§ 67d Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 StGB gebietet keine Sonderprüfung der Maßregelfortdauer zum Ablauf der ZehnjahresfristLeitsätze 1. Die isolierte Anfechtung einer Fortdauerentscheidung in Unterbringungssachen hinsichtlich einer festzustellenden Fristüberschreitung ist zulässig, weil der Untergebrachte eine gerichtliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren kaum erlangen kann. 2. Fällt der Zehnjahreszeitpunkt in die periodische Überprüfungsfrist nach § 67e Abs. 2 StGB, normiert § 67d Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 StGB keine starre Frist, die schon bei der Verfahrensgestaltung beachtet werden muss. Vielmehr ist eine differenzierende Betrachtung geboten, aufgrund derer bestmöglich gewährleistet ist, dass dem erhöhten Prüfungsmaßstab aus § 67d Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 StGB, der die Freiheitsrechte des Untergebrachten schützt, Rechnung getragen wird. 3. Der Zeitpunkt der gerichtlichen Überprüfung bestimmt sich danach, ob die Zehnjahresfrist des § 67d Abs. 6 Satz 3 StGB oder die Überprüfungsfrist des 67e Abs. 2 StGB früher erreicht ist und muss spätestens innerhalb eines Jahres nach der letzten Fortdauerentscheidung oder spätestens neun Monate nach Ablauf der Zehnjahresfrist ergehen. - A.
Problemstellung Sowohl bei der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung als auch (wie im vorliegenden Fall) bei einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verschärft sich ab zehn Jahren der Unterbringung der Prüfungsmaßstab für eine Fortdauer der Maßregel (vgl. § 67d Abs. 3 StGB bzw. § 67d Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 StGB). Ist dann anlässlich des Eintritts des Zehnjahreszeitpunkts eine gesonderte gerichtliche Fortdauerprüfung unter Zugrunderlegung des verschärften Maßstabs durchzuführen, wenn sie nicht mit der turnusmäßigen Fortdauerprüfung nach § 67e StGB zusammenfällt?
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Der Beschwerdeführer befindet sich in einer Unterbringung nach § 63 StGB. Die vorherige Fortdauerentscheidung nach § 67e StGB erging am 04.09.2024. Zehn Jahre der Unterbringung waren am 16.06.2025 abgelaufen. Die aktuelle Fortdauerentscheidung ist am 29.08.2025 erlassen worden. Gegen diese wendet sich der Untergebrachte zwar nicht in der Hauptsache (also bzgl. der Maßregelfortdauer), wohl aber begehrt er mit seiner sofortigen Beschwerde die Feststellung, dass er durch eine Fristüberschreitung in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 104 Abs. 1 GG verletzt ist. Er meint, es sei unabhängig von den Fristen des § 67e StGB eine Fortdauerentscheidung anlässlich des Ablaufs der Zehnjahresfrist zu treffen gewesen. Der 1. Strafsenat des OLG Schleswig hält das Rechtsmittel zwar für zulässig, aber für unbegründet. Zur Zulässigkeit führt er aus, dass in einer (ggf.) festzustellenden Fristüberschreitung ein tiefgreifender Grundrechtseingriff liegt, der nicht mehr fortwirkt und die Belastung des Untergebrachten durch die Maßnahme sich nach dem typischen Zeitablauf auf eine Zeitspanne beschränke, in welcher eine gerichtliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren kaum erlangt werden könne. In der Sache selbst meint der Senat, dass die Strafvollstreckungskammer nicht bereits nach Erreichen der Zehnjahresfrist eine Fortdauerentscheidung habe treffen müssen. Bei der vorliegenden Konstellation habe die Jahresfrist des § 67e Abs. 2 StGB gegolten. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung in § 67d Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 StGB „zwar eine gesonderte Überprüfungsfrist anlässlich des Erreichens der Unterbringungsdauer über zehn Jahre hinaus normiert“. Diese werde auch nicht dadurch gegenstandslos, dass die jährliche Überprüfung nach § 67e StGB erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erfolgen habe. Das folge schon daraus, dass ein Auseinanderfallen beider Zeitpunkte „in der Regel“ nur dadurch entstehen könne, dass schon zuvor einer oder mehrere Jahresfristen überschritten worden seien. Die Regelung gebiete aber nicht, dass stets eine gesonderte Überprüfung unverzüglich nach Ablauf von zehn Jahren Vollstreckungsdauer zu erfolgen habe. Sie beinhalte vielmehr „allein in der Sache eine Änderung des Prüfungsmaßstabs zum Zehnjahreszeitpunkt“. Anders als § 67e Abs. 2 StGB, welcher bestimmte Überprüfungszeitpunkte normiere, regle § 67d Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 StGB lediglich, „ab wann in der Sache ein erhöhter Prüfungsmaßstab“ gelte. Eine prozessuale Sonderfrist lasse sich auch nicht aus der Intention des Gesetzgebers herleiten, der eine Sonderprüfung „nach der Vollstreckung von zehn Jahren“ ( BT-Drs. 13/9062, S. 10) vorgesehen habe. § 67d Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 StGB normiere daher keine starre Frist. Es sei vielmehr in der „Gemengelage“ der Regelung zur periodischen Überprüfung und der Regelung zum erhöhten Fortdauermaßstab nach § 67d Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 StGB (sofern die relevanten Zeitpunkte nicht zusammenfallen) das Vorgehen daran auszurichten, dass dem Untergebrachten keine zu Unrecht erfolgende Freiheitsentziehung droht, weil der erhöhte Prüfungsmaßstab erst nach Überschreiten des Zehnjahreszeitpunkts Geltung erlangt. Das OLG Schleswig zitiert sodann zur weiteren Begründung eine längere Passage aus einem Beschluss des OLG Hamm vom 08.07.2025 (III-3 Ws 211/25), in dem dieses in einem die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung betreffenden Fall entschieden hatte, dass dann, wenn die letzte Fortdauerprüfung vor Ablauf der Zehnjahresfrist stattgefunden hat, die nächste Fortdauerprüfung – je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt – entweder innerhalb eines Jahres nach der letzten Fortdauerprüfung oder spätestens neun Monate nach Ablauf der zehnjährigen Vollstreckungsdauer vorgenommen werden müsse. Dieser Auffassung schließt sich das OLG Schleswig nun an. Es meint aber auch, dass eine Grundrechtsverletzung bei anderer Betrachtungsweise nicht festzustellen gewesen wäre. Denn eine solche setzte neben der objektiven Fristüberschreitung auch eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Freiheitsgrundrechts voraus. Bei einer Orientierung allein an den Fristen des § 67e StGB könne davon nicht ausgegangen werden, denn die Fallkonstellation sei in Schrifttum und Rechtsprechung noch nicht geklärt gewesen.
- C.
Kontext der Entscheidung I. Uneingeschränkt zuzustimmen ist den Ausführungen des Senats zur Zulässigkeit. Das BVerfG hat bereits mehrfach im Hinblick auf die Einhaltung der Überprüfungsfristen des § 67e Abs. 2 StGB entschieden, dass diese der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dienen. Eine Grundrechtsverletzung liegt dann vor, wenn die Missachtung der Überprüfungsfrist eine „nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht“ darstellt, „die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt“. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung müssen die Gründe für eine Fristüberschreitung dargelegt werden (vgl. u.a. BVerfG, Beschl. v. 11.05.2017 - 2 BvR 30/15; BVerfG, Beschl. v. 19.07.2021 - 2 BvR 1317/20; BVerfG, Beschl. v. 22.07.2024 - 2 BvR 2276/20). In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird bei einer grundrechtswidrigen Fristüberschreitung eine entsprechende Feststellung für erforderlich erachtet (OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.07.2019 - 3 Ws 456/19 u.a.; OLG Hamm, Beschl. v. 18.02.2020 - 3 Ws 11/20; OLG Rostock, Beschl. v. 17.05.2022 - 20 Ws 91/22). Eine das Freiheitsgrundrecht missachtende Fristüberschreitung (das ist nicht bei jeder Fristüberschreitung der Fall, wie auch die Ausführungen am Ende der vorliegenden Entscheidung zeigen) stellt also eine selbstständige Beschwer dar. Das Unterlassen einer entsprechenden Feststellung (oder der Umstand, dass die Feststellung nicht weitgehend genug ist) muss dann auch selbstständig anfechtbar sein. II. Anlass zu Bedenken geben hingegen teilweise die Ausführungen zur Begründetheit. So erscheint es zunächst einmal widersprüchlich, wenn zunächst ausgeführt wird, der Gesetzgeber habe in § 67d Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 StGB eine „gesonderte Prüfungsfrist anlässlich des Erreichens der Unterbringungsdauer über zehn Jahre hinaus normiert“ (Rn. 8) – also eine prozessuale Regelung –, dann aber (Rn. 9) ausgeführt wird, dass die Regelung „allein in der Sache eine Änderung des Prüfungsmaßstabs zum Zehnjahreszeitpunkt“ beinhalte – also eine materiell-rechtliche Regelung. Auch die Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 08.07.2025 (III-3 Ws 211/25) überzeugt nicht uneingeschränkt. Diese betraf nur die – allein bei der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung relevante – Frage, welche Frist des § 67e Abs. 2 StGB gilt, wenn die Zehnjahresfrist des § 67d Abs. 3 StGB zwischen der letzten und der aktuellen Fortdauerprüfung abgelaufen ist: Gilt dann die bei Erlass der alten Fortdauerentscheidung noch relevante Jahresfrist oder die nach Ablauf von zehn Jahren relevante neunmonatige Frist? Das OLG Hamm hat sich – um eine Benachteiligung des Sicherungsverwahrten auszuschließen – dafür entschieden, dass „der neue Fortdauerbeschluss – je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt – spätestens innerhalb eines Jahres nach der letzten Fortdauerentscheidung oder spätestens neun Monate nach Ablauf der Zehnjahresfrist ergehen“ muss. Diese Problematik spielt aber bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus keine Rolle, weil die Überprüfungsfrist nach § 67e Abs. 2 StGB hier auch jenseits der Zehnjahresfrist ein Jahr beträgt. I.E. zutreffend geht das OLG Schleswig aber (mangels entsprechender prozessualer Regelung) davon aus, dass eine gesonderte Prüfung außerhalb des Turnus des § 67e Abs. 2 StGB zum Ablauf der Zehnjahresfrist nicht zwingend geboten ist. Findet eine solche gesonderte Prüfung nicht statt, so ist dies für sich genommen aus prozessualer Sicht unschädlich. Zutreffend entscheidet sich das OLG Schleswig letztlich (wohl) auch dafür, dass § 67d Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 StGB (allein) eine materiell-rechtliche Regelung zum Prüfungsmaßstab enthält – trotz der zitierten Passage aus den Gesetzesmaterialien. Allein aus letzterer – entgegen dem Wortlaut des § 67d Abs. 3 StGB – eine prozessuale Prüfungspflicht, vergleichbar der des § 67e StGB herzuleiten, ist schon deswegen nicht angängig, weil eine „gesonderte Prüfung nach (Hervorh. d. Verf.) der Vollstreckung von zehn Jahren“ schon gar nicht geeignet wäre, sicherzustellen, dass eine Vollstreckung über den Zehnjahreszeitpunkt auch wirklich nur bei Vorliegen der erhöhten Fortdauervoraussetzungen stattfindet. Denn findet die Prüfung erst nach dem Zehnjahreszeitpunkt statt, ergeht eine Entscheidung ja dann noch später, also deutlich nach einem Zeitablauf von zehn Jahren + x. Im Übrigen hat auch eine prozessuale Prüfungspflicht keinen Niederschlag im Wortlaut der Regelung gefunden. Ergeht keine Fortdauerentscheidung unter Anwendung des erhöhten Fortdauermaßstabs zum Ablauf der Zehnjahresfrist, könnte es allerdings vorkommen, dass sich bei der nächsten (turnusmäßigen) Überprüfung der Maßregelfortdauer nach Ablauf der Zehnjahresfrist herausstellt, dass der Verurteilte oder Untergebrachte die für eine Maßregelfortdauer über zehn Jahre hinaus notwendige erhöhte Gefährlichkeit (§ 67d Abs. 3 StGB bzw. § 67d Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 StGB) nicht aufweist und dann womöglich ab dem Zehnjahreszeitpunkt mangels Vorliegens der Fortdauervoraussetzungen zu Unrecht Freiheitsentzug erlitten hat. Vor diesem Hintergrund ist es (aus materiell-rechtlichen Gründen) angezeigt, schon bei der letzten (turnusmäßigen oder ggf. auch auf Antrag stattfindenden) Fortdauerentscheidung vor Ablauf von zehn Jahren Maßregelvollstreckung den erhöhten Prüfungsmaßstab anzuwenden oder aber den Fristablauf zum Anlass einer „jederzeit“ möglichen (vgl. § 67e Abs. 1 StGB) gesonderten Prüfung der erhöhten Fortdauervoraussetzungen von Amts wegen zu nehmen (OLG Hamm, Beschl. v. 28.01.2025 - III-3 Ws 5 - 11/25; OLG Hamm, Beschl. v. 08.07.2025 - III-3 Ws 211/25). Unterbleibt dies, wird aber bei der nächsten Fortdauerentscheidung jenseits der Zehnjahresgrenze das Vorliegen des erhöhten Fortdauermaßstabs bejaht und wurden die Fristen des § 67e StGB eingehalten, so liegt keine Missachtung des Freiheitsgrundrechts durch Verletzung prozessualer Fristen (= das Grundrecht sicherndes Verfahrensrecht) i.S.d. o.g. Rechtsprechung des BVerfG vor.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Man kann der Entscheidung zwar im Ergebnis, nicht aber in jeder Hinsicht bzgl. ihrer Begründung zustimmen. Prozessual ist eine gesonderte Maßregelfortdauerprüfung zum Ablauf der Zehnjahresfrist (§ 67d Abs. 3 bzw. Abs. 6 Satz. 3 i.V.m. Abs. 3 StGB) nicht geboten. Aus materiell-rechtlichen Gründen ist eine solche allerdings dann angezeigt, wenn die letzte Fortdauerentscheidung vor dem Ablauf der Zehnjahresfrist noch nicht die erhöhten Fortdauervoraussetzungen bejaht hatte. Nur so lässt sich ausschließen, dass sich im Nachhinein herausstellt, dass die erhöhten Fortdauervoraussetzungen nicht vorlagen und eine Vollstreckung über zehn Jahre hinaus zu Unrecht erfolgt ist.
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