Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Beschwerdeführer sind zwei zu jeweils 50% an einer GmbH beteiligte Gesellschafter. Der Beschwerdeführer zu 2) war alleiniger Geschäftsführer der GmbH, legte sein Amt jedoch wirksam nieder.
Die Bestellung eines neuen Geschäftsführers scheiterte an der fehlenden Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung aufgrund einer unwirksamen Vertretung des Beschwerdeführers zu 2). Eine weitere Gesellschafterversammlung wurde nicht abgehalten und kein weiterer Versuch zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers unternommen.
Beide Beschwerdeführer beantragten zeitlich versetzt jeweils die Bestellung eines Notgeschäftsführers durch das AG Potsdam gemäß § 29 BGB in entsprechender Anwendung.
Der Beschwerdeführer zu 1) argumentierte, dass Dringlichkeit gegeben sei, aufgrund erforderlicher kaufmännischer Maßnahmen nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung und Bestandssicherung der GmbH. Der Beschwerdeführer zu 2) begründete seinen Antrag mit dem Zerwürfnis der Gesellschafter.
Das AG Potsdam wies sämtliche Anträge zurück. Weder sei eine konkrete Gefährdung der GmbH dargelegt noch sei ersichtlich, dass der GmbH ohne Notgeschäftsführerbestellung ein Schaden entstehe oder alsbald erforderliche Handlungen nicht vorgenommen werden könnten.
Auch half das AG Potsdam der daraufhin eingelegten Beschwerden der Beschwerdeführer nicht ab, in der der Beschwerdeführer zu 1) ausführte, die Gesellschafter seien heillos zerstritten, und es bestehe konkreter Handlungsbedarf zur Erfüllung von steuerrechtlichen Pflichten, Buchführungspflichten, Jahresabschlusserstellung und Meldung gegenüber dem Bundesamt für Justiz. Die Beschwerde wurde deshalb dem OLG Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.
Das OLG Brandenburg hat die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, dass weder ein dringender Fall i.S.d. § 29 BGB noch eine akute Gefährdung der GmbH vorliege. § 29 BGB sei restriktiv auszulegen, eine gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers nur als ultima ratio zulässig, wenn andere Möglichkeiten nicht vorhanden oder ausgeschöpft seien.
Es sei nicht dargelegt worden, dass die Gesellschafter sich nicht auf einen neuen Geschäftsführer verständigen könnten. Auch hätte ein neuer Versuch der Gesellschafterversammlung unternommen werden müssen. Dass ein vorangehender Versuch der Bestellung eines neuen Geschäftsführers aufgrund fehlender Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung gescheitert sei, reiche dabei nicht aus, insbesondere auch deshalb, weil die Beschlussunfähigkeit auf einem Bevollmächtigungsmangel beruht habe.
Die sich aus den §§ 41, 42a GmbHG ergebenden Pflichten begründeten keinen dringenden Fall i.S.d. § 29 BGB.
Kontext der Entscheidung
Mit seiner Entscheidung führt das OLG Brandenburg die bisher ergangene oberlandesgerichtliche Rechtsprechung zu § 29 BGB fort, wonach die Einsetzung eines Notgeschäftsführers bzw. Notvorstandes voraussetzt, dass aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Bestellung des entsprechenden Vertretungsorgans sich nach entsprechenden Bemühungen als erfolglos erwiesen hat oder von vorneherein nicht in Betracht kommt (u.a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.08.2024 - I-3 Wx 123/24; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.09.2011 - 3 W 119/11; OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.07.2005 - 20 W 280/05).
Weiter bleibt der Beschluss des OLG Brandenburg auf der Linie des OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.07.2005 - 20 W 280/05, wonach die Erfüllung von allgemeinen Geschäftsführerpflichten für das Erfüllen der Voraussetzung der Dringlichkeit nicht ausreicht.
Die Entscheidung stellt Sinn und Zweck von § 29 BGB klar heraus: Es soll die Handlungsfähigkeit der juristischen Person sichergestellt werden und gleichzeitig nicht mehr als notwendig in die Zuständigkeitsordnung derselben eingegriffen werden (Leuschner in: MünchKomm BGB, 10. Aufl. 2025, § 29 Rn. 1).
Sachgerecht ist es daher, § 29 BGB weiterhin restriktiv auszulegen. Dass auch ein pauschaler Verweis auf die Geschäftsführerpflichten aus den §§ 41, 42a GmbHG für die Dringlichkeit der Bestellung eines Notgeschäftsführers nicht ausreichend sein kann, leuchtet ein, angesichts der Vielzahl von Streitigkeiten über die Geschäftsführerposition, die zwischen Gesellschaftern einer GmbH bestehen und entstehen können. Der Zweck von § 29 BGB würde nahezu gänzlich unterlaufen, wenn an die Dringlichkeit keine hohen Anforderungen gestellt würden.