- 19.09.2025
- Juristische Rundschau (JR)
Touch me if you can – Die Zulässigkeit der zwangsweisen Entsperrung eines Mobiltelefons mittels Fingerabdrucks
I. Der Mensch als Schlüssel zur »digitalen Innenwelt«
Das Smartphone ist heute das digitale Spiegelbild einer Person, kaum ein anderer Gegenstand enthält so umfangreiche, persönliche und tiefgehende Daten – dies bedarf keiner näheren Erörterung. Genauso dürfte es inzwischen zum Allgemeinwissen zählen, dass sich auch Straftaten immer mehr in die digitale Welt verlagern oder zumindest mit Hilfe technischer Mittel begangen werden, die Strafverfolgung damit Schritt halten muss und deshalb naturgemäß ein Interesse an der Verwendung und Auswertung der Speicher von Smartphones (und der mit diesen verbundenen Cloud-Speichern) als Beweismittel hat. Wollen die Strafverfolgungsbehörden auf Daten eines Smartphones zugreifen, bietet die Strafprozessordnung derzeit das zweistufige Instrumentarium aus Durchsuchung und (noch dazugehöriger) Durchsicht nach §§ 102, 110 StPO einerseits sowie die Beschlagnahme nach den §§ 94 ff. StPO andererseits. Aufgrund heute gängiger Authentifizierungs- und Entsperrungsverfahren gestaltet sich dieser Zugriff besonders dort, wo biometrische Erkennungsmerkmale zur Authentifizierung erforderlich werden, schwieriger als erhofft. Die Vorteile dieser Authentifizierungsverfahren liegen auf der Hand: Der Nutzer wird anhand eines körperlichen Merkmals (z. B. Gesicht, Fingerabdruck) erkannt, diese Merkmale sind untrennbar mit ihm verbunden, er kann sie – im Gegensatz zu Passwörtern – nicht vergessen. Hinzukommt, dass – jedenfalls nach derzeitigem forensischem Wissensstand – jeder Fingerabdruck einmalig ist, was freilich nicht heißt, dass diese Methode ohne Gefahren auskommt (Stichworte: Fälschung und Missbrauch, insbesondere, weil der Fingerabdruck nicht geheim ist, sondern auf vielerlei Arten von Dritten erlangt werden kann). Da der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren häufig nicht freiwillig bei der Entsperrung seines Smartphones mitwirkt, stellt sich die Frage, ob die Strafverfolgungsbehörden im Wege unmittelbaren Zwangs das Gerät entsperren dürfen. Dies war bislang äußerst umstritten. Erst kürzlich haben sich das OLG Bremen und der BGH hiermit beschäftigt und dieses praktisch relevante Vorgehen aus Sicht der fachgerichtlichen Rechtsprechung für zulässig erklärt. Im Fall des OLG Bremen hat sich ein Betroffener aktiv gegen die zwangsweise Entsperrung seines Smartphones gewehrt, weshalb er wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB verurteilt wurde. Die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorgehens stellte sich dort i. R. d. § 113 Abs. 3 StGB. Im Fall des BGH war ebenfalls die zwangsweise Entsperrung des Smartphones Gegenstand der Revision. Im Raum stand ein Verstoß gegen § 145 c StGB, weil vermutet wurde, dass der Angeklagte über sein Smartphone auf Online-Portale zugegriffen hatte, die der Anbahnung von (ihm untersagten) privaten Betreuungsverhältnissen dienten. Die Entscheidungen bieten Anlass, einer rechtlichen Würdigung unterzogen zu werden und das zwangsweise Entsperren eines Mobiltelefons durch Auflegen des Fingers auf den Gerätesensor als solches näher zu beleuchten.