Mieterinsolvenz: Qualifikation des Anspruchs auf Wiederauffüllung der KautionLeitsatz Ein Anspruch auf Wiederauffüllung einer Mietsicherheit fügt sich von vornherein nicht in das allgemeine Schema einer Differenzierung (nur) zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen ein, sondern ist weder das eine noch das andere und kann - jedenfalls - bei Fortsetzung des Mietverhältnisses nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mieters ohne sich daraus ergebende Beschränkungen verfolgt werden. - A.
Problemstellung Es ließe sich annehmen, der Anspruch auf Einzahlung der Kaution spiele in der Mieterinsolvenz keine große Rolle. Hier hilft auf den ersten Blick nur eine schon vorhandene Sicherheit, die zur Befriedigung auch eingesetzt werden kann, also z.B. die Barkaution oder das verpfändete Sparbuch. Ohne Sicherheit wird der Vermieter auf die Quote verwiesen. Ansprüche für die Zeit vor Eröffnung kann er nur als Insolvenzforderung anmelden (§ 38 InsO). Diese Ansprüche unterliegen bei natürlichen Personen zudem regelmäßig der Restschuldbefreiung. Auch das gesetzliche Pfandrecht (§ 562 Abs. 1 BGB) hilft kaum. Es ist schon nur für Forderungen aus dem letzten Jahr vor Insolvenzeröffnung zu nutzen (§ 50 Abs. 2 InsO). Und es ist in der Wohnraummiete auch insoweit regelmäßig wertlos. Kaum ein eingebrachter Gegenstand wird pfändbar sein und damit dem Vermieterpfandrecht unterliegen (§ 562 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die schlechte Lage des Vermieters könnte sich aber ändern, wenn der Mietvertrag aus dem Massebeschlag ausscheidet. Das geschieht nicht nur mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens selbst. In der Wohnraummiete gibt jeder Insolvenzverwalter das Wohnraummietverhältnis nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO frei (vgl. BGH, Urt. v. 22.05.2014 - IX ZR 136/13 - NZM 2014, 551 = WuM 2014, 411). In der Gewerbemiete fällt das Mietverhältnis in das beschlagnahmefreie Vermögen des Schuldners zurück, wenn die dazu gehörende Selbstständigkeit vom Insolvenzverwalter nach § 35 Abs. 2 InsO freigegeben wird (vgl. BGH, Urt. v. 09.02.2012 - IX ZR 75/11 - MDR 2012, 676). Wann immer der Mietvertrag aus der Masse ausscheidet, stellt sich erneut die Frage, ob der Vermieter nunmehr Einzahlung oder Wiederauffüllung der Kaution verlangen kann. Damit hatte sich das OLG Rostock zu befassen.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Das OLG Rostock nimmt wegen des Sachverhalts vollständig auf die landgerichtliche Entscheidung Bezug, die in der ZMR (LG Neubrandenburg, Urt. v. 28.05.2025 - 3 O 469/23 - ZMR 2025, 793) veröffentlicht ist. Nach den Daten, die das OLG-Urteil nennt, bestand zwischen den Parteien ein Gewerberaummietvertrag mit der Klägerin als Vermieterin und der Beklagten als Mieterin. Die Klägerin hatte sich – berechtigt – im laufenden Mietverhältnis aus einer geleisteten Kaution befriedigt. Später war über das Vermögen der Beklagten ein Insolvenzverfahren eröffnet worden, das mit einem Insolvenzplan abgewickelt und danach aufgehoben wurde. Das Mietverhältnis überdauerte alle Verfahrensabschnitte. Die Klägerin verlangte nunmehr die Wiederauffüllung der Kaution i.H.v. rund 68.000 Euro. Dieser Klage gab das LG Neubrandenburg statt. Das OLG Rostock hat die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Die Forderung auf Einzahlung der Kaution bestehe in der Form des Wiederauffüllungsanspruchs und könne jedenfalls nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder gegen die Beklagte geltend gemacht werden. Nach der berechtigten Inanspruchnahme der Kaution in einem laufenden Mietverhältnis bestehe ein Wiederauffüllungsanspruch gegen den Mieter (Verweis auf Figura/Oprée/Stellmann-Moeser/Moeser, Handbuch Geschäftsraummiete, 5. Aufl. 2023, § 12 Rn. 85). Die Beklagte sei hier auch nicht nach § 227 InsO (Restschuldbefreiung im Insolvenzplanverfahren) von dieser Einzahlungsforderung befreit worden. Die Forderung auf Einzahlung der Kaution sei nämlich keine Insolvenzforderung. Vielmehr füge sie sich nicht in das allgemeine Schema einer Differenzierung (nur) zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen ein. Sie sei weder das eine noch das andere und könne bei Fortsetzung des Mietverhältnisses nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ohne insolvenzbedingte Beschränkungen erneut verfolgt werden. Die Einordnung der Forderung auf Kautionseinzahlung als Insolvenzforderung widerspräche dem Zweck einer Mietsicherheit. Ab dem Zeitpunkt der Verfahrensaufhebung würden weiter neue Forderungen des Vermieters gegen den Mieter auf laufende Mieten entstehen, bei denen es sich trotz der Begründung des Mietverhältnisses vor dem Insolvenzverfahren nicht (mehr) um Masseverbindlichkeiten oder Insolvenzforderungen handle. Also bestehe das Sicherungsinteresse des Vermieters fort, ebenso die dazu im Vertrag vorhandene Kautionsvereinbarung. Das Sicherungsinteresse des Vermieters rechtfertige dementsprechend auch das Verlangen nach einer Wiederauffüllung der Mietsicherheit. Die Einordnung des Wiederauffüllungsanspruchs als Neuforderung führe auch nicht dazu, dass der Vermieter sich jetzt insolvenzwidrig wegen seiner im Verfahren festgestellten Insolvenzforderungen aus der neu geleisteten Kaution befriedigen und dann nochmals Wiederauffüllung verlangen könne. Die Regelungen zur Restschuldbefreiung (hier § 227 InsO) stünden nach ihrem Sinn und Zweck einer Aufrechnung der neu geleisteten Kaution mit den Insolvenzforderungen entgegen.
- C.
Kontext der Entscheidung Die Entscheidung betrifft einen Meinungsstreit, der bisher vorwiegend im Schrifttum erörtert worden ist. Eine Auffassung meint, beim Einzahlungsanspruch handle es sich um eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO, weil der Anspruch eben im Moment der Insolvenzeröffnung bestehe (Fehl-Weileder in: Braun, Insolvenzordnung, 10. Aufl. 2024, § 108 InsO Rn. 24; Wegener in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 16. Aufl. 2025, § 108 InsO Rn. 32). § 38 InsO sei erfüllt; danach seien alle bei Insolvenzeröffnung bestehenden Forderungen nur Insolvenzforderungen. Nach einer weiteren Auffassung besteht der Anspruch ab Insolvenzeröffnung als Masseforderung. Das sei aus der Gestaltung des Wiederauffüllungsanspruchs im Recht der Kaution abzuleiten. Die Qualifikation als Masseforderung gelte aber mit der Maßgabe, dass die Kaution dann ihrerseits nur noch Masseforderungen abdecke, nicht aber Insolvenz- oder Neuforderungen (so insbesondere Jacoby in: Jaeger, Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2021, § 108 InsO Rn. 162). Werde der Vermieter durch § 108 Abs. 1 InsO verpflichtet, das Mietverhältnis insgesamt fortzusetzen, habe das nach Maßgabe dessen zu geschehen, was die Mietvertragsparteien ursprünglich vereinbart hatten. Daher könne der Vermieter für die künftigen Masseverbindlichkeiten eine Sicherung nach Maßgabe des Vertrags verlangen. Insoweit müsse der Anspruch auf Sicherung in seiner Einordnung den zu sichernden Ansprüchen folgen (Jacoby in: Jaeger: Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 108 InsO Rn. 162). Die dritte Auffassung nimmt an, die Forderung stehe außerhalb des Insolvenzverfahrens. Sie könne nach Ausscheiden des Mietvertrags aus der Masse, dem Mieter gegenüber als Neuforderung geltend gemacht werden (Flatow in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 108 InsO Rn. 18). Dieser Auffassung folgt das OLG Rostock. Dem ist nach diesseitiger Auffassung zuzustimmen. Gegen die Annahme einer Insolvenzforderung spricht die Systematik. Zweck des § 38 InsO ist es, die Gläubiger gemeinschaftlich nach Quoten zu „befriedigen“. Die Gläubigerbefriedigung ist das gesetzliche Ziel des Insolvenzverfahrens (§ 1 Satz 1 InsO). Bei der Einzahlung der Kaution geht es aber nicht um die Befriedigung des Gläubigers, sondern um die Leistung einer Sicherheit, die nicht in das Vermögen des Vermieters übergeht. Die Insolvenzordnung unterscheidet zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigern, die Aus- und Absonderungsrechte geltend machen können. Dieses System wäre durchbrochen, wenn der Anspruch auf Sicherheitsleistung als Insolvenzforderung geltend gemacht werden könnte. Der Vermieter erhielte die Quote auf seine offene (Miet-)Forderung und nochmals die Quote auf die Sicherheit. Damit könnte er dann eine zusätzliche Befriedigung seiner (jetzt) gesicherten restlichen Forderung erhalten. Umgekehrt unterläge der Anspruch auf Kautionsleistung, soweit er die Quote übersteigt, der Restschuldbefreiung nach § 301 InsO, obwohl die Kaution auch künftige Forderungen sichert. Die Einordnung als Masseforderung entspricht ihrerseits nicht der Differenzierung in § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO / § 108 Abs. 3 InsO. Diese Vorschriften stellen darauf ab, ob eine Forderung „für die Zeit“ vor oder nach Insolvenzeröffnung besteht. Das verlangt im Grundsatz die Teilbarkeit. Die Kautionsforderung ist aber, jedenfalls wenn z.B. eine Bürgschaft geschuldet wird, nicht teilbar. Es wäre mietrechtlich problematisch, zwei Kautionen mit verschiedenen Sicherungszwecken zu bilden. Wäre der Sicherungsumfang für die wieder aufgefüllte Kaution auf Masseschulden beschränkt, wäre die Kaution vom Vermieter an den Verwalter zurückzuzahlen, sobald der Mietvertrag wieder beschlagnahmefrei wäre, ohne dass in der Zeit des Insolvenzbeschlags Masseverbindlichkeiten aus dem Mietvertrag entstanden wären. Würde der Mietvertrag, wie häufig, vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens beschlagnahmefrei (§ 35 Abs. 2 InsO oder § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO), müsste der Vermieter im laufenden Mietverhältnis dem Verwalter (heißt: der Masse) die gerade erhaltene Kaution erst einmal zurückzahlen, müsste sie dann – für die Neuforderungen – vom Mieter erneut verlangen. Es gäbe die „Kaution der Masse“ und die „Kaution für Neuforderungen“ nebeneinander. Letztere könnte der Vermieter unmittelbar ab Beschlagnahmefreiheit des Vertrags wieder vom Mieter verlangen, dürfte aber zeitgleich die Inanspruchnahme der „Kaution der Masse“ noch über einen angemessenen Abrechnungszeitraum prüfen. Diese zeitweise Verdoppelung der Kaution ginge über einen Wiederauffüllungsanspruch hinaus. Es wäre wohl auch weder praktikabel noch Vermietern und Mietern zu vermitteln (näher Flatow in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 108 InsO Rn. 18). Damit bleibt mit der dritten Auffassung die Annahme einer Neuforderung, die nach Wegfall des Massebeschlags gegen den Mieter wieder verfolgt werden kann. Insoweit ist dem OLG Rostock auch darin zuzustimmen, dass die nach Freiwerden des Mietvertrags neu geleistete Kaution nur Neuforderungen sichern kann. Andernfalls wäre die insolvenzrechtliche Regelung, nach der Insolvenzgläubiger nur die bereits vorhandenen Sicherungen durch Aus- oder Absonderung einsetzen können, unterlaufen.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Die Bedeutung für die Praxis ist bei Einbeziehung des Wiederauffüllungsanspruchs nicht gering. Das betrifft nicht nur die Gewerberaummiete. Auch in der Wohnraummiete kann Wiederauffüllung einer verbrauchten Kaution nach Freiwerden des Mietvertrags verlangt werden, und zwar je nach Auffassung ggf. als Neuforderung gegen den Mieter. Hier wird zu entscheiden sein, ob dem Mieter eine Kündigung nach § 569 Abs. 2a BGB droht. Es geht bei der Wiederauffüllung weder um die Nichtzahlung von Raten noch um ein anfänglich vertragsuntreues Verhalten, also um die Punkte, die der BGH für den Anwendungsbereich des § 569 Abs. 2a BGB als maßgebend benannt hat (BGH, Urt. v. 14.05.2025 - VIII ZR 256/23 - NJW 2025, 2147 = WuM 2025, 426). Die Frage nach der Anwendung des § 569 Abs. 2a BGB auf den Wiederauffüllungsanspruch ist offen.
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