München verweist auch auf die gesetzgeberische Wertung, dass mit den deutlich unterschiedlichen Tilgungsfristen für Eintragungen über Ordnungswidrigkeiten einerseits und behördlichen Entziehungsentscheidungen andererseits den behördlichen Entscheidungen ein deutlich höheres Gewicht hinsichtlich der Beurteilung der Fahreignung zugemessen werde.
d) Schließlich verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass diese Rechtsauffassung durch die Änderung des § 29 Abs. 7 StVG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 12.07.2021 (BGBl, 3091) unterstrichen wird. Dem § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG wurde ein Satz 2 angefügt, nachdem eine Tat und die hierauf bezogene Entscheidung trotz ihrer Löschung aus dem Fahreignungsregister für die Durchführung anderer als in § 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 4 StVG genannten Verfahren zur Erteilung oder Entziehung der Fahrerlaubnis – also insbesondere für die Durchführung eines Neuerteilungsverfahrens – verwendet werden, solange die Tat als Grundlage einer noch gespeicherten Maßnahme nach § 28 Abs. 3 Nr. 5, 6, oder 8 StVG genannt ist. In der Gesetzesbegründung (
BT-Drs. 19/28684, S. 52 f.) ist ausdrücklich angegeben, dass es sich bei dieser Neuregelung nur um eine Klarstellung handelt. Denn eine Tat, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hat, soll trotz des Ablaufs der Tilgungsfrist bei der Beurteilung der Fahreignung in einem (Wieder-)Erteilungsverfahren verwendet werden können. Voraussetzung ist, dass die seinerzeitige Tat in der Entziehungs- oder Versagungsentscheidung genannt ist und diese noch gespeichert, mithin auch verwertbar ist. Das war vorliegend gerade der Fall.