Veranlagungszeitraumübergreifende Beurteilung der „25%-Grenze“ bei der Vermietung von FerienwohnungenLeitsätze 1. Bei einer ausschließlich an Feriengäste vermieteten und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehaltenen Ferienwohnung ist grundsätzlich und typisierend von der Absicht des Steuerpflichtigen auszugehen, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, wenn das Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen - abgesehen von Vermietungshindernissen - nicht erheblich (das heißt um mindestens 25%) unterschreitet. 2. Um den Einfluss temporärer Faktoren möglichst gering zu halten und ein einheitliches Bild zu erlangen, ist auf die durchschnittliche Auslastung der Ferienwohnung über einen zusammenhängenden Zeitraum von drei bis fünf Jahren abzustellen. - A.
Problemstellung Der IX. Senat des BFH hatte zur Einkünfteerzielungsabsicht bei der Vermietung einer Ferienwohnung zu entscheiden. Im Kern des Rechtsstreits ging es um die Frage, auf welchen Zeitraum für die Bestimmung der ortsüblichen Vermietungszeit („25%-Grenze“) abzustellen ist.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Klägerin vermietete eine Ferienwohnung. In den Jahren 2012 bis 2015 war die Wohnung dauervermietet. Nach einer Renovierung (2016) vermietete sie die Wohnung wieder an wechselnde Feriengäste. Im Streitjahr 2017 war die Wohnung an 72 Tagen und im Streitjahr 2018 an 44 Tagen vermietet. Die ortsüblichen Vermietungszeiten beliefen sich in 2017 auf 108 Tage, in 2018 auf 87 Tage. Das Finanzamt erkannte die für die Streitjahre erklärten Werbungskostenüberschüsse aus der Vermietung mangels Einkünfteerzielungsabsicht nicht an. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte an, die ortsübliche Vermietungszeit sei in den Streitjahren um mehr als 25% unterschritten worden. Eine Überschussprognose ergebe auf der Grundlage der seit 2016 entstandenen hohen Werbungskostenüberschüsse, dass mit der Miete kein positives Ergebnis zu erreichen sei. Die hiergegen gerichtete Revision hatte Erfolg. Der BFH hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Seine Entscheidung wird von folgenden Rechtsgrundsätzen getragen: I. Bereits Bekanntes: Bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit ist grundsätzlich und typisierend von der Absicht auszugehen, einen Einnahmeüberschuss zu erzielen. Dies gilt auch bei ausschließlich an Feriengäste vermieteten und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehaltenen Ferienwohnungen, wenn das Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen – abgesehen von Vermietungshindernissen – nicht erheblich (d.h. um mindestens 25%) unterschreitet (z.B. BFH, Urt. v. 26.05.2020 - IX R 33/19 Rn. 18 - BStBl II 2020, 548). Diesen Rechtssatz begründet der BFH in ständiger Rechtsprechung damit, dass das Vermieten einer Ferienwohnung mit einer auf Dauer angelegten Vermietung jedenfalls dann vergleichbar ist, wenn die Wohnung im ganzen Jahr (bis auf ortsübliche Leerstandszeiten) an wechselnde Feriengäste vermietet wird. Dann zeigt sich, dass der Steuerpflichtige die Ferienwohnung in geeigneter Form am Markt angeboten und alle in Betracht kommenden Interessenten berücksichtigt hat (z.B. BFH, Urt. v. 26.10.2004 - IX R 57/02 - BStBl II 2005, 388). In einem solchen Fall entspricht die Vermietungstätigkeit dem Typus des „Dauervermieters“ und rechtfertigt die Annahme, dass die Vermietung trotz über längere Zeiträume anfallender Werbungskostenüberschüsse in der Regel letztlich zu positiven Einkünften führt (BFH, Urt. v. 30.09.1997 - IX R 80/94 - BStBl II 1998, 771). Andernfalls muss die Einkünfteerzielungsabsicht durch eine Prognose überprüft werden. Zur Prüfung der „25%-Grenze“ müssen die individuellen Vermietungszeiten des jeweiligen Objekts an Feriengäste mit denen verglichen werden, die bezogen auf den gesamten Ort im Durchschnitt erzielt werden (BFH, Urt. v. 26.05.2020 - IX R 33/19 Rn. 19 - BStBl II 2020, 548). Der BFH hob in der Besprechungsentscheidung hervor, dass dieser Grenzwert nicht starr ist. Vielmehr wird lediglich aus Vereinfachungsgründen und um den bei einer solchen Prüfung unvermeidlichen Unsicherheiten Rechnung zu tragen, die Grenze bei „mindestens“ 25% angesetzt (BFH, Urt. v. 26.10.2004 - IX R 57/02 - BStBl II 2005, 388). Ferner muss bei der Prüfung der Frage, ob dem Typus des „Dauervermieters“ entsprochen wird, stets auf die durchschnittliche Auslastung der Ferienwohnung über einen längeren Zeitraum abgestellt werden (BFH, Urt. v. 26.05.2020 - IX R 33/19 Rn. 26 - BStBl II 2020, 548). II. Neuland betrat die Besprechungsentscheidung bei der Konkretisierung des „längeren Zeitraums“. Der BFH führte aus, dass hierfür ein zusammenhängender Zeitraum von drei bis fünf Jahren zu betrachten ist. Dabei kann die Betrachtung entweder mit dem streitigen Zeitraum starten, ihn umfassen oder mit ihm enden. Der Steuerpflichtige hat den Zeitraum zu benennen und die einschlägigen Werte darzustellen und nachzuweisen. Dieser Zeitraum ist zugrunde zu legen (d.h. vom Finanzamt zu akzeptieren), es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor. Liegt bei einer solchen Betrachtung der Durchschnitt der jährlichen Auslastungen nicht um mindestens 25% unter dem Durchschnitt der ortsüblichen Vermietungszeiten von Ferienwohnungen in diesem Zeitraum, zeigt sich, dass der Steuerpflichtige die Ferienwohnung in geeigneter Form am Markt angeboten und alle in Betracht kommenden Interessenten berücksichtigt hat. Ist dies der Fall, ist er steuerrechtlich einem Dauervermieter gleichzustellen. III. Die Entscheidung des Finanzgerichts war insoweit rechtsfehlerhaft, als es jedes der beiden Streitjahre 2017 und 2018 für die Beurteilung der „25%-Grenze“ für sich betrachtet hatte. Es hätte auf die durchschnittliche Auslastung über einen längeren Zeitraum abstellen müssen. Das Finanzgericht wird im nunmehr anstehenden zweiten Rechtsgang zu ermitteln haben, wie hoch die Auslastung der Ferienwohnung in den Zeiträumen vor (2016) und nach den Streitjahren (2019 und spätere Jahre) war. Gleiches gilt für die ortsüblichen Vermietungszeiten von Ferienwohnungen für die vorgenannten Jahre.
- C.
Kontext der Entscheidung I. Die Einkünfteerzielungsabsicht wird bei der Vermietung von Wohnraum in typisierender Weise im Regelfall angenommen. Die Notwendigkeit einer aufwendigen (und oftmals negativ verlaufenden) Totalüberschussprognose entfällt somit, ebenso Streitpotenzial zwischen dem vermietenden Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung. Selbst über einen langen Zeitraum anfallende Werbungskostenüberschüsse werden daher steuerrechtlich nicht infrage gestellt. II. Keine Regel ohne Ausnahme(n): Die Überschusserzielungsabsicht ist trotz vollentgeltlicher Vermietung zu prüfen, sofern die Nutzungsüberlassung lediglich befristet erfolgt, längere Leerstandszeiten zu verzeichnen sind oder die Ausstattung der Immobilie besonders aufwendig („luxuriös“) ist. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn eine sehr hochwertige Einbauküche, eine Sauna oder ein eingerichtetes Fitnessstudio Bestandteil des Wohnraummietvertrags ist (vgl. Trossen, DStR 2023, 2566). Gleiches gilt, wenn die Wohnfläche 250 qm übersteigt (BFH, Urt. v. 20.06.2023 - IX R 17/21 - BStBl II 2024, 35). In den vorgenannten Konstellationen verhält sich der Steuerpflichtige nicht wie der typische am Markt agierende Wohnungsvermieter und muss sich daher bei verlustbehafteter Vermietung den Mühen und Ungewissheiten einer Überschussprognose stellen. III. Die Vermietung von Ferienwohnungen reiht sich in diese Systematik ein; allerdings sind Besonderheiten zu berücksichtigen. Nutzt der Steuerpflichtige die Wohnung auch selbst oder behält er sich gegenüber einer vor Ort tätigen Vermietungsagentur Zeiten für eine Selbstnutzung vor, agiert er nicht wie der typische „Dauervermieter“; seine Einkünfteerzielungsabsicht kann daher nicht unterstellt werden. Eine solche Typusbetrachtung ist trotz Ausschlusses einer Selbstnutzung auch dann nicht gerechtfertigt, wenn das Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen – abgesehen von Vermietungshindernissen – erheblich unterschreitet. Die Erheblichkeitsschwelle sieht der BFH bei mindestens 25%. Das Wort „mindestens“ impliziert, dass der Grenzwert nicht starr zu betrachten ist, will heißen, dass im Einzelfall auch eine höhere Abweichung die Notwendigkeit einer Überschussprognose entfallen lassen kann. Erforderlich ist somit ein Vergleich der tatsächlichen Vermietungstage der Wohnung mit den jeweils ortsüblichen Vermietungstagen. Für Letzteres ist auf den Durchschnitt der Vermietungen am gesamten Ort abzustellen. Dabei ist „Ort“ nicht identisch mit dem Gebiet einer Gemeinde; er kann – je nach Struktur des lokalen Ferienwohnungsmarkts – das Gebiet einer oder mehrerer (vergleichbarer) Gemeinden oder aber auch lediglich Teile einer Gemeinde oder gar nur den Bereich eines Ferienkomplexes umfassen (vgl. BFH, Urt. v. 26.05.2020 - IX R 33/19 Rn. 19 - BStBl II 2020, 548). IV. Die Besprechungsentscheidung hat geklärt, dass die „25%-Grenze“ veranlagungszeitraumübergreifend zu prüfen ist. Angedeutet war dies bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 2020, in der es heißt, dass auf die durchschnittliche Auslastung der Ferienwohnung „über einen längeren Zeitraum“ abzustellen sei (BFH, Urt. v. 26.05.2020 - IX R 33/19 Rn. 26 - BStBl II 2020, 548). Diese Aussage hat der BFH nunmehr konkretisiert. Er hält einen Beurteilungszeitraum von zusammenhängenden drei bis fünf Jahren für geboten. Dabei liegt es in der Hand des Steuerpflichtigen, festzulegen, ob dieser Zeitraum mit dem jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum beginnt, diesen umfasst oder mit ihm endet. An diesen vom Steuerpflichtigen zu benennenden Zeitraum ist die Finanzverwaltung gebunden, es sei denn, es liegen außergewöhnliche (d.h. nicht repräsentative und daher marktunübliche) Umstände vor. Führt der Steuerpflichtige z.B. einen Streit mit dem Finanzamt über die Anerkennung seiner Einkünfteerzielungsabsicht für das Jahr 2020, hätte er die Wahl, den Beurteilungszeitraum aus der Spanne der Jahre 2016 bis 2024 zu bestimmen und die Dauer auf mindestens drei bis maximal fünf (zusammenhängende) Jahre festzulegen. Bei einer neu aufgenommenen Vermietungstätigkeit ist ein Blick in die Vergangenheit selbstredend nicht möglich. Insoweit beschränkt sich der Beurteilungszeitraum zunächst auf diejenigen Jahre, für die tatsächliche und ortsübliche Auslastungstage vorliegen. Unsicherheiten sind durch vorläufige Steuerfestsetzungen gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO auszugleichen.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Die Besprechungsentscheidung erweitert das Potenzial, gegenüber der Finanzverwaltung die (typisierende) Einkünfteerzielungsabsicht bei der Vermietung von Ferienwohnungen darzulegen. Eine für das Streitjahr schlechte Auslastung der Ferienwohnung kann bspw. durch gute Jahre in der Vergangenheit oder in den dem Streitjahr nachfolgenden Jahren kompensiert werden. Das Urteil soll in die amtliche Entscheidungssammlung des BFH (BFHE) aufgenommen werden; dies unterstreicht die Gewichtigkeit und Breitenwirkung des Judikats. Ob die Finanzverwaltung das Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht und damit zu einer Anwendung über den entschiedenen Einzelfall hinaus „freigibt“, ist allerdings noch offen.
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